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Artikel 14. September 2011
NASA stellt Konzept für neues Superraketensystem vor
Trägerrakete soll bis zu 130 Tonnen auf interplanetare Flugbahnen bringen - erste Testflüge für 2017 anvisiert

Start der SLS-Rakete
Oben: Künstlerische Darstellung des Starts der ersten Version der SLS-Trägerrakete. (Abbildung: NASA)
Die NASA hat am 14. September die lang erwartete Superrakete für die Ära nach der Außerdienststellung der Space Shuttles vorgestellt. Es handelt sich dabei um eine gigantische Trägerrakete, die vom Aussehen der altehrwürdigen Saturn 5 ähnelt, die damals Menschen zum Mond geschossen hat. Der Schwerlastträger soll die bemannte ORION-Raumkapsel auf die Reise zu Zielen jenseits der Erdumlauf bahn bringen, darunter erdahe Asteroiden und ultimativ der Mars.

Sollte sie voll finanziert und entwickelt werden, wird sie die stärkste Rakete sein, die jemals gebaut wurde, mit einem Mehrfachen an Nutzlastkapazität der amerikanischen Raumfähren und selbst stärker als die Saturn 5.

"Dieses Trägersystem wird gutbezahlte amerikanische Arbeitsplätze schaffen, die US-Führung im All sicherstellen und Millionen von Menschen auf der ganzen Welt inspirieren", erklärte NASA-Administrator Charles Bolden in einer Stellungnahme. "Präsident Obama hat uns aufgefordert, kühn zu sein und in großen Maßstäben zu denken, und das ist genau das, was wir bei der NASA tun. Während ich noch stolz war, das Space Shuttle fliegen zu dürfen, werden die Entdecker von morgen jetzt davon träumen, eines Tages auf dem Mars spazierenzugehen."

Der Erstversion der Schwerlastrakete wird zwei fünfsegmentige Feststoffstartraketen von Shuttle-Bauart einsetzen, die an einer 8,4 Meter durchmessenden ersten Stufe angeflanscht sind, die wiederum von drei RS-25D/E-Shuttle-Haupttriebwerken angetrieben wird. Die zweite Stufe besitzt ein J-2X-Triebwerk, eine verbesserte Version des J-2, das die APOLLO-Raumfahrzeuge in die Erdumlaufbahn gefeuert hatten. Dadurch erhält die Rakete des Weltraumträgersystem (SLS) eine Nutzlastkapazität von 70 Tonnen bei einem Schub der ersten Stufe von 36,7 Meganewton (MN).

Eine aufgewertete Version soll dann mit fünf Shuttle-Haupttriebwerken ausgerüstet werden und einen Startschub von insgesamt 41 MN entwickeln. Diese Version soll bis zu 130 Tonnen Nutzlast in die niedrige Erdumlaufbahn bringen können.

Zum Vergleich: Die Saturn 5, die die Trägerrakete des APOLLO-Mondprogramms war , war fast 111 Meter hoch, produzierte einen Startschub von 33,4 MN und konnte eine Nutzlast von knapp 120 Tonnen in die niedrige Erdumlaufbahn wuchten. Die amerikanischen Raumfähren wiederum konnten gerade mal eine Nutzlast von 22,7 Tonnen emportragen, ihr eigenes Gewicht nicht eingerechnet.

Bill Gerstenmaier, der Chef für Weltraumoperationen bei der NASA, erklärte, daß die Raumfahrtbehörde plane, ab 2017 zuerst ein oder zwei unbemannte Testflüge mit den fünfsegmentigen Startraketen von Alliant Techsystems Inc. (ATK), dem Hersteller der viersegmentigen Shuttle-Startraketen, durchzuführen. ATK sollte ursprünglich für das Constellation-Mondprogramm der NASA einen fünfsegmentigen Motor als erste Stufe der ARES-1 Trägerrakete bauen, bevor das Programm von US-Präsident Obama gestrichen wurde.

Vergleich der beiden SLS-Versionen
Oben: Ein Vergleich der anfänglichen SLS-Trägerraketenversion für das bemannte Raumfahrzeug und der späteren Superschwerlastversion. Erstere hat eine Nutzlastkapazität von 70 Tonnen in die niedrige Erdumlaufbahn, die andere von 130 Tonnen. (Abbildung: NASA, bearbeitet von Matthias Pätzold)
Sich stützend auf interne und externe Konzeptprüfungen geht die NASA nun davon aus, daß das Weltraumträgersystem, bestehend aus der neuen Schwerlastrakete, der bemannten Raumkapsel ORION und den Aufwertungen an den Startanlagen am Kennedy Raumfahrtzentrum der NASA in Florida, rund $3 Milliarden pro Jahr (ca. €2,1 Milliarden p.a.) an Kosten versursachen wird, oder insgesamt $18 Milliarden (€12,6 Millarden) bis zum ersten Testflug im Jahr 2017.

