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Artikel 15. Januar 2004
Aha, Herr Bush!
Ein Kommentar zu der neuen Raumfahrtinitiative des US-Präsidenten

Amerikas Aufbruch

zu Mond und Mars
Oben: Was ist von dem neuen, von Bush verkündeten Explorationsprogramm zu halten?
Was sagt uns das nun?

Da ist sie nun, die seit längerem erwartete Rede des US-Präsidenten George W. Bush über die Neuorientierung der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Die Frage ist, was er uns gesagt hat, was wir nicht schon längst wußten oder was er beschlossen hat, was nicht schon längst in der Planung ist. Im Grunde hat er nämlich das gesagt, was die Verantwortlichen der NASA ihm vorgebetet haben (man kann wohl kaum erwarten, daß dies auf seinem eigenen Mist gewachsen ist). Das Entscheidende dabei ist aber wohl, daß es aus dem Munde des Präsidenten kommend zu einer politischen Richtlinie geworden ist.

Interessant sind bei dem Programm in erster Linie die Zeitmarken, die gesetzt werden. Ab 2008 das neue bemannte Erkundungsraumfahrzeug (CEV), vormals als Orbitalraumflugzeug (OSP) bezeichnet. Dies soll zunächst als Mannschaftsrückkehrfahrzeug für die ISS eingesetzt werden; als Ersatz für die Sojus-Raumfahrzeuge der Russen. Die Entwicklung des ursprünglich für die ISS vorgesehenen CRVs wurde ja bekanntlich aus Budgetgründen gestrichen. Ab 2010 wird es dann in einer Variante auch als Shuttlenachfolger für die Versorgung der ISS eingesetzt. Diese Termine wurden aber bereits vor einem halben Jahr bekannt gegeben, sind also nichts wirklich neues. Auch die Spekulation über ein neuaufgelegtes Mondprogramm macht bereits seit geraumer Zeit die Runde, speziell genährt durch den jüngsten Erfolg der Chinesen und deren Ankündigung, ein eigenes Mondflugprogramm aufzuziehen. Neu dagegen ist die Ankündigung daß das CEV auch für den Flug zum Mond eingesetzt werden soll (eine weitere Variante?).

Prinzipiell ist die Absicht, eine Basis auf dem Mond zu errichten, keine schlechte Idee. Es scheint aber, daß der Zeitplan dafür weniger auf realistischen Möglichkeiten als auf historischen Erwägungen beruht. Die Einweihung der ersten Mondbasis genau 50 Jahre nach der ersten Mondlandung wäre ein wichtiges Zeichen für die Welt. Das wäre dann 2019 ... und noch vor 2020. Aber Kennedy hatte ja auch gesagt: "bis zum Ende des Jahrzehnts", und das war streng genommen am 31. 12. 1970. Aber da dies eine Sache ist, die von den meisten unterschiedlich betrachtet wird (man denke nur an die Milleniumfeier zum Jahr 2000, obwohl das neue Jahrtausend erst 2001 begann), hatte man bei der NASA entschieden, kein Risiko einzugehen und möglichst schon bis 1969 zu landen.

Das größte Problem dürfte für Bush sein, das Geld für die Initiative vom Kongress bewilligt zu bekommen. Afghanistan- und Irakkrieg und diverse andere Ausgaben haben den Haushalt mit 500 Milliarden Dollar Defizit belastet. Sein Vorgänger Clinton hatte ihm den Staat noch mit einem ausgeglichenen Budget übergeben. Stramme Leistung!

Die meisten Experten, die sich bislang zu der Rede von Bush geäußert haben, bemängeln eigentlich, daß bei dem veranschlagten Budget der Zeitplan so kaum zu halten sein wird. Aber mehr Geld wird Bush wohl kaum im Kongress bewilligt bekommen. Wenn man die Rede aufmerksam liest, wird man sehen, daß Bush jedem das sagt, was er gerne hören will. Der NASA gibt er eine neue Richtung und die Aussicht, mit offiziellem Segen zum Mond und zum Mars fliegen zu dürfen und den Kongreßabgeordneten, die er "besonders schätzt", verspricht er, dies mit nur geringfügig höheren Ausgaben zu bewerkstelligen.

