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Artikel 4. Juli 2006
DISCOVERY erfolgreich gestartet
Bilderbuchstart von Kap Canaveral - ESA-Astronaut Thomas Reiter unterwegs zu seiner neuen Wohn- und Arbeitsstätte im All

Start von STS-121
Oben: Nach einem ereignislosen Countdown hebt die Raumfähre DISCOVERY in den strahlend blauen Himmel über Florida ab. Mit an Bord der deutsche ESA-Astronaut Thomas Reiter. (Photo:NASA/KSC)
Mit der Wiederaufnahme der Raumtransporterflüge ist heute zum ersten Mal ein europäischer Astronaut als Mitglied der ständigen Bordmannschaft der Internationalen Raumstation (ISS), deren Zusammenbau nun fortgesetzt werden kann, zu diesem orbitalen Außenposten gestartet. Die ASTROLAB getaufte Mission soll bis Ende des Jahres dauern.

Der Raumtransporter DISCOVERY hob um 20:38 Uhr MESZ (18:38 Uhr UTC) in einem Bilderbuchstart vom Kennedy Raumfahrtzentrum der NASA in Kap Canaveral, Florida, ab und trat nach einer 8-minütigen Antriebsphase in die niedrige Erdumlaufbahn ein. Als Teil der Mission STS-121, des ersten Flugs des Raumtransporters nach nahezu einem Jahr, befindet sich eine siebenköpfige Mannschaft, darunter der deutsche ESA-Astronaut Thomas Reiter, an Bord.

Der erste Tag im Weltall wird einer Reihe von Überprüfungen im Flug gewidmet sein, um sicherzustellen, dass die DISCOVERY beim Start nicht beschädigt wurde. Dann wird der Orbiter auf das Andocken an die ISS vorbereitet, das für Donnerstag, den 6. Juli, 17.00 Uhr MESZ (15.00 Uhr UTC). vorgesehen ist. Kurz darauf wird Thomas Reiter bereits seine maßgeschneiderte Sitzschale in die russische Sojus-Raumkapsel einbauen, die gegenwärtig an der ISS angedockt ist. Damit wechselt auch sein Status als Bordastronaut des Raumtransporters zu einem Besatzungsmitglied der Raumstation.

Thomas reiter vor dem Start
Oben: Der deutsche ESA-Astronaut Thomas Reiter auf dem Weg zum Astrovan, der die Besatzung zur Startrampe brachte. Links neben ihm seine Besatzungskollegin Stephanie Wilson. (Photo:ESA/Sander Koenen)
Während seine Kollegen vom Space Shuttle am 16. Juli um 14.52 Uhr MESZ (12:52 Uhr UTC) oder, sollte die Mission verlängert werden, einen Tag später zur Erde zurückkehren, wird Thomas Reiter sechs bis sieben Monate auf der ISS verbringen. Der Flug erfolgt im Rahmen einer Vereinbarung zwischen der ESA und Roskosmos, Russlands föderalen Raumfahrtagentur, da der ESA-Astronaut an Stelle eines ursprünglich vorgesehenen russischen Astronauten die Mission antritt.

Reiter, seit 1992 ESA-Astronaut, startet zum zweiten Mal in den Weltraum. Bei seinem ersten Einsatz vor zehn Jahren, ebenfalls einem Langzeitraumflug, hat er im Rahmen der ESA-Mission EuroMir 95 bereits 179 Tage an Bord der russischen Raumstation Mir verbracht.

Europäische Verstärkung für die ständige ISS-Bordbesatzung

An Bord der ISS wird Reiter als Flugingenieur in die Expedition 13 Besatzung eingegliedert und dem russischen Kommandanten Pawel Winogradow unterstehen, der im März gemeinsam mit dem NASA-Flugingenieur Jeffrey Williams an Bord der Sojus TMA-8 die ISS erreichte. Zum ersten Mal seit Mai 2003 wird damit ein dreiköpfiges Team auf der ISS leben und arbeiten. Solange der Raumtransporter nicht für Logistik- und Versorgungsflüge zur Verfügung stand, musste die Besatzung der ISS verringert werden. Dank der zahlenmäßigen Verstärkung wird den Astronauten neben den Wartungsarbeiten nun wieder mehr Zeit für wissenschaftliche Experimente zur Verfügung stehen.

