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Artikel 24. August 2011
Russischer Frachttransporter bei Fehlstart verloren
PROGRESS M-12M stürzt nach Versagen von Oberstufentriebwerk im russischen Altai-Gebirge ab - Auswirkungen auf Startsequenz weiterer bemannter SOJUS-Raumfahrzeuge erwartet

Start von PROGRESS M-12M
Oben: Die SOJUS-U Trägerrakete mit dem Transporter PROGRESS M-12M kurz nach dem Abheben vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan. (Photo: Tsenki TV)
Ein unbemannter russischer Frachttransporter, der Versorgungsgüter zu den Astronauten der Internationalen Raumstation bringen sollte, ist am Nachmittag des 24. August auf die Erde zurückgestürzt, als der Trägerrakete eine größere Fehlfunktion wiederfuhr, wie NASA-Sprecher erklärten.

Der robotisch gesteuerte Transporter PROGRESS M-12M hob um 15 Uhr MESZ auf der Spitze seine SOJUS-U Trägerrakete vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan ab und sollte am Freitag am Orbitalkomplex anlegen.

"Unglücklicherweise wies das Raumfahrzeug rund 325 Sekunden nach dem Start, kurz nach dem Zünden der dritten Stufe, das Triebwerk aufgrund einer Anomalie an abzuschalten", erklärte NASA-Stationsleiter Mike Suffredini während einer Pressekonferenz am Johnson Raumfahrtzentrum. "Das Raumfahrzeug ist schließlich in der Region Altai in der russischen Föderation aufgeschlagen."

Rußland's verlorener Frachter

Ein Video vom Start des PROGRESS zeigt, wie die Rakete in einen klaren baluen Himmel emporsteigt. Es ist der zweite Fehlstart innerhalb einer Woche für das russische Raumfahrtprogramm, das die SOJUS-Trägerraketen üblicherweise erfolgreich startet.

Suffredini sagte, daß dies der erste Fehlstart einer SOJUS-Trägerrakete und eines PROGRESS-Transporters sei, seit Rußland vor 10 Jahren das erste Modul der Internationalen Raumstation in die Erdumlaufbahn gestartet habe.

PROGRESS M-12M war mit 2,66 Tonnen an Nahrung, Luft, Treibstoff, Ersatzteilen und Experimentalausrüstung für die Raumstation beladen, die derzeit das Heim von sechs Raumfahreren aus Rußland, den USA und Japan ist. Keine der Frachtgüter, die verloren gingen sind unersetzbar und die Besatzung an Bord ist in keiner Gefahr knapp an Versorgungsgütern zu werden, berichtete Suffredini.

"Wir können mehrere Monate ohne den Besuch eines Versorgungsraumfahrzeugs ausharren, sollte dies erforderlich sein", erläuterte Suffredini und fügte hinzu, daß das Orbitallabor noch bis mindestens März 2012 Vorräte an Bord habe; dann soll ein europäisches Frachtraumfahrzeug, das Automatische Transferfahrzeug 3 EDOARDO AMALDI zur ISS fliegen.

Die Raumstation wird derzeit von russischen PROGRESS-Transportern und Robot-Frachtern der europäischen und japanischen Raumfahrtagenturen versorgt.

Untersuchung im Gange

Inwieweit der Fehlstart der SOJUS-Trägerrakete die Pläne für vier weitere Starts noch in diesem Jahr beeinflußt, bei denen Fracht und Astronauten zur Station gebracht werden sollen, muß noch geklärt werden. Zwei bemannte SOJUS-Starts und zwei PROGRESS-Transporte standen vor dem Fehlstart noch auf der Startliste.

Eine für bemannte Flüge verwendete Version der SOJUS-Trägerrakete, SOJUS-FG genannt, wurde bereits für den Start von drei neuen Raumfahrern, dem NASA-Astronauten Dan Burbank und den russischen Kosmonauten Anton Schkaplerow und Anatolij Iwanischin, am 22. September vorbereitet. Aber diese SOJUS-FG ist in vielen Dingen der Version SOJUS-U, die die PROGRESS-Transporter in's All trägt, gleich, daher müssen die russischen Verantwortlichen jetzt die Ursache für das Fehlversagen finden, bevor weitere SOJUS-Kapseln oder PROGRESS-Transporter starten können.

"Ganz offensichtlich hat dies Auswirkungen auf die Raumfahrzeuge im All und die Besatzung auch", meinte Suffredini und fügte hinzu, daß er zuversichtlich sei, daß die russischen Verantwortlichen die Ursache herausfinden würden.

Die NASA hatte im Juli ihre Raumfährenflotte außer Dienst gestellt und ist derzeit vollständig auf die Russen angewisen, um ihre Astronauten und ihre Fracht zum Außenposten in der Erdumlaufbahn zu bringen. Die US-Raumfahrtbehörde plant aber auch, in den USA hergestellte Raumfahrzeuge für Fracht und Besatzungen einzusetzen, sobald sie in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen.