Was aber nicht gesagt wurde

Wichtig sind wohl eher die Dinge, die nicht gesagt wurden oder nur in Nebensätzen Erwähnung fanden. So erklärte der Präsident, daß für die Erreichung der Ziele 12 Milliarden Dollar in den nächsten fünf Jahren aufgewendet werden sollen. Aber nur knapp eine Milliarde davon soll als zusätzliche Mittel vom Kongress angefordert werden. Die übrigen 11 Milliarden werden durch "Umschichtung" des NASA-Haushaltes aufgebracht. Im Klartext: Es werden Programme eingestellt werden, die nichts mit der neuen Initiative zu tun haben. Ich kann schon jetzt den Aufschrei der vielen Wissenschaftler und NASA-Mitarbeiter hören, die davon betroffen sind.

Weiter soll sich die Forschung an Bord der ISS auf die Erforschung der Langzeitauswirkungen von Aufenthalten von Menschen im All konzentrieren. Das heißt, all die Experimente, die einen wirklichen Nutzen für die irdische Industrie haben, wie das Zeolitkristallwachstumsexperiment, mit dem leistungsfähigere Katalysatoren für die chemische Industrie hergestellt werden sollen, oder die Experimente zur Bestimmung von Porenentstehung und -bewegung, und viele andere Werkstoffuntersuchungen und Biologieexperimente mit Mikroorganismen, die bereits auf der ISS erfolgreich durchgeführt wurden oder demnächst durchgeführt werden sollen, könnten entweder gestoppt oder gar nicht erst gestartet werden, es sei denn, daß sich die Russen, die Europäer oder die Japaner darüber hinwegsetzen und solche Experimente in ihren eigenen Modulen (die zum Teil erst noch angekoppelt werden müssen) durchführen. Bislang waren diese Experimente nämlich die einzige sinnhafte Begründung, warum die Menschheit Geld für eine Station in der Umlaufbahn ausgeben sollte. Das wird einige Leute nicht freuen.

Dann war da die Erwähnung der Entwicklung neuer Antriebe. Bush spielte dabei auf das Projekt PROMETHEUS an, mit dem ein nuklearelektrischer Antrieb für den Einsatz bei Missionen in das äußere Planetensystem entwickelt wird. Problematisch ist hierbei nur das Wort "nuklear". Im Augenblick scheint es noch kaum jemand bemerkt zu haben, aber das Projekt beinhaltet, daß Strom mit einem Kernspaltungsreaktor erzeugt wird, um damit ein Hochleistungs-Ionentriebwerk zu betreiben. Ein hervorragendes Konzept - wenn da, wie gesagt, nicht das Wort "nuklear" wäre. Ich erinnere mich noch gut an die Aufruhr, die der Start der Raumsonde CASSINI vor sieben Jahren und der zwei Jahre später erfolgte Vorbeiflug an der Erde ausgelöst hat. CASSINI hat, wie alle Missionen, die zum Jupiter und darüber hinaus führen, einen Radioisotopengenerator (RIG) zur Stromerzeugung an Bord, da aufgrund der riesigen Entfernung zur Sonne nicht mehr genügend Strom mittels Solarzellen produziert werden kann. Umweltschützer äußerten hysterisch die Befürchtung, daß CASSINI bei einem Fehlschlag seine radioaktive Fracht im RIG in der Erdatmosphäre verstreuen könnte, trotz aller Versicherung der NASA, daß der Generator selbst absolut sicher gebaut wurde und selbst den Absturz auf die Erde unbeschadet überstanden hätte. Das müßte eigentlich die NASA zur Vorsicht gemahnen. Atomprogramme machen sich heutzutage einfach nicht gut. Die einzige Ausnahme wäre, wenn der PROMETHEUS-Antrieb in der Tat, wie von Bush implizit angekündigt, auf dem Mond montiert und in das Raumfahrzeug eingebaut werden soll. Dummerweise soll aber der Jupiter-Eismond-Orbiter bereits im nächsten Jahrzehnt zum Jupiter gestartet werden, und da wird es diese Anlagen auf dem Mond noch lange nicht geben. Warten wir also mit Spannung auf den Aufschrei der Umweltschützer, wenn diese herausbekommen, was die NASA da plant.

