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Bericht 9. November 2011
Russische Mars-Mission in Erdumlaufbahn gestrandet
Triebwerk zündete offenbar nicht, um Phobos-Grunt zum Mars zu schicken - Softwarefehler vermutet

Start von

Phobos-Grunt
Oben: Der Start von Phobos-Grunt erfolgte auf der Spitze einer ZENIT 2FG um 21:16 Uhr MEZ vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan. (Photo: TsENKI TV/Spaceflight Now)
Die russische Mission zum Marsmond Phobos, Phobos-Grunt, ist offenbar kurz nach dem Start in der Erdumlaufbahn gestrandet, nachdem das Triebwerk der Transferstufe, das die Raumsonde auf Kurs zum Mars bringen sollte, nicht gezündet hat. Die Sonde bewegt sich nun in einer niedrigen Erdumlaufbahn und die russischen Ingenieure und Techniker haben nach Angaben der russischen Raumfahrtbehörde rund zwei Wochen Zeit den Fehler zu beheben, bevor sie durch den Luftwiderstand soweit abgebremst wird, daß sie auf die Erde zurückfällt.

Der Start war am Dienstag (8. Nov.) Abend zunächst noch erfolgreich verlaufen. Die Sonde hatte auf der Spitze einer ZENIT 2FG Trägerrakete um 21:16 Uhr MEZ vom Kosmodrom Baikonur abgehoben, und rund elf Minuten später wurden die Sonde mit ihrem angeflanschten Triebwerkssatz in der Erdumlaufbahn abgetrennt. Hier sollte drei Stunden später die Transferstufe zweimal feuern, um Phobos-Grunt die notwendige Geschwindigkeit zu geben, das Schwerefeld der Erde zu verlassen und zum Mars zu fliegen.

Die Zündung sollte auf der Rußland abgewandten Seite der Erde über Südamerika erfolgen und konnte von den russischen Flugleittechnikern nicht live verfolgt werden. Als kurze Zeit später die russischen Radaranlagen die Sonde nicht auf der erwarteten Bahn entdeckten, begann eine hektische Aktivität, um Phobos-Grunt wiederzufinden. Sie wurde schließlich auf der ursprünglichen niedrigen Umlaufbahn entdeckt und es war klar, daß die Triebwerkszündung nicht erfolgt war.

"Wir hatten eine schwierige Nacht und konnten das Raumfahrzeug für eine lange Zeit nicht lokalisieren", erklärte der Chef der russische Raumfahrtbehörde Wladimir Popowkin gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Nowosti. "Wir haben jetzt ihre Position. Es hat sich herausgestellt, daß das Antriebssystem versagt hat. Weder der erste, noch der zweite Brennvorgang sind erfolgt."

Popowkin erklärte weiter, das die Raumsonde das Zündkommando an das speziell konstruierte Raketensystem nicht erteilt haben könnte, und fügte hinzu, daß ein solches Problem während der Entwicklungsphase der Mission berücksichtigt worden sei. Er meinte auch, daß es ein Problem mit der Orientierung ders Raumfahrzeugs gegeben haben könnte, z. B. als sie vom Sonnenverfolgungsmodus in den Sternverfolgungsmodus übergewechselt sei, wie der Bericht von Nowosti zitiert.

Phobos-Grunt

am Mars
Oben: Eine künstlerische Darstellung von Phobos-Grunt am Marsmond Phobos über dem Mars. (Abbildung: Roskosmos)
Wie ein weiterer Bericht von Nowosti ausführt, könne so ein Problem sowohl durch einen Programm-, wie auch durch einen Gerätefehler auftreten. Wenn der Fehler im Steuerprogramm liegt, sind die Chancen, die Mission zu retten recht gut, indem man eine korrigierte Version des Programms auf die Sonde hochlädt. Dagegen hätte ein Gerätefehler schlimmere Konsequenzen.

Die russische Raumfahrtagentur hat am Mittwoch (9. Nov.) erklärt, daß ihnen rund zwei Wochen blieben, das Problem zu beheben und Phobos-Grunt die Kommandos für das Zünden seines Raketenpacks zu senden. Diese Zeit sei abhängig vom Stromvorrat in den Batterien der Sonde, aber auch von der Bahnhöhe der Sonde. Wenn Rußland nicht in der Lage ist, die Mission zu retten, wird der Luftwiderstand in der niedrigen Erdumlaufbahn die Raumsonde allmählich abbremsen und seine Bahnhöhe verringern, bis sie schließlich auf die Erde zurückfällt.

Phobos-Grunt ist mit rund 13 Tonnen wesentlich massereicher als der Forschungssatellit der NASA, der im September auf die Erde zurückgefallen war, oder wie der deutsche ROSAT, der im Oktober unkontrolliert wiedereingetreten war. In beiden Fällen gab es keine Berichte über Trümmerstücke, die den Erdboden erreicht oder gar Schäden verursacht hätten.

