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Artikel 15. Januar 2012
PHOBOS-GRUNT auf die Erde zurückgestürzt
Havarierte russische Marssonde 1300 km vor der Küste Südamerikas in den Pazifik gefallen - Treibstoff in der Atmosphäre verbrannt

Wiedereintritt von PHOBOS-GRUNT
Oben: Eine künstlerische Darstellung des Wiedereintritts von PHOBOS-GRUNT. Die Sonde bricht dabei in der oberen Atmosphäre auseinander und der Hydrazin- und Stickstofftetroxidtreibstoff, der den größten Teil der 13 Tonnen Masse ausmacht verbrennt dabei. (Abbildung: Michael Carroll)
Eine in der Erdumlaufbahn gestrandete russische Marssonde ist am Sonntag, 15. Januar auf die Erde zurückgestürzt, wie russische Nachrichtendienste berichteten.

Nachdem sie zwei Monate lang steuerungslos in der Erdumlaufbahn getrieben war, trat die 13 Tonnen schwere PHOBOS-GRUNT am Sonntag um 18:45 Uhr MEZ in die Erdatmosphäre ein und fiel nach einem feurigen Flug in einen leeren Teil des Pazifik, wie die Nachrichtenagentur Ria Nowosti berichtete.

"Teile von PHOBOS-GRUNT sind in den Pazifik gestürzt", hatte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Alexei Solotuchin, gegenüber Ria Nowosti verlauten lassen und hinzugefügt, daß die Stelle, an der die Bruchstücke in's Meer gefallen sind, rund 1250 km westlich der chilenischen Insel Wellington liegt.

Die große Sonde war beim Wiedereintritt außereinandergebrochen und der größte Teil der Bruchstücke sind höchstwahrscheinlich in der Atmosphäre verglüht. Zuvor hatte die russische Raumfahrtagentur Roskosmos abgeschätzt, daß etwa 20 - 30 Bruchstücke von PHOBOS-GRUNT mit einem Gesamtgewicht von etwa 200 kg, die Wasseroberfläche erreichen könnten. Die Verantwortlichen hoben auch hervor, daß das große Reservoir an giftigem Treibstoff wohl bereits schon hoch oben in der Erdatmosphäre verbrannt ist.

Obwohl es für Beobachter im Westen meist schwierig ist, solche Angaben von den Russen zu überprüfen, meinen Experten, daß Befürchtungen, daß PHOBOS-GRUNT giftige Chemikalien vom Himmel regnen lassen könnte, unbegründet seien.

"Sie haben schon früh bestätigt, daß die [Treibstoff-]Tanks aus Aluminium gefertigt wurden", erklärte Nick Johnson, Chefwissenschaftler des Weltraumschrottprogramms der NASA am Johnson Raumfahrtzentrum der NASA in Houston. "Aluminium übersteht nur sehr selten einen Wiedereintritt, daher gibt es keinen Grund, an den Aussagen zu zweifeln."

Russische Verantwortliche hatten auch wiederholt erklärt, daß die Gefahr einer Kontamination durch die winzige Menge an radioaktivem Material an Bord nur sehr gering ist. Es handelt sich dabei um rund 10 Mikrogramm Kobalt-57, die Teil eines wissenschaftlichen Instrumentes der Sonde sind.

Fehlgeschlagene Marsmission

PHOBOS-GRUNT am Mars
Oben: Künstlerische Darstellung von Phobos-Grunt am Mars. (Abbildung: Roskosmos)
Der Absturz markiert das dramatische Ende von PHOBOS-GRUNTs kurzem Leben. Die umgerechnet rund €130 Millionen teure Sonde war am 8. November zu einer Mission gestartet, bei der sie Bodenproben vom Marsmond Phobos sammeln und in einer Rückkehrkapsel zur Erde zurückschicken sollte. ("Grunt" bedeutet "Boden" auf russisch.)

