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Artikel 5. März 2010
Neuer Raketenantrieb könnte den Mars in 40 Tagen erreichen
Flugtaugliche Version wird möglicherweise auf der ISS getestet werden - Reisen zum Mars benötigten jedoch noch deutlich effizientere Technik

Mit den derzeit im Wandel befindlichen Explorationsplänen der NASA sieht es so aus, als ob künftige Außenposten oder Kolonien auf dem Mars weiter in den Hintergrund rücken könnten als jemals zuvor. Eine Raketentechnologie, die eines Tages eine bemannte Mission in nur 40 Tagen zum Mars bringen könnte, scheint jedoch bereits zu existieren.

Wissenschaftler arbeiten an dem Prototyp VX-200
Oben: Wissenschaftler der Firma Ad Astra arbeiten an dem Prototyp VX-200 des neuen Raketenantriebs VASIMR. (Photo: Ad Astra)
Denn eine Firma, die von dem ehemaligen NASA-Astronauten Franklin Chang-Diaz gegründet wurde, hat einen neuen Raketenantrieb entwickelt, der sich auf elektrischen Strom und Magnetfelder stützt, um überhitztes Plasma aus dem Heck heraus zu leiten. Dieser Plasmastrom erzeugt einen konstanten, effizienten Vortrieb, der wenig Treibladung verbraucht und mit der Zeit immer mehr an Geschwindigkeit aufbaut.

"Man weiß schon seit sehr langer Zeit, schon seit den 1950-er Jahren, dass man für eine ernst gemeinte Exploration des Mars elektrische Antriebe benötigen würde", sagt Tim Glover, Entwicklungsleiter der Raketenfirma Ad Astra (Ad Astra Rocket Company).

Diese Raketentechnologie könnte die Zeit, die ein Raumfahrzeug braucht, um Astronauten auf Missionen zum Mars zu schicken, drastisch verkürzen. Einer Ad-Astra-Missionsstudie zufolge, könnte ein Raumfahrzeug mit diesem Antrieb und einer genügend großen Energiequelle die Reise statt in einem halben Jahr in etwas mehr als einem Monat schaffen.

Der neuerliche Kurswechsel der NASA hat einige Gelder für neue Antriebstechnologien freigemacht. Und die amerikanische Weltraumbehörde hat den Roten Planeten nicht aus den Augen verloren, wie der oberste Verwaltungsbeamte der NASA, Charles Bolden, dem Kongress mitteilte, als er letzten Monat einen neuen Haushalt vorstellte.

"Obwohl wir noch kein genaues Datum für den ersten bemannten Besuch nennen können, können wir mit dem Mars als Langzeitziel die fehlenden Fähigkeiten ermitteln, die für eine solche Missionen benötigt werden und diese benutzen, um viele der Ziele für unsere aufkommende Techonolgieentwicklung zu definieren", erklärte Bolden.

Übliche chemische Raketenantriebe, die feste oder flüssige chemische Treibstoffe verbrennen, werden die Menschen nicht schnell zum Mars bringen, weil sie zu viel Treibstoff brauchen würden. Sie können für mehrere Minuten mit dem Nachteil sehr großer Ineffizienz einen enormen Schub erzeugen - nicht anders als bei einem Raserfahrzeug mit schlechtem Kraftstoffverbrauch.

Langsamer, aber stetiger Schub

Einige Satelliten und Raumfahrzeuge werden bereits mit elektrischen Triebwerken angetrieben. Ihre Ionentriebwerke erzeugen den Schub auf der Basis von unter Spannung gesetztem ionisiertem Gas. Ganz ähnlich funktioniert eine Art des magnetoplasmadynamischen Antriebes des Unternehmens Ad Astra - die "Magnetoplasmarakete mit Variablem Spezifischem Impuls" (VASIMR) genannt wird. Sie ionisiert Gase wie z. B. Xenon oder Wasserstoff, um für den Schub einen überhitzten Plasmastrom zu erzeugen.

VASIMR hat aber auch noch den Vorteil, dass es sich auf elektromagnetische Wellen stützen kann, um das Plasma zu erzeugen und es unter Strom zu setzen, anstatt auf physische Elektroden zu bauen, die aufgrund des Kontakts mit dem erhitzten Plasma verschleißen. Dies führt über längeren Zeitraum zu einer höheren Verlässlichkeit und ermöglicht auch einen sehr dichten Plasmastrom, der mehr Schub erzeugt.

Ebenso kann VASIMR seinen Schub anpassen, um zu beschleunigen oder abzubremsen. Es verfügt sogar über einen "Nachbrenner"-Betriebsmodus, der vorübergehend Beschleunigung auf Höchstgeschwindigkeit bereitstellen kann - jedoch auf Kosten der Effizienz.

