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Bericht 23. Januar 2004
SPIRIT in kritischem Zustand
Robotfahrzeug zeigt Kommunikationsschwierigkeiten - sendet Bestätigungszeichen, aber keine Daten - Techniker dennoch zuversichtlich - akt.: Problem ist offenbar der Flash-Memory

SPIRIT auf dem 
Mars
Oben: So kann man sich SPIRITs Vorgehen auf der Marsoberfläche vorstellen. Er bewegt sich von Stein zu Stein vorwärts, die er je nach Interesse der Wissenschaftler untersucht. (Abbildung: NASA/JPL)
Der angeschlagene Marsrover SPIRIT befindet sich in einem kritischen Zustand auf der Oberfläche des Mars, erklärten heute Ingenieure der NASA. Er sei das Opfer fortgesetzter elektronischer Anfälle, die seinen Zentralrechner dazu veranlaßt hätten, sich in den vergangenen zwei Tagen 60 Mal neu zu starten.

Mit viel Geduld brachten die Techniker das Fahrzeug dazu während zweier kurzer Kommunikationsverbindungen in begrenztem Umfang technische Daten zurückzusenden und sie waren erleichtert, als sie entdeckten, daß das Stromerzeugungssystem offensichtlich genügend Strom für den Betrieb bereitstellte. Aber SPIRIT's Betriebszustand war während beider Verbindungen deutlich (und ungewöhnlicherweise) unterschiedlich, woraus sich keine einfache Erklärung dafür ableiten läßt, was schief gegangen sein könnte.

"Wir haben ein ernstes Problem", sagte der Projektleiter Pete Theisinger. "Die Tatsache, daß wir ein Fahrzeug haben, von dem wir annehmen, daß es sich für einen längeren Zeitraum in einem stabilen Zustand befindet, was uns die Zeit gibt, an dem Problem zu arbeiten. Wir können ihn anweisen, mit uns zu reden und obwohl wir vielleicht nur in begrenztem Umfang Informationen zurückerhalten, sind diese Informationen für uns wertvoll und helfen uns dabei, uns durch das Problem hindurchzuarbeiten."

"Ich erwarte, daß wir wieder die volle Funktionalität aus dem Rover herausholen. Ich denke, die Chancen, daß er danach wieder perfekt läuft, sind nicht so gut. Die Wahrscheinlichkeit, daß er danach gar nicht mehr läuft, dürfte aber ebenso niedrig sein. Ich denke, wir werden irgendwo dazwischen liegen und wir müssen das erst Problem verstehen, bevor wir wissen, wo genau wir stehen."

Der leere Lander von 
SPIRIT
Oben: Diese 3D-Farbaufnahme des Landegerätes hatte SPIRIT kurz nach dem Verlassen der Landeeinheit gemacht. Es zeigt die Plattform auf den nur teilweise wieder eingezogenen Landeairbags. wegen eines dieser Luftsäcke hatte SPIRIT an einer anderen Seite herunterfahren müssen, als ursprünglich geplant. (Photo: NASA/JPL)
Der Defekt auf SPIRIT zeigte sich zuerst am Mittwoch, als er eine Prozedur ausführte, mit der die Antriebsmotoren des Wärmeemissionsspektrometers kalibriert werden sollten. Vor diesem Moment lief noch alles normal. Aber durch irgendein Ereignis, vermutlich durch irgendeinen Hardwarefehler, hat das elektronische Gehirn in eine Schleife geworfen. Seitdem befindet sich das