Bei Phobos-Grunt ist die Gefährdungslage dagegen etwas höher. Während der Treibstoffvorrat der beiden ausgedienten Satelliten aufgebraucht war, trägt Phobos-Grunt noch eine volle Ladung des hochgiftigen Hydrazin-Treibstoffes an Bord. Dadurch ist die Sonde sogar eine größere Gefahr als der amerikanische Spionagesatellit USA-193, der im Jahr 2008 vorsorglich vom US-Militär abgeschossen wurde, um zu vermeiden, daß nach einem unkontrollierten Absturz ein geborstener Hydrazintank in bewohntem Gebiet herunterkommt.

Russische Verantwortliche wurden aber von Nowosti dahingehend zitiert, daß Phobos-Grunt noch rund einen Monat in der Umlaufbahn bleiben könnte, bevor die Gefahr des Absturzes imminent wird. Phobos-Grunt bewegt sich derzeit auf einer Umlaufbahn mit einem Perigäum (erdnächster Bahnpunkt) in 193 km und einem Apogäum (erdfernster Bahnpunkt) in 346 km Höhe über der Erde, bei einer Bahnneigung von 51,4 Grad zum Äquator.

Die erste Zündung des Triebwerkssatzes hätte die Bahn auf 4000 km Höhe anheben sollen, die zweite die Sonde dann auf über Fluchtgeschwindigkeit und auf den Weg zum Mars bringen sollen.

Phobos-Grunt

bei Tests
Oben: Phobos-Grunt bei Tests am Boden. (Photo: NPO Lavotschkin)
Die $163 Millionen teure Transferstufe ist eine Variante der FREGAT-Oberstufe, einem Hydrazin-Stickstofftetroxid-betriebenen Raumschlepper, mit dem sehr häufig Satelliten auf hochliegenden Erdumlaufbahnen plaziert werden. Die FREGAT wurde bereits beim Start der europäischen MARS- EXPRESS-Mission für eine interplanetare Mission erfolgreich eingesetzt. Das Raketenpack sollte an Phobos-Grunt angekoppelt bleiben, um kritische Kurskorrekturmanöver und im Oktober 2012 das Bremsmanöver in die Marsumlaufbahn auszuführen.

Nach der Ankunft am Mars sollte die Sonde die Antriebseinheit abstoßen und den chinesischen Minisatelliten Yinghuo 1 aussetzen, der huckepack bei Phobos-Grunt mitfliegt. Anfang 2013 sollte Phobos-Grunt sich dann dem Marsmond Phobos annähern und den Mond zunächst mit Ferninstrumenten studieren, um eine günstige Landestelle auszumachen.

Mithilfe eines Laserhöhenmessers und eines Radarnavigationssystems sollte Phobos-Grunt dann im Februar 2013 auf die Oberfläche des Mondes hinabsteigen. Wegen des schwachen Schwerefeldes des Mondes muß die Sonde eine sehr sanfte Landung absolvieren, mit nur wenig Spielraum für Fehler.

Nachdem mit einem Robotarm Gestein aufgenommen und in einen Behälter plaziert würde, sollte eine Rückkehrkapsel mit den rund 200 Gramm an Proben den Mond verlassen und im August 2014 auf der Erde landen.

Nach dem Absenden der Proben hätte Phobos-Grunt noch rund ein Jahr auf dem Phobos verbleiben sollen, um seine wissenschaftliche Mission fortzuführen.

Sollte die Mission nicht gerettet werden können, ist sie ein weiterer Fehlschlag in einer Liste von fehlgeschlagenen russischen Marsmissionen.

Die Missionen Phobos 1 und 2, die im Juli 1988 bereits zum Marsmond geschickt worden waren, fielen aus noch bevor sie ihr Ziel erreicht hatten. Und die Mars-96- Raumsonde schaffte es im November 1996 nicht einmal bis in die Erdumlaufbahn und fiel kurz nach dem Start in den Pazifik.

Rußland steht aber nicht allein da. Rund die Hälfte aller Mssionen, die zum roten Planeten geschickt wurden, sind fehlgeschlagen. Besonders peinlich war dabei der Verlust des amerikanischen MARS CLIMATE ORBITERS, der im Jahr 1999 wegen eines Einheitenumrechnungsfehlers auf dem Mars zerschellte.

Die NASA plant derzeit das rund $2,5 Milliarden teuer Mars-Wissenschaftslabor mit dem Robotfahrzeug CURIOSITY zum Krater Gale auf dem Mars zu schicken. Der Start ist für den 25. November geplant.

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Matthias Pätzold

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letzte Änderung am 10. November MMXI