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Artikel 10. März 2011
Wo testet man die Ausrüstung der künftigen Mars-Roboter? In Marokko!
Dort ähnliche, wenn auch nicht gleiche, Bedingungen wie auf dem Mars - eine Restrisiko bleibt trotzdem, manchmal sogar durch Dinge so banal wie Sand

Luftaufnahme der Teststelle in Marokko, die dem Mond ähnelt.
Oben: Luftaufnahme der Teststelle in Marokko, die dem Mond ähnelt. (Foto: Ibn Battatua Zentrum)
"Dieser Ort wird der zweite Mond genannt", sagt Gian Gabriele Ori vom [in Italien ansässigen] Internationalen Forschungsinstitut für Planetarische Wissenschaften (IRSPS). Er hält inne, schaut sich um und sagt dann mit einem Lachen: "Ich kann mich nicht mal mehr an den Grund dafür erinnern."

Tatsächlich ähnelt die weite Ebene in der Ori gerade steht dem Mars viel mehr als der staubige graue Mond. In diesem Tal östlich des marokkanischen Atlas-Gebirges gibt es rote, schwarze und braune Felsen im Überfluss. Sie sind in der Landschaft verteilt soweit das Auge reicht.

Die Berge am Horizont lassen einem die Bilder von den Wänden eines uralten Einschlagkraters auf dem Mars in den Kopf schießen, die von den Mars-Rovern SPIRIT und OPPORTUNITY geschossen worden sind. Sogar der vulkanische Ursprung vieler Felsen hier gleicht der geologischen Geschichte des Mars.

Ori und seine Kollegen geleiteten vor kurzem eine Gruppe Wissenschaftler in diese verlassene Region nahe der algerischen Grenze. Hier sollen viele der Instrumente, die für die kommenden ExoMars-Missionen entwickelt werden, auf Herz und Nieren geprüft werden. Diese Gemeinschaftsunternehmen der NASA und der ESA sollen die Atmosphäre des Mars, seine Geologie und seinen Wasserkreislauf erforschen. Ein weiteres Ziel ist die Suche nach Anzeichen für gegenwärtiges oder vergangenes Leben auf dem Mars.

Ein Roter Planet, aber zwei Mars-Sonden

Wüste Marokkos
Oben: Die Wüste Marokkos ist genauso leer und lebensfeindlich wie die Oberfläche des Mars - ein perfektes Testgelände für die Marsrover und die Experimente und Instrumente, die sie auf den Roten Planeten bringen sollen. (Photo: Leslie Mullen)
Bei der ersten ExoMars-Mission, deren Start für 2016 vorgesehen ist, soll eine Raumsonde die Gase analysieren, die die dünne Mars-Atmosphäre ausmachen.

Der Satellit, der auf einer Umlaufbahn um den Mars herum zum Einsatz kommen soll, soll u. a. nach Methan Ausschau halten - einem Gas, das auf der Erde oft ein Anzeichen für mikrobiologisches Leben ist, aber auch durch vulkanische Aktivität hervorgerufen werden kann. Das frühere Feststellen von Methan in der Mars-Atmosphäre hatte bereits zu einer Reihe von Spekulationen über mögliches Leben auf dem Mars geführt.

Die ExoMars Missionen könnten Klarheit darüber bringen, ob heutzutage in geschützten, unterirdischen Gebieten auf dem Mars Mikroben leben, die genauso wie Mikroben auf der Erde Methangas als Abfallprodukt freisetzen.

Neben dem Einbringen einer Orbitersonde in die Marsumlaufbahn soll die ExoMars-Mission auch eine stationäre Wetterplattform auf der Oberfläche des Mars absetzen. Diese meteorologische Station wird mithilfe einer Batterie wohl nur für ca. vier bis acht Tage funktionieren, die Hauptsache dabei ist jedoch, dass die ESA zum ersten Mal überhaupt eine Mission erfolgreich auf dem Mars zu landen vermag.

Die Kapsel soll sich von der Raumsonde ablösen, mit einem Fallschirm durch die Atmosphäre gleiten und mit Bremsraketen ihren Abstieg verzögern, unmittelbar bevor sie auf der Oberfläche aufsetzt. Die Unterseite der Kapsel wird aus einem knautschfähigen Material bestehen, das den Inhalt der Kapsel schützen soll, sollte diese auf großen Felsen landen.

Dieses Landesystem unterscheidet sich vom dem, das für die ExoMars-Mission des Jahres 2018 vorgesehen ist, könnte aber auf späteren Missionen wieder zum Einsatz kommen, sollte es erfolgreich sein. Das Landesystem für 2018 wird das gleiche Eintritts-, Sinkflug- und Landesystem verwenden wie das bevorstehende Mars-Wissenschaftslabor (MSL), auch CURIOSITY genannt.