Die Haupttriebwerke von PHOBOS-GRUNT hätten eigentlich kurz nach dem Start feuern sollen, um die Sonde auf ihren Weg zum Roten Planeten zu bringen. Allerdings geschah das nicht und die Sonde strandete in der Erdumlaufbahn.

Die russischen Verantwortlichen sind immer noch nicht ganz sicher was die Ursache für das Versagen war. Anhand von Telemetriedaten, die bei kurzen Funkkontakten mit der Sonde empfangen wurden, wurde vermutet, daß einer der für die Navigation eingesetzten Sternsensoren nicht richtig funktioniert habe und die Sonde sich nicht für das Einschußmanöver in die Mars-Übergangsbahn richtig ausrichten konnte. Es gab aber auch Andeutungen, daß eine Form der Sabotage möglicherweise für die Probleme PHOBOS-GRUNTs verantwortlich sein könnte, und vielleicht auch für einige andere peinliche Fehlschläge, die Rußland in 2011 erlitten hatte.

PHOBOS-GRUNT trug auch Chinas ersten Versuch eines Marsorbiters mit sich, zusammen mit einem Experiment der amerikanischen Planetaren Gesellschaft, das untersuchen soll, welchen Einfluß eine lange Reise durch den freien Weltraum auf Mikroorganismen hat.

China hat seinen Orbiter namens Yinghuo-1 schon Mitte November als Totalverlust abgeschrieben. Aber die Planetare Gesellschaft erklärte, daß ihr Projekt, das Lebende Interplanetare Flugexperiment (LIFE), den Wiedereintritt überlebt haben könnte, da es innerhalb der Rückkehrkapsel PHOBOS-GRUNTs untergebracht war.

Es könnte sogar sein, daß noch etwas aus diesem Experiment herauszuholen ist, wie die Forscher meinten, aber nur, wenn die Rückkehrkapsel den Absturz unbeschadet überstanden hat und geborgen werden kann.

Der Himmel fällt herab

Der Absturz von PHOBOS-GRUNT könnte zu der Auffassung verleiten, daß uns der Himmel auf den Kopf falle, denn es war bereits der dritte unkontrollierte Wiedereintritt eines größeren Raumfahrzeugs in den letzten vier Monaten.

Der 5,9 Tonnen schwere NASA-Satellit UARS kam im September herunter und der 2,6 Tonnen schwere deutsche ROSAT folgte einen Monat später. Beide stürzten über dem freien Ozean herab und verursachten weder Personen- noch Sachschäden. (Tatsächlich wurde bisher noch niemand von einem Stück eines herabfallenden künstlichen Erdtrabanten verletzt.)

Obwohl sie alle ungefähr im selben Zeitraum abgestürzt sind, unterscheiden sich die drei Abstürze signifikant voneinander. UARS und ROSAT z. B. waren außer Dienst gestellte Satelliten, die ihre wissenschaftliche Arbeit schon vor Jahren beendet hatten und dann langsam in einer immer enger werdenen Umlaufbahn bis zum Wiedereintrittspunkt herabspiraliert waren. Im Gegensatz dazu hatte PHOBOS-GRUNT ein sehr kurzes Leben, das ihm nicht einmal die Möglichkeit gab, seine wissenschaftliche Aufgabe zu beginnen.

Außerdem war PHOBOS-GRUNT wesentlich größer sowohl als UARS als auch als ROSAT. Mit rund 13 Tonnen Masse war es seit der im Jahr 1979 abgestürzten 77 Tonnen schweren NASA-Raumstation SKYLAB der bislang größte Satellit, der unkontrolliert auf die Erde zurückgefallen ist.

Die 122 Tonnen schwere russische Raumstation MIR indes bleibt weiter das größte künstliche Objekt, daß in die Erdatmosphäre wiedereingetreten ist. Die MIR wurde im Jahr 2001 von den Ingenieuren kontrolliert über dem Pazifik zum Absturz gebracht.

Quelle: Space.com
Bearbeitet von: Matthias Pätzold

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letzte Änderung am 15. Januar MMXII