Die sechsköpfige Besatzung, die derzeit an Bord der Station ist, ist in Gruppen à drei auf dem Außenposten angekommen. Eine dieser beiden Gruppen sollte eigentlich am 7. September zur Erde zurückkehren, wird aber wegen der laufenden Untersuchung zum Unglück voraussichtlich noch bis Oktober an Bord der ISS verbleiben, da nicht klar ist, wann die Nachfolgebesatzung mit der nächsten SOJUS starten kann. Die NASA und ihre Partnerorganisationen an der Raumstation würden also bald entscheiden müssen, ob sie das Orbitallabor teilweise evakuieren und es nur mit einer dreiköpfigen Besatzung bemannt ließen, bis die SOJUS-Flüge wieder aufgenommen werden können, wie Suffredini erläuterte.

PROGRESS M-12M und Nutzlastkappe
Oben: Der Transporter PROGRESS M-12M bevor er unter seine Nutzlastkappe (rechts) gepackt wurde. (Photo: S.P. Koroljow, RSK Energija)
Die russischen Raumfahrzeuge vom Typ SOJUS TMA, die derzeit für den Personentransport zur ISS genutzt werden, sind für eine Aufenthaltsdauer im All von bis zu 210 Tagen zertifiziert. Derzeit dauert der Aufenthalt einer Besatzung auf der Raumstation etwa 156 Tage, so daß hier noch rund acht Wochen Marge bleiben, bis die Besatzung zur Erde zurückkehren muß. Diese Zeit wollen die russischen Ingenieure und Untersuchungskommissare nutzen, um die Ursache für den Fehlstart herauszufinden.

Derweil hat der Chef des russischen Missionsleitzentrums Maxim Matutschen die Raumstation angefunkt, um der Besatzung die Neuigkeiten von dem PROGRESS-Fehlstart mitzuteilen.

"Dies ist der Moment, an dem wir herauszufinden versuchen, was passiert ist und was der Grund dafür war. Ich wollte euch nur darüber informieren", sagte Matutschen der NASA-Übersetzung zufolge.

"Danke, daß sie uns das so schnell mitgeteilt haben", antwortete ihm der russische Kommandant der Station Andreij Borisenko. "Danke von der ganzen Besatzung."

Ein verläßliches Raumfahrzeug

Die russischen PROGRESS-Transporter und die SOJUS-Trägerraketen sehen auf eine lange Liste erfolgreicher Flüge zurück, was ssie zu einer sehr verläßlichen Kombination macht. Sie haben Fracht zur Internationalen Raumstation gebracht, seit im Jahr 2001 die erste Besatzung auf ihr eingetroffen war.

Der letzte Transporter, der die Station verlassen hat, PROGRESS M-11M, hatte erst am Dienstag vom Servicemodul SWESDA abgelegt, um Platz für den PROGRESS M-12M zu machen. Er befindet sich derzeit in einer Parkumlaufbahn, wo nach Angaben der russischen Raumfahrtbehörde noch technische Tests ausführt werden, bevor er am 1. September abgebremst wird und beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zusammen mit Müll von der Station verglüht.

Die PROGRESS-Transporter ähneln in mancher Hinsicht den SOJUS-Kapseln, die Astronauten und Kosmonauten in's All bringen. Allerdings haben die PROGRESS an der Stelle der Rückkehrkapsel in der Mitte ein Tankmodul mit Treibstoff für die Station.

Aber es sind die Ähnlichkeiten die Suffredini, wie er sagte, als erstes in den Sinn kamen, als er zuerst von dem Startunfall hörte.

"Ich weiß, daß die PROGRESS und die SOJUS beide die selben Trägerraketen verwenden, weshalb ich mir sofort Sorgen darüber gemacht habe, wie schnell wir dieses Problem gelöst bekommen", meinte er.

Dies war das zweite russische Raumfahrzeug, das innerhalb einer Woche verloren ging.

Bereits am 18. August ging der rund €210 Millionen teuer Kommunikationssatellit EXPRESS AM4 verloren, als er nach dem Start auf der Spitze einer PROTON-Trägerrakete nicht die richtige Bahnhöhe erreichte. Die PROTON ist ein anderer Trägerraketentyp als der, der für den Verlust von PROGRESS M-12M verantwortlich war. Insbesondere sind die beiden für die Fehlschläge verantwortlichen Oberstufen (Breeze-M bei der PROTON) einander überhaupt nicht ähnlich. Auch die Unfallursache ist höchstwahrscheinlich eine andere als beim PROGRESS-Start. Der Satellit war später in einer falschen Umlaufbahn driftend entdeckt worden, wie Sprecher der russischen Raumfahrtbehörde verlauten ließen.

Suffredini sagte, er wüßte von keinen Ähnlichkeiten zwischen den beiden Oberstufen, aber er sei zuversichtlich, daß die russischen Behörden die Ursache des SOJUS-Fehlstarts bald herausfinden würden.

"Ich war enttäuscht darüber, daß wir dieses Raumfahrzeug verloren haben, aber offen gesagt denke ich, wir bringen das jetzt hier in Ordnung und starten dann den nächsten", meinte er. "Und wir lernen daraus und machen weiter."

Quelle: Space.com
Bearbeitet von: Matthias Pätzold

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letzte Änderung am 25. August MMXI