Die ExoMars-Mission von 2016 wird der 2018-er-Mission auf eine andere Art von Nutzen sein. Die Messungen von Spurengasen der Sonde in der Atmosphäre wird den Wissenschaftlern helfen, für die Rover der 2018-er-Mission eine Landestelle zu bestimmen. Wenn man zum Beispiel eine Stelle findet, wo regelmäßig Methan auftritt, würde dies auf eine Schlüsselstelle hindeuten, wo man die Rover hinsenden könnte, damit sie dort nach den schwer zu erfassenden Anzeichen von Leben auf dem Mars suchen könnten.

Die Sonde soll auch als Relaysatellit für die zwei Rover dienen, um Daten auf die Erde zu schicken.

Der von der ESA entwickelte 2018-ExoMars-Rover wird größer als die Rover SPIRIT und OPPORTUNITY sein, die derzeit auf dem Mars im Einsatz sind, und er wird so gebaut werden, dass er mindestens 218 Mars-Tage überleben kann. Der sechsrädrige ESA-Rover wird eine Auswahl an Werkzeugen zu seiner Verfügung haben: ein Bodenradar, ein Röntgen-Diffraktometer, Infrarotinstrumente, Kameras, Spektrometer und einen Bohrer, der sich in den Marsboden hineinarbeiten soll.

Das Hauptziel des zweiten vorgeschlagenen Rovers, eine NASA-Entwicklung mit dem Namen Astrobiologischer Forschungszwischenspeicher für den Mars (MAX-C), soll das Sammeln und Analysieren von Proben der Marserde sein.

Der Rover würde im Anschluss daran die Proben aufbewahren, damit diese zu einem späteren Zeitpunkt abgeholt und zur weiteren Analyse auf die Erde gebracht werden könnten. (MAX-C wurde kürzlich durch den Nationalen Forschungsrat der USA zur großen planetarischen Wissenschaftsmission mit der höchsten Priorität für die USA im nächsten Jahrzehnt ausgerufen.) Die nachfolgende Marsproben-Rückführungsmission, die die Bodenproben auf die Erde bringen würde, die MAX-C in seinen Speicherraum aufnimmt, wird derzeit für die 2020-er-Jahre angepeilt.

Bevor jedoch irgendeine dieser komplizierten Koordinierungsmaßnahmen am Mars stattfinden kann, muss jede Komponente der Missionen auf der Erde getestet werden - immer und immer wieder.

Marsianische Analogien, hier auf der Erde

Gian 

Gabriele Ori, der Organisator der Marokko-Exkursion zum Testen der künftigen  

ExoMars-Ausrüstung.
Oben: Gian Gabriele Ori, der Organisator der Marokko-Exkursion zum Testen der künftigen ExoMars-Ausrüstung. (Foto: Leslie Mullen)
Die wüstenhafte und vielfältige Landschaft Marokkos bietet Wissenschaftlern eine Menge Möglichkeiten die Grenzen ihrer Instrumente auszutesten.

Das Ibn Battuta-Zentrum von IRSPS ist in Kooperation mit der Universität Cadi Ayyad von Marrakesch verantwortlich für die Testgelände. Einer der ersten Tests, der für dieses Jahr vorgesehen ist, soll der Test des Laserhöhenmessers des 2016-ExoMars-Eintritts-, Sinkflugstufen- und Lande-Vorführmoduls (EDM) sein.

"Das Experiment soll aus einer Plattform mit einer Art Radar bestehen, um den Reflexionsgrad der Oberfläche zu messen", erklärte Ori. "Das Instrument wird mit einigen Ballons auf einer ungefähren Höhe von 20 bis 30 Metern über dem Boden gehalten werden und gleichzeitig am Boden verankert sein.

Die Wissenschaftler planen diese Tests mit mehreren verschiedenartigen Oberflächen durchzuführen, die der Marslandschaft sehr ähnlich sind. Um diese Tests zu unterstützen, wollen die Wissenschaftler unter Zuhilfenahme von Stereoaufnahmen, die von einem unbemannten Helikopter aus gemacht werden sollen, von fünf oder sechs verschiedenen Umgebungen Digitale Höhenmodelle in hoher Auflösung erstellen.

Die Aufnahmen werden ziemlich genau sein und eine Auflösung von drei bis 30 Zentimetern pro Pixel haben - was etwas besser ist, als die 25 bis 50 Zentimeter pro Pixel Auflösung der HiRISE-Kamera an Bord des Mars Reconnaissance Orbiters (MRO).

Der unbemannte Helikopter wird auch dazu eingesetzt werden, ein landendes Raumfahrzeug auf der Oberfläche des Mars zu simulieren. Er soll in 3.000 Metern Höhe fliegen und dann mit mehreren 10 Metern pro Sekunde in den Sinkflug gehen.

