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Artikel 24. Mai 2010
Einblicke in die Diskussion über mögliche Ziele des künftigen Mars-Rovers
Zwei neue Landestellen erst in der Überlegung gewesen, dann jedoch wieder verworfen - Spannung bleibt bis zur endgültigen Entscheidung erhalten

Künstlerische Darstellung des Mars-Wissenschaftslabors
Oben: Künstlerische Darstellung des Mars-Wissenschaftslabors, oder auch CURIOSITY, das mit seiner ChemCam-Kamera Felsgestein erforschen soll. (Abbildung: NASA/JPL-Caltech)
Die NASA hat zwar für den nächsten Herbst ein Startdatum für das Mars-Wissenschaftslabor festgesetzt, die Landestelle des Rovers CURIOSITY wird aber immer noch von einer Wissenschaftlergruppe diskutiert, die dabei einen Drahtseilakt zwischen Wissenschaft und Sicherheit vollführt.

Wie die NASA letzte Woche bekannt gab, wird der nuklear betriebene Rover von der ungefähren Größe eines Mini Coopers zwischen dem 25. November und dem 18. Dezember 2011 auf der Spitze einer ATLAS 5-Rakete von Cape Canaveral aus starten. Die Erde und der Mars werden in dieser Zeit genau richtig zueinander stehen, damit das Raumfahrzeug den Mars erreichen kann.

Die Landung soll zwischen dem 6. und dem 20. August 2012 erfolgen.

Verantwortliche bei der NASA haben die endgültigen Start- und Landezeiträume aufgrund der optimalen Positionen von zwei Raumsonden ausgewählt, die den Mars umkreisen. Während der gefährlichen Eintritts- und Landephase der Mission wird der Rover Daten mit Hilfe der Raumsonde ODYSSEY zur Erde senden, die zu diesem Zeitpunkt über CURIOSITY hinweg fliegen wird. ODYSSEY wird die Informationen unverzüglich an das Kontrollleitzentrum auf der Erde übermitteln, indem er eine Transponder-Relaistechnik einsetzt.

Indem die Daten durch eine Raumsonde weitergegeben werden, wird es den Wissenschaftlern möglich sein, Zugriff auf viel mehr Echtzeitinformationen zu haben, als dies möglich wäre, wenn der Rover die Daten direkt nach Hause übertragen würde.

"Es ist wichtig, qualitativ hochwertige Telemetriedaten zu erfassen, um in Erfahrung bringen zu können, was während des Eintritts, des Sinkflugs und der Landung passiert - was wohl der schwierigste Teil der Mission ist", äußerte Fuk Li, Leiter des Mars-Explorationsprogramms der NASA am Laboratorium für Strahlantriebe (JPL). "Die Flugbahn, die wir ausgewählt haben, liefert uns die größtmögliche Menge an Informationen, um jegliches Problem zu entschärfen."

Wissenschaftler sind jedoch immer noch dabei zu entscheiden, was das endgültige Ziel für den Rover CURIOSITY sein wird.

Matt Golombek, Ko-Vorsitzender des Lenkungsausschusses "Marslandestelle" des Rovers, sagte, die Gruppe plane während des nächsten Jahres eine Serie offener Arbeitskreise und geschlossener Sitzungen, um die Meinung der wissenschaftlichen Gemeinde zu erörtern.

"Es wird immer eine Risiko-Nutzen-Abwägung zwischen Wissenschaft und Sicherheit bei der Landung sein", äußerte Golombek gegenüber Spaceflight Now. "Sie haben alle ihre Vor- und Nachteile und die NASA wird entscheiden, was die beste Landestelle ist."

Das Mars-Wissenschaftslabor wird einen neuen komplexen Landemechanismus austesten, der "Himmelskran" heißt und den Rover von einer raketenbetriebenen Sinkflugstufe aus an einem Haltestrick auf die Marsoberfläche hinunter lassen wird.

Die Rover PATHFINDER, SPIRIT und OPPORTUNITY setzten mit Fallschirmen und riesigen Airbags auf, die bis zum Stillstand auf dem Mars sprangen.

"Airbags sind allen möglichen Gegenständen gegenüber ungemein nachgiebig", führte Golombek weiter aus. "Bei Abhängen gibt es Bedenken, aber Airbags erreichen sowieso den niedrigsten Punkt ringsherum. Wir denken, dass der Himmelskran dem in Nichts nachsteht. Obwohl sie ganz offensichtlich dramatisch andere Bauweisen haben, gibt es keine riesigen Unterschiede."