Expedition 13 Besatzung
Oben: Die Expedition 13 Besatzung (links Kommandant Pawel Winogradow, rechts NASA-Wissenschaftsoffizier Jeff Williams), die zur Zeit auf der Internationalen Raumstation lebt und arbeitet, wird am Donnerstag Verstärkung durch Thomas Reiter erhalten. (Photo: NASA/JSC)
Thomas Reiter wird der erste nichtamerikanische und nichtrussische Astronaut sein, der einer ständigen Bordmannschaft angehört. Künftig sollen jedoch mehr ESA-, japanische oder kanadische Astronauten eingesetzt werden. Als Flugingenieur wird er sich wichtigen Aufgaben in Verbindung mit dem Betrieb der ISS, den Umweltüberwachungs- und Lebenserhaltungssystemen, der Stromversorgung und Kommunikation, der Gesundheit und Sicherheit der Besatzung sowie der Außenbordeinsätze annehmen. Er wird der erste ESA-Astronaut sein, der von der ISS aus einen Außeneinsatz durchführt. Auch da hat Reiter bereits Übung; während seines Aufenthalts auf der MIR war er an zwei Außenbordeinsätzen beteiligt.

Im September treten Winogradow und Williams ihren Rückflug zur Erde an. Sie werden von der Expedition 14 Besatzung aus NASA-Kommandant Michael Lopez-Alegria und dem russischen Flugingenieur Mikhail Turin abgelöst, an deren Seite Thomas Reiter seine Mission fortsetzen wird.

Im Rahmen der Mission ASTROLAB wird der ESA-Astronaut eine Reihe wissenschaftlicher und technologischer Versuche an Bord der Raumstation durchführen. Das Programm hierfür wurde von wissenschaftlichen Einrichtungen aus ganz Europa zusammengestellt und deckt eine Vielzahl von Forschungsgebieten wie die Humanphysiologie (Herzkreislaufsystem, Knochenmasse, Augenbewegungen, Immunsystem, Atmung), die Astronautenpsychologie, die Mikrobiologie, die komplexe Plasmaphysik und die Strahlungsdosimetrie ab. Ferner wird er Technologiedemonstrationen (3D-Kamera) sowie Experimente im Bereich Industrie und Bildung für Universitäten und Schulen durchführen. Nicht zuletzt werden Thomas Reiter und seine Besatzungskollegen auch qualitativ hochwertige Astronautennahrung kosten, um das Leben ihresgleichen fern von der Erde etwas angenehmer zu gestalten.

Die Internationale Raumstation
Oben: Die Internationale Raumstation (Photo: NASA/JSC)
Neuer Wachstumsschub für die ISS

Der Start der DISCOVERY markiert die Wiederaufnahme der Raumtransporterflüge nach mehr als drei Jahren Unsicherheit aufgrund des tragischen Verlusts der COLUMBIA am 1. Februar 2003. Jetzt erhofft man sich grünes Licht für die nächsten Starts und den weiteren Zusammenbau der Station.

Wie die NASA auf der Pressekonferenz nach dem geglückten Start mitteilte, waren zwar erneut abfallende Teile der Außentankisolierung beobachtet worden. Diese seien aber zum einen zu klein gewesen, und zum anderen zu spät abgeplatzt, als daß sie eine Gefahr für den Raumtransporter hätten darstellen können. Die NASA meint, daß abplatzende Schaumstoffstücke nur in den ersten 2 Minuten und 15 Sekunden, also vor dem Abtrennen der Feststoffstartraketen, aufgrund der aerodynamischen Strömungsverhältnisse um das Raumfahrzeug den Orbiter an einem neuralgischen Punkt, wie z.B. den Flügelvorderkanten, treffen können. Daher sei man sehr zufrieden mit dem Verhalten des Tanks während des Aufstiegs. Er habe alle Erwartungen erfüllt und auch die im letzten Jahr erfolgten Änderungen hätten die erwarteten Ergebnisse gebracht. Jetzt werde man die Unmenge an Bildern und Filmen auswerten, die während des Aufstiegs und nach dem Abtrennen des Außentanks angefertigt wurden. Sie stellen einen wichtigen Datenfundus dar, mit dem man die Simulationsmodelle verifizieren und verfeinern kann.

LEONARDO
Oben: Das Mehrzweck-Logistikmodul LEONARDO in der Ladebucht der Raumfähre vor dem Start. Es trägt mehrere Tonnen an Versorgungsgütern und wichtiger Experimentiereinrichtugen in seinem Inneren. Nach der Ankunft an der ISS wird der Frachtcontainer an der Raumstation angekoppelt und kann dann von innen betreten werden. (Photo: NASA/KSC)
Rund 17 Raumtransporterflüge stehen noch bis zum Jahr 2010 aus, um zusätzliche Bauteile des Weltraumkomplexes einschließlich neuer Module, Gerüstsegmente und Sonnensegel, die derzeit noch im Kennedy Space Center zwischengelagert werden, in die Umlaufbahn zu befördern. Einige von ihnen, wie die Verbindungsknoten 2 und 3, die Schlüsselelemente für den weiteren Ausbau der Raumstation sind, da sie die Anzahl der Andockstellen erhöhen, und die Beobachtungskuppel, das erste Panoramafenster in den Weltraum, wurden in Europa hergestellt. Einer der Hauptbeiträge Europas zur ISS ist erst vor kurzem in Florida angekommen: Columbus, ein einzigartiges Forschungslabor, das für die Aufnahme fortschrittlichster wissenschaftlicher Ausrüstung für über zehn Jahre Forschung eingerichtet ist. Das Wachstum der Raumstation werden in Zukunft auch die Versorgungsflüge des Automatischen Transferfahrzeugs (ATV) der ESA, ein mit der Ariane-5 gestarteten unbemannter Raumfrachter, unterstützen.