Darüber hinaus soll auch der Bohrer des 2018-ExoMars-Rovers an die verschiedenen Stellen des Testgeländes gebracht werden.

"Wir werden in dem Gelände sowohl die Ausrüstung testen als auch die zu erforschende Wissenschaft", fügte Ori hinzu. "Der Bohrer soll [später auf dem Mars] Proben aus bis zu zwei Metern Tiefe entnehmen und diese werden die ersten Proben aus dem Untergrund auf dem Mars sein, die man jemals gewonnen hat."

Stromatholithfossilien
Oben: Die 600 Millionen Jahre alten Stromatolithfossilien sind bemerkenswert gut erhalten. Den ExoMars-Bohrer hier zu testen kann dabei helfen, auf dem Mars mögliche Anzeichen für Leben zu entdecken. (Photo: Leslie Mullen)
Eine der geplanten Bohrteststellen nahe der Provinzhauptstadt Ouarzazate im Süden des Landes war einmal eine ehemalige Lagune. Dass dies tatsächlich einmal eine Lagune war, beweisen 600 Millionen Jahre alte Stromatolith-Fossilien, freistehende Felssäulen, die von Mikroben in ihrer wasserhaltigen Umgebung gebaut wurden.

In Shark Bay, Westaustralien, und anderen Mündungen und Teichen auf der ganzen Welt kann man sich ansehen, wie ähnliche Stromatolithen heute noch entstehen. Von den Mikroben, die sie bilden, glaubt man, dass sie zu den ältesten Lebensformen auf der Erde zählen. Obwohl man auf dem Mars noch keine Stromatolithen gefunden hat, lassen Beweise darauf schließen, dass der uralte Mars seinerzeit von Ozeanen überdeckt war und über alle Bedingungen verfügte, von denen man ausgeht, dass sie für die Entwicklung solchen mikrobischen Lebens nötig sind.

Felsproben sollen aus einer Vielzahl anderer Regionen dieses Teils von Marokko gesammelt werden, damit der ExoMars-Bohrer unter kontrollierten Laborbedingungen getestet werden kann. Die Gesteinsproben dafür sollen sowohl vulkanischen, hydrothermalen, gebirgigen als auch wüstenmäßigen Ursprungs sein. Natürlich werden die Proben kein 100%-tiger Ersatz für die Felsen auf dem Mars darstellen, weil das Leben auf der Erde sogar in den kargsten Wüsten im Überfluss vorhanden ist.

Genauso wenig ist die Wüste Marokkos genau gleich wie Umgebung auf dem Mars - es gibt in den Beweisen von Mars-Rover-Fotos keine Mars-Version von nomadischen Zelten, Dromedaren, Schlangen oder Skorpionen. Die zwei Welten sind sich aber andererseits auch wieder gar nicht so fremd. So fuhren sich zum Beispiel eines Tages die vierradbetriebenen Fahrzeuge, die die Wissenschaftler an die unterschiedlichen Testgelände brachten, in feinem Wüstensand fest. Dieses Szenario ähnelt den Kämpfen des Rovers SPIRIT, der sich während seiner Reisen auf dem Mars immer wieder in Sandfallen festfuhr.

Genauso wie die NASA-Fachleute verschiedene Strategien versuchten, um SPIRIT wieder frei zu bekommen, dachten unsere Fahrer über die verschiedenen Methoden nach, dem Sand zu entkommen: das Fahrzeug durch kurzes Vor- und Zurückfahren aufzuschaukeln, es von hinten anzuschieben, es von vorne mit Abschleppseilen herauszuziehen, die an anderen Fahrzeugen befestigt sind, oder, Sandbleche aus Metall unter die Vorderräder zu legen.

Während die Wissenschaftler die ExoMars-Rover vorbereiten, müssen sich solche Erfahrungen tief in das Bewusstsein eingraben. Es ist schon pure Ironie, dass von all den fremden Gefahren und Herausforderungen, die der Mars für künftige Forscher birgt, es ausgerechnet etwas so Fundamentales wie Sand ist, das sogar die technisch am weitesten entwickelten Missionen zum Stillstand bringen kann.

Der Rover SPIRIT sitzt nun für immer fest und wird sich nie mehr aus seiner Sandfalle befreien können - damit ist er kein Rover mehr, sondern stattdessen eine "stationäre Wissenschaftsplattform".

Hoffentlich werden Testgelände wie jene in Marokko die Chancen erhöhen, dass diese Missionen in der gnadenlosesten Umgebung überhaupt - dem Mars selbst - erfolgreich verlaufen werden, indem sie für die künftigen ExoMars-Rover und andere Missionskomponenten realistische Herausforderungen darstellen.

Quelle: Space.com
Bearbeitet von: Joachim Dietlicher

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letzte Änderung am 28. März MMXI