Die NASA hat bisher $2 - 3 Milliarden jährlich allein für den Betrieb der Raumfähren ausgegeben und Gerstenmaier erläuterte, das SLS-programm werde vom derzeitigen Haushaltsprofil der NASA gedeckt. Aber es sei noch nicht klar, ob Einschnitte in anderen Bereichen erforderlich sein werden.

Gerstenmaier wollte aber auch nicht darüber spekulieren, wie hoch die Betriebskosten auf lange Sicht werden könnten. Er meinte, die Behörde müsse erst definieren, welche Arten von Missionen geflogen und wann sie gestartet werden sollen.

Zu den angedachten Missionen zählen Flüge zu erdnahen Asteroiden in den 2020ern und möglicherweise Flüge in die Umlaufbahn des Mars und Landungen auf ihm in den 2030ern. Näher an der Erde, meinte Gerstenmaier, könnte die Rakete dafür eingesetzt werden, um Astronauten zur Satellitenwartung in die geostationäre Bahn in 36.000 km Höhe oder sogar zu den Lagrangepunkten zu schicken, wissenschaftlich interessante Punkte dynamischen Kräftegleichgewichts im Erde-Mond-System, die bis zu anderthalb Millionen Kilometer von der Erde entfernt sind.

"Wir brauchen noch ein paar genauere Angaben zur tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Raketen, diese mit den Konzepten vereinen und dann mit einigen Leuten über die Details sprechen", meinte er. "Aber womit wir beauftragt wurden, ist ein an der Leistungsfäfigkeit orientiertes Rahmenwerk zu entwickeln, und das ist das, was wir hier prinzipiell haben. Wir haben die ersten beiden Schlüsselelemente, die wichtig für die Durchführung unserer Aktivitäten sind und wir werden das nächste Jahr oder so weiter daran arbeiten, verschiedene Optionen zu definieren."

Im Nachklang des COLUMBIA-Unglücks von 2003 hatte der damalige US-Präsident Bush die NASA angewiesen, bis zum Ende des Haushaltsjahres 2010 die Internationale Raumstation fertigzustellen und die Raumfähren außer Dienst zu stellen. Die letzten drei Shuttle-Missionen STS-133, STS-134 und STS-135 wurden in der ersten Jahreshälfte abgewickelt und das Shuttle-Programm offiziell am 31. August beendet.

SLS auf der Startrampe
Oben: Künstlerische Darstellung der SLS-Trägerrakete auf der Startrampe. (Abbildung: NASA)
Der Plan der Regierung Bush war, das kostspielige Shuttle-Programm zu eliminieren (zusammen mit den tausenden Vertragsarbeitern, die es so teuer machten) und das so eingesparte Geld für ein neues Programm einzusetzen, bei dem ein sichereres, billigeres Startsystem entwickelt werden sollte, mit dem Astronauten ab 2020 zum Mond fliegen sollten, um dort an den Polen ständig bemannte Stationen zu errichten.

Aber die Regierung Bush hatte das Constellation-Mondprogramm nie richtig finanziert und US-Präsident Obama entschied im Jahr 2009, daß es zu teuer sei. Stattdessen setzte der Präsident auf einen kontroversen neuen Plan, der eine drastische Kursänderung für die NASA bedeutete.

Die als "flexible Weg" bezeichnete Architektur sah die Entwicklung von kommerziell betriebenen bemannten Raumfahrzeugen vor, mit denen Astronauten gewinnorientiert zur Internationalen Raumstation und wieder zurück zur Erde befördert werden sollen, während sich die NASA auf die Entwicklung und Konstruktion von neuen erschwinglichen Trägerraketen und Raumfahrzeugen für Expeditionen in den interplanetaren Raum konzentrieren solle.

Das Programm zur Entwicklung kommerzieller bemannter Raumfahrzeuge (CCDev) ist jetzt in der zweiten Förderrunde, in der vier Unternehmen mit ihren Konzepten und Konstruktionen miteinander konkurrieren. Erste Flüge werden um das Jahr 2015 herum erwartet. In der Zwischenzeit sind US-Astronauten auf Plätze in russischen SOJUS-Raumfahrzeugen angewiesen, um zur ISS zu kommen.

An der Explorationsfront hatten die Leiter der NASA zuvor bereits entschieden, an der ORION-Kapsel des Constellation-Programms festzuhalten und haben es in Bemanntes Mehrzweck-Raumfahrzeug (MPCV) umbenannt.

Obamas ursprünglicher Plan hatte keinen Zeitplan für die Entwicklung der Schwerlastrakete die für die interplanetare Exploration benötigt wird, angesetzt, aber er unterstützte schließlich eine von beiden US-Parteien getragene Gesetzesinitiative, die die NASA anweist, mit der Entwicklung sofort zu beginnen und die Rakete um 2015 herum startbereit zu haben. Abgeordnete haben seither lautstark Details eingefordert und einige blieben weiterhin skeptisch.