"Unsere Technologie ist anders", äußerte Glover gegenüber SPACE.com. "Es ist eine Möglichkeit. Wir denken, dass diese Technik im Hochleistungsbetrieb das größte Potential hat."

Aber sogar das effizienteste Raketentriebwerk benötigt eine Energiequelle. VASIMR könnte als Treibstoff Gas verwenden. Aber es braucht auch eine elektrische Stromquelle, die das Gas ionisieren kann, um sein Plasma zu erzeugen.

Mehr Energie benötigt

Eine Flugbahnmissionsstudie schätzte, dass ein mit der VASMIR-Technik angetriebenes Raumfahrzeug den Roten Planeten innerhalb von 40 Tagen erreichen könnte - vorausgesetzt, es hätte eine 200-Megawatt-Stromquelle. Das ist 1000 Mal mehr an Leistung, als der derzeitige VASIMR-Prototyp verbraucht. Aussagen von Ad Astra nach kann VASIMR aber auch für größere Stromquellen ausgelegt werden.

Das tatsächliche Problem ist die derzeitige Begrenztheit von Stromquellen im Weltraum. Glover geht davon aus, dass das Mars-Missionsszenario eine Stromquelle benötigen würde, die ein Kilowatt (kW) Strom pro Kilogramm (kg) [Raumfahrzeug-]Masse produzieren kann. Andernfalls könnte das Raumfahrzeug nie die Geschwindigkeiten erreichen, die für eine schnelle Reise gebraucht werden.

Existierende Stromquellen unterschreiten dieses Ideal kläglich. Solarzellen haben ein Masse-Strom-Verhältnis von 20 kg/kW. Das "DARPA"-Wissenschaftslabor (Defense Advanced Research Projects Agency Science Lab) des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten (Pentagon) hofft, Solarzellen zu entwickeln, die sieben kg/kW erreichen können und ausgedehntere Linsenreihen könnten drei kg/kW schaffen, meinte Glover. Das reiche aus, um mit VASIMR Frachten in der niedrigen Erdumlaufbahn zu bewegen und zum Mond zu transportieren, aber nicht, um Menschen zum Mars zu bringen.

Ad Astra hält Kernkraft als die wahrscheinlichste Stromquelle für eine mit der VASIMR-Technik angetriebene Mars-Mission. Der Kernreaktor, der diese Arbeit übernehmen könnte, ist derzeit allerdings nur ein Konzept auf dem Papier. Die USA haben nur ein einziges Mal einen Kernreaktor in den Weltraum gebracht. Das war 1965 und dieser erreichte gerade einmal 50 kg/kW.

Blick nach vorne

Entwurfszeichnung von VASIMR an der ISS
Oben: Eine der ersten Entwurfszeichnungen der VASIMR-ISS-Nutzlast, installiert an der Internationalen Raumstation. (Photo: NASA)
VASIMR und benötigte Stromquellen könnten in den kommenden Jahren einen Schub bekommen. Der Fünfjahres-Haushaltsplan der NASA beinhaltet mehr als $3 Milliarden (umgerechnet ca. €2,25 Milliarden) für die Entwicklung von Schwerlast- und Antriebstechnologien. Ebenso umfasst er ein Programm für grundlegende Innovationen, das in ähnlicher Weise auch Antriebs- und Stromquellen der nächsten Generation im Blickfeld hat.

Der neue Technologie-Guru der amerikanischen Weltraumbehörde hat in Bezug auf das neue Weltraum-Technologieprogramm der NASA auch hervorgehoben, dass Antriebe ein entscheidender Bereich seien.

"Daß der Schwerpunkt des Haushalts auf der Entwicklung fortgeschrittener Technologien zur leichteren und billigeren Exploration des Weltraums liegt, ist für uns sehr vielversprechend", merkte Glover an.

VASIMR schaffte letztes Jahr mit dem Prototyp VX-200 und dem Erreichen von 200 Kilowatt Leistung einen Meilenstein. Seitdem arbeitet Ad Astra an der flugtauglichen Version VF-200, die innerhalb der nächsten paar Jahre auf der Internationalen Raumstation (ISS) in den Testbetrieb gehen könnte.

In Bezug darauf, VASIMR in den Weltraum zu bringen, hat Ad Astra bereits mögliche Startoptionen mit kommerziellen Raumfluganbietern erörtert.

"Jeder, der nach der Außerdienststellung der Raumfähren irgendetwas zur ISS bringen will, spricht mit SpaceX und Orbital Sciences", schloss Glover.

Quelle: Space.com
Bearbeitet von: Joachim Dietlicher


letzte Änderung am 30. März MMX