Die Frage nach Partnern in diesem Programm ist interessant. Die Russen sind notorisch pleite. Sie mußten in den letzten Monaten sogar wieder Starts der dringend benötigten PROGRESS-Transporter zurückstellen, obwohl sie z. Z. die einzige Möglichkeit zur Versorgung der zwei Besatzungsmitglieder an Bord der ISS darstellen. Aber ein Kongreßbeschluß (übrigens angestoßen von Bush selbst) verhindert, daß die USA über die NASA den Start weiterer Transporter finanziert, da noch nicht sichergestellt ist, daß Rußland keine Nuklearwaffen an den Iran liefert.

Die Europäer haben auch nicht genug Geld, das sie in ein solches Programm stecken könnten, ohne andere wichtige Projekte dafür zu streichen oder bestenfalls zu vernachlässigen. Es würde in jedem Fall eines Motivationsschubs bei den Mitgliedsländern erfordern. Davon ist Deutschland bereits jetzt das mit dem größten Beitrag, und wie es mit unserem Staatshaushalt aussieht, bekommen wir tagtäglich vorgeführt. Bei den Japanern sieht es ähnlich aus. Und die Brasilianer haben erst kürzlich ihre Beteiligung an der ISS reduziert. Keine guten Aussichten ...

John F.

Kennedy
Oben: Der damalige US-Präsident John F. Kennedy bei seiner berühmten Rede vor dem Kongreß am 25. Mai 1961, in der er das Programm für einen bemannten Raumflug zum Mond ankündigt. (Photo: NASA)
Bush vs. Kennedy

Einige versuchen sicher, der Rede von Bush eine ähnliche Bedeutung beizumessen, wie der Rede von John F. Kennedy vom 25. Mai 1961. Wahrscheinlich glaubt vor allem Bush selbst, daß seine Rede eine solche Bedeutung hat. Aber vergleichen wir einmal:

Als Kennedy seine Rede hielt, in der er sagte:
"Ich glaube, daß diese Nation sich der Aufgabe verschreiben sollte, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond zu landen und sicher zur Erde zurückzubringen.",
da war am 12. April Jurij Gagarin als erster Mensch in's All geflogen und am 10. Mai, also nur zwei Wochen vorher, Alan Shepherd als erster Amerikaner diesem nachgefolgt. Zu diesem Zeitpunkt hatte das amerikanische Raumfahrtprogramm noch keine schwerwiegenden Rückschläge erlitten, die in den Medien durchgebügelt worden wären. Der einzige Makel war die Tatsache, daß man nur Zweiter hinter den Sowjets war. Aber das konnte Kennedy in einen Vorteil umwandeln, da er es als Herausforderung für die amerikanische Nation verkaufte.

Bush fehlt dieser Konkurrent. Die Sowjetunion gibt es nicht mehr und die Russen sind längst Partner am ISS-Projekt, bei dem sie ihre immense Erfahrung im Bau und Betrieb von Raumstationen einbrachten. Die Chinesen? Doch wohl eher nur eine Ausrede, da die Amerikaner raumfahrttechnologisch weit überlegen sind und eine Konkurrenz durch die aufstrebende Raumfahrtnation nicht zu fürchten bräuchten. Deshalb war die Aufforderung, sich an dem Programm zu beteiligen möglicherweise auch an China gerichtet. Gemeinsam ist halt besser als gegeneinander (zumindest würde ich das gerne so sehen). Dazu kommt, daß die NASA in den letzten Jahren einige Rückschläge zu erleiden hatte, die wohl unter anderem auf das klamme Budget der Behörde in den letzten Jahren zurückzuführen sind. Zumindest beim COLUMBIA-Unglück hatte der Untersuchungsausschuß klar Mängel in der Organisationsstruktur und in der Kultur der NASA aufgezeigt.