Einige der ESA-Gerätschaften, die die Kapazität der ISS erweitern sollen, fliegen bereits in dem in Italien hergestellten Mehrzweck-Logistikmodul (MPLM) LEONARDO in der Ladebucht der DISCOVERY mit und werden von Thomas Reiter und seinen Kollegen in die Raumstation eingebaut. Dazu gehört die erste der drei von der ESA entwickelten ISS-Gefriereinrichtungen (MELFI), deren fortschrittliche Technologie für die Langzeitlagerung von biologischen Proben und Forschungsergebnissen bei –80 °C und ihren Rücktransport zur Erde konzipiert wurde. Ebenfalls zu den von der ESA bereitgestellten und mit dem STS-121 gelieferten Geräten zählt die Europäische modulare Pflanzenzuchtvorrichtung (EMCS), die der Aufzucht von Pflanzen im Weltraum dient, und der Perkutane elektrische Muskelstimulator (PEMS) für humanphysiologische Experimente. Mit neuer Hardware werden außerdem bereits auf der ISS eingesetzte ESA-Vorrichtungen wie der Handschuhkasten für Schwerelosigkeitsforschung aufgerüstet.

Premiere für Kontrollzentren

ASTROLAB ist die erste bemannte ISS-Langzeitmission, die von einem europäischen Kontrollzentrum aus unterstützt wird – eine Art Generalprobe also für eine künftige stärkere Präsenz der ESA auf der ISS, sobald das COLUMBUS-Labor integriert ist.

Das COLUMBUS-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen bei München beherbergt das europäische Nutzlastbetriebszentrum, das mit der Koordinierung der europäischen Experimente und Nutzlasten auf der ISS und der Überwachung der Tätigkeiten von Thomas Reiter beauftragt ist. Es ist die Haupteinrichtung für die europäischen Aktivitäten. Ihm zur Seite steht ein Netz von Nutzerunterstützungs- und Betriebszentren in ganz Europa. Das Europäische Astronautenzentrum in Köln ist für die medizinische Unterstützung zuständig.

COLUMBUS Kontrollzentrum
Oben: Das COLUMBUS-Kontrollzentrum auf dem Gelände der DLR in Oberpfaffenhofen. Von hier wird die ASTROLAB-Mission, und damit Thomas Reiter's Forschungsaktivitäten an Bord der ISS, geleitet. (Photo: DLR)
"ASTROLAB ist eine Meilensteinmission für die bemannte Raumfahrt in Europa", erklärte Daniel Sacotte, ESA-Direktor für Bemannte Raumfahrt. "Thomas ist nur der erste; ihm werden bald andere europäische Astronauten folgen. Selbst wenn sie in den nächsten Jahren nicht ständig auf der Raumstation arbeiten werden, müssen wir unseren Astronauten häufige und lange Aufenthalte auf der ISS ermöglichen. Diese Mission läutet die Ära der langfristigen Präsenz der Europäer im Weltraum ein."

"Europa ist ein sichtbarer und zuverlässiger Partner in einem der komplexesten Projekte, die je im Weltraum verwirklicht wurden“, betonte Jean-Jacques Dordain, Generaldirektor der ESA. "Dies bestätigen Thomas’ Mission in diesem und der Start von COLUMBUS sowie der erste ATV-Versorgungsflug im nächsten Jahr. Dank des Engagements ihrer Partner, insbesondere der NASA und der russischen Raumfahrtagentur, und ihrer Mitgliedstaaten, kann die ESA aktiv die Nutzung der Raumstation und im Weiteren ihren Beitrag zur Exploration des Sonnensystems vorbereiten.“

Nach dem derzeitigen Startplan der NASA dürfte Thomas Reiter mit einem weiteren Raumtransporterflug, der STS-116, in Begleitung eines ESA-Kollegen, dem Schweden Christer Fuglesang, wieder zur Erde zurückkehren.

Quelle: Original ESA-Pressemitteilung 23-2006
Bearbeitet von: Matthias Pätzold


letzte Änderung am 5. Juli MMVI