"Ich bin erfreut, daß die Regierung Obama schließlich mit dem Kongreß übereingekommen ist, daß das SLS die einzige machbare Option ist, um Amerikas Führungsrolle in der bemannten Raumfahrt zu erhalten", meinte US-Senator Richard Shelby von der republikanischen Partei im US-Bundesstaat Alabama, in dem das Marshall Raumflugzentrums der NASA liegt.

"Dennoch haben wir noch immer nicht die Details der Entscheidung gesehen", erklärte er in einer Stellungnahme. "Entsprechend werde ich weiter die Situation sehr genau beobachten, um zu sehen, ob die Regierung den 130-Tonnen-SLS-Plan wie vom Kongreß beschlossen umsetzt."

Pete Olson, Abgeordneter der Republikaner aus Texas, meinte: "Obwohl ich erfreut bin, daß das neue System nun vorgestellt wurde, war es längst überfällig und ich werde das Weiße Haus weiter drängen, sich an das Gesetz des Landes zu halten und Amerika zurück in's All zu bringen."

Aber US-Senator Bill Nelson, Demokrat aus Florida, der entscheidend dafür verantwortlich dafür war, das SLS-Gesetz verabschiedet zu bekommen, meinte: "Dies ist wahrscheinlich die größte Sache, was die Weltraumerkundung angeht, in den letzten Jahrzehnten. Das Ziel ist, Menschen sicher über die Erdumlaufbahn hinaus und in den tiefen Weltraum zu bringen, wo wir nicht nur überleben, sondern eines Tages sogar leben könnten."

Gerstenmaier meinte, die neue Rakete wurde dafür ausgelegt, die Kosten zu senken, indem man Nutzen aus bereits vorhandenen Shuttle-Triebwerken und den für das Constellation-Programm entwickelten J-2X-Triebwerken zieht. Auch wurde der Durchmesser der Hauptstufe genauso groß wie beim Shuttle-Außentank gewählt, um existierende Bodenanlagen weiter nutzen zu können und Komponenten sowohl in der ersten wie auch in der zweiten Stufe verwenden zu können.

"Die Haupteigenschaften des Weltraumstartsystems, das wir entwickeln wird die 8,4 Meter durchmessende Kernstufe sein, das ist derselbe Durchmesser, den auch schon der Shuttle-Tank hatte und das bringt uns einige Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Anlagen am Kap und senkt einige unserer Entwicklungskosten", erläuterte er.

"Es ermöglicht uns außerdem, einige der Gerätschaften der MLP (Mobile Startplattform), die für das ARES-Programm entwickelt wurden, weiter zu nutzen. Und das ist schon eine gute Sache für uns. Wir werden Shuttle-Haupttriebwerke unter dem Haupttank einsetzen. Wir werden zunächst drei Triebwerke darunterpacken und später dann die Anzahl auf fünf erhöhen. Und das gibt uns eine variable Schubbandbreite."

Bezüglich der an den Seiten angeflanschten Startraketen meinte er: "Es werden zunächst Feststoffraketenmotoren für den ersten oder zweiten Testflug sein und danach stellen wir diese Startraketen in den Wettbewerb [mit anderen Konzepten] stellen und dann könnten sie mit allen möglichen Treibstoffen betrieben werden", erklärte Gerstenmaier. "Wir definieren nur die Schnittstelle an der Kernstufe, wo die Feststoff- oder Flüssigtreibstoffmotoren angebracht werden", der Rest ergebe sich aus dem Wettbewerb um den Beschaffungsauftrag.

Er sagte, die Konstruktion der Rakete, die in großem Maße auf existierende Technologie, Werkzeuge und Shuttle-Fachwissen zurückgreift, werde der NASA dabei helfen, die Kosten auch auf längere Sicht im Griff zu halten und ein nachhaltiges Programm sicherzustellen, das weniger empfindlich auf Haushaltsnöte von der Art reagiert, die das Constellation-Programm hatten entgleisen lassen.

"Wir haben versucht, ein Konstrukt zusammenzusetzen, das uns während des Entwicklungsprozesses Flexibilität gibt", erläuterte er. "Wenn wir nicht genau das jährliche Budget bekommen, das wir erwarten, haben wir genügend Flexibilität im Programm, daß wir uns daranm anpassen können. Wir haben auch eine einige der Entwicklungsaktivitäten verteilt, ... so daß sie nicht alle voneinander abhängig sind und das mindert auch unser Risiko.

Damit, würde ich sagen, sind wir wendig genug, um die Kosten unter Kontrolle zu halten. Wir werden unseren Teil tun."

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Matthias Pätzold

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letzte Änderung am 15. September MMXI