Kennedy hat sein Raumfahrtprogramm zu Beginn seiner Amtszeit vorgestellt. Er war erst seit Januar 1961Präsident, also rund vier Monate. Er hatte also viel Zeit um dieses Programm zu stützen und nach seinem Tod wurde es als sein Vermächtnis von Johnson weitergeführt. Kennedy hatte also durchaus ein besonderes Interesse am Raumfahrtprogramm.
Bush dagegen präsentiert sein neues Raumfahrtprogramm eher gegen Ende seiner Amtszeit (die Wahlen sind im November). Im bleibt gesichert noch ein Jahr, um die Nation und vor allem den Kongress auf die riesige Aufgabe einzuschwören. Deshalb ist es nicht weit hergeholt, anzunehmen, daß er die Rede schon in Hinblick auf den kommenden Wahlkampf gehalten hat. Ob es ihm aber etwas nützt, ist zweifelhaft. Angesichts der täglichen Rückführung von US-Soldaten in schwarzen Säcken aus dem Irak und des immensen Haushaltsdefizits von 500 Milliarden Dollar, sowie der Vorwürfe seines ehemaligen Finazministers, der Irakkrieg sei schon seit seinem Amtsantritt geplant gewesen (von dem durchschaubaren Kriegsvorwand, der Irak würde Massenvernichtungswaffen besitzen, der inzwischen nachweislich als Lüge entlarvt wurde, ganz abgesehen), muß Bush schon schwereres Geschütz auffahren (aber darin ist er ja gut), um noch eine Chance zu haben. Im Augenblick ist da eher die Frage interessant, für wen sich die Demokraten bei den Vorwahlen entscheiden werden: Dean oder Clark? Und wie wird der Kandidat, falls er tatsächlich in's Weiße Haus gewählt wird, dann zu dieser von Bush angestoßenen Initiative stehen?

Was heißt hier "zurück"?

Oh ja! Kaum daß irgendjemand von einer bemannten Mission zum Mond spricht, kommen sie wie Ratten aus ihren Löchern: Die Verfechter der Theorie, nach der die NASA niemals Menschen auf den Mond geschossen hat, sondern alles nur ein in Filmstudios inszenierter Schwindel war. Im Heise-Forum hat die Nachricht ganze sechs Seiten Threads in nur wenigen Stunden losgetreten. Dabei wurde unter anderem auf die Spiegel-TV-"Dokumentation" verwiesen, die jetzt angeblich auf XXP in mehreren Teilen gesendet werden soll. Ich habe diese Dokumentation vor nicht allzu langer Zeit (Anfang Januar) auf VOX gesehen. Selbst für mich als gelernten Raumfahrtingenieur waren diese Zweifel mit ihren vorgeblichen "Beweisen" so geschickt verpackt, daß ich mich selbst verunsichert fühlte. Wie gut, daß es Leute gibt, die sich die Mühe gemacht haben, diese Behauptungen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und sie mit wissenschaftlichen Tatsachen zu demontieren. Eine wunderschöne Seite dazu hat Uwe Rexin aus Greifswald zusammengestellt. Diese Gegenbeweise sind nach meinem Dafürhalten (beurteilt nach meinem eigenen Wissen und meiner Erfahrung mit diesen Themen) absolut stichhaltig.

Es wurde sogar als "Beweis" auf den Film "Unternehmen Capricorn" aus den 70ern verwiesen (mit James Brolin in einer Hauptrolle, wenn ich mich nicht irre; guter Film!). Also ich bitte Euch: Das war Science-Fiction!

Ja ja, ich weiß. Ich gehöre natürlich auch zu den Verschwörern und bin tief verwurzelt im Establishment und den NASA-Offiziellen voll hörig ...

Wie kommt es aber, daß die meisten Verfechter der Verschwörungstheorie zwar vieles besser wissen wollen, aber tatsächlich von Wissenschaft und Technik so gut wie keine Ahnung haben?

Zumindest eines ist klar: Mit der gleichen Berechtigung, mit der diese Leute fordern, daß man die Aussagen der NASA anzweifeln soll, kann man auch ihre Behauptungen anzweifeln. Schon ohne eine genaue Untersuchung der Argumente steht dann nämlich Aussage gegen Aussage. Aber das wollen sie nicht wahrhaben.

Das Letzte

Bei Heise las ich gerade, daß die Russen jetzt auch Missionen zum Mond und Mars planen. Nun, neu ist das nicht. Aber wenn schon die Finanzierungspläne für das amerikanische Programm bei Experten Zweifel aufkommen lassen, dann müssen die russischen Pläne eher als absurd angesehen werden.

Quelle: SSJ-Referenzartikel


letzte Änderung am 15. Januar MMIV