Das Himmelskran-Landesystem
Oben: Animation des Himmelskran-Landesystems, bei der die Sinkflugstufe den Rover auf die Marsoberfläche herablässt. (Abbildung: NASA/JPL-Caltech)
Der Himmelskran-Lander ist präziser als das Airbag-System, was es dem Rover erlaubt, eine kleinere Zielellipse von ungefähr 20 Kilometern Durchmesser anzupeilen. In Verbindung mit dem Bildgebungskönnen von MRO's HiRISE-Kamera bedeutet die bessere Landegenauigkeit, dass Wissenschaftler besondere Felsformationen und besonderes Gelände in Bezug auf wissenschaftliche Bedeutung und Sicherheit auskundschaften können.

Zum ersten Mal analysieren Wissenschaftler bei der Entscheidung über eine Landestelle für eine Mars-Mission Stereobilder und mineralogische Karten mit hoher Wiedergabetreue, die einzelne Geröllblöcke, uralte Flussbetten und chemische Konzentrationen zeigen.

Nachdem der Start CURIOSITYs aufgrund technischer Probleme um zwei Jahre verschoben wurde, läutete der Lenkungsausschuss "Marslandestelle" eine neue Runde der Debatte darüber ein, zu der Liste der vier endgültigen Landestellen nun doch noch mehrere Orte hinzuzufügen.

Die Arbeitsgruppe näherte sich zwei neuen Stellen an, der nordöstlichen Syrte und Ost-Margaritifer - und wies die Raumfahrzeuge ODYSSEY und Mars Reconnaissance Orbiter an, genaue, hochauflösende Stereobilder von den Regionen aufzunehmen und mineralogische Karten über die Regionen anzufertigen.

"Seit dem Zeitpunkt, an denen sie in die Erwägungen einbezogen wurden, hat sich unser Wissen über diese Stellen dramatisch verbessert", erklärte Golombek.

Etwas früher diesen Monats beschloss die Arbeitsgruppe in einer Telefonkonferenz keine der beiden Stellen zu der Liste der vier Finalisten hinzuzufügen. Die Stelle Ost-Margaritifer wurde als wissenschaftlich nicht so verlockend angesehen als die anderen Kandidaten. Die nordöstliche Syrte ist faszinierend aufgrund vulkanischer Ströme und einer Auswahl an mineralischen Indikatoren, die darauf schließen lassen, dass die Felsen dort in der frühen Geschichte des Mars durch Wasser verändert wurden.

Hochauflösende Schnappschüsse von MRO zeigten jedoch steile Abhänge, riffelige Bereiche und große Felsen, die einem landenden Raumfahrzeug zur Gefahr werden könnten. Golombek sagte, der Lenkungsausschuss habe einstimmig beschlossen, dass die nordöstliche Syrte nicht als Landestellen-Kandidat für den Rover CURIOSITY hinzugefügt werden solle.

Die Wissenschaftler sind mit den vier finalen Stellen zufrieden, die nun zur endgültigen Auswahl stehen, meinte Golombek, und die Planungsverantwortlichen hätten nicht vor, weitere Stellen auszukundschaften.

"Dies sind alles außerordentlich interessante Orte", äußerte Golombek weiter. "Dies sind keine Orte, über die man entscheiden muss, um darauf zu landen. Dies sind Orte, an denen wir einigen der wichtigsten wissenschaftlichen Fragen über den Mars wirklich nachgehen können."

Die Aufgabe des Rovers ist es, die mögliche Bewohnbarkeit von uralten wasserreichen Umgebungen auf dem Mars zu erforschen.

Der "Holden-Krater", einer der vier Kandidaten für die Landestelle, liegt in der südlichen Hemisphäre des Mars und besitzt einen Haufen lehmhaltiger Mineralien, die durch einen sanft fließenden Wasserlauf oder einen See abgelagert wurden.

"Lehmhaltige Mineralien sind hier auf der Erde oft sehr gute Bewahrer organischen Materials", erklärte Golombek. "Sie werden oft in ruhigen oder sehr langsam fließenden Gewässern abgelagert. Das sind die feinsten Partikel, die dort aus der Wassersäule ausfallen."

Das Landezielgebiet in dem ca. 160 km breiten Holden-Krater ist eines der sichersten auf dem Mars. Stereokartierung und topografische Daten zeigen keine großen Felsen und nur sehr niedrige Abhänge.

Die erwartete Reichweite von mehr als umgerechnet rund 16 km des Rovers CURIOSITY würde aber gleich zu Beginn einer Mission zum Holden-Krater auf die Probe gestellt werden. Der Grund dafür ist, dass der Robotrover aus der Zielellipse herausfahren müsste, um die vermuteten Lehmmineralien zu erreichen.

Höhenkarten der vier möglichen Landestellen CURIOSITYs
Oben: Höhenkarten der vier finalen Mars-Wissenschaftslabor-Landestellen. Im Uhrzeigersinn von oben links: der Eberswalde-Krater, der Gale-Krater, das Tal Mawrth Vallis und der Holden-Krater. (Photo: NASA/JPL-Caltech)
Der Eberswalde-Krater, der sich in der südlichen Hemisphäre nahe Holden befindet, ist ein weiterer Finalist, der unter das wissenschaftliche Mikroskop gelegt wurde, weil es dort starke Hinweise auf ein uraltes Flussdelta gibt.

"Indem es sich innerhalb des Kraterrandes befindet, verfügt es über glaubhafte Beweise über ein Delta, in dem ein Wasserlauf oder Fluss den Rand des Kraters durchbrach und eine Reihe von Flussbetten in diesen See ablagerte", erläuterte Golombek. "Über diese Auslegung gibt es innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde absolut keine Uneinigkeit."

Eberswalde, der sich über fast 65 km erstreckt, beinhaltet mehr an Lehmmineralien, die sich wahrscheinlich in einer Umgebung aus stehendem Wasser gebildet haben - einer potentiellen Brutstätte für alte Mikroorganismen oder organisches Material.

Wissenschaftlern zufolge zeigen Karten von Eberswalde, die aus der Umlaufbahn gemacht wurden, dass der Lander mit steileren Abhängen, Hügeln und mehr Felsgebieten als bei irgend einem anderen der Finalisten konfrontiert wäre.

Mawrth Vallis, eines der ältesten Täler in der nördlichen Hemisphäre des Mars, hat gegenüber den anderen Stellen einen Vorteil. Der Rover würde direkt auf geschichtetem Felsgestein landen, das Lehmmineralien enthält, die sich in wasserreicher Umgebung gebildet haben könnten.

Wissenschaftler sagen aber, dass der wissenschaftliche Standpunkt bedeutsamer Mengen an ehemaligem flüssigem Wasser dort und das ungewisse Potential, in der Vergangenheit eine bewohnbare Stelle gewesen zu sein, Mawrth Vallis für die einmalige Landung nicht so verlockend macht, wie andere Regionen, die derzeit in Betracht gezogen werden.

Der letzte Finalist, der Gale-Krater, zeichnet sich durch eine beinahe 5 km hohe Zentralbergspitze unbekannten Urspungs aus.

"Es ist ein großer Krater in dem sich ein Hügel mit Material befindet, der sich sogar über den Rand des Kraters hinaus erhebt", sagte Golombek. "Es kann nicht durch einen See dort abgelagert worden sein, weil sich der Erdwall höher erstreckt, als das Material, das ihn umgibt."

Gale befindet sich in Bezug auf die anderen drei Kandidatenstellen auf der gegenüberliegenden Seite des Mars - nahe des Äquators.

In der Umlaufbahn befindliche Instrumente haben bei Gale Sulfatschichten entdeckt, die Materialien ähneln, auf die der Rover OPPORTUNITY bei seiner sechsjährigen Fahrt über den Roten Planeten gestoßen ist. Man vermutet, daß die Sulfate zurück geblieben sind, als das flüssige Wasser von der Marsoberfläche verdampfte.

Der Rover CURIOSITY müsste jedoch im Krater neben den Sulfatablagerungen aufsetzen. Diese liegen auf dem tieferen Teil des Zentralbergs. Das ist der Nachteil der Gale-Krater-Stelle.

"Man landet neben der Erhebung und muss dann sogar auf diese hinauf klettern", sagte Golombek.

Der beigeordnete Verwaltungsbeamte der NASA für Wissenschaft wird im Mai oder Juni 2011, also ein halbes Jahr vor dem Start, ein letztes Gespräch über die Landestelle führen.

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Joachim Dietlicher


letzte Änderung am 31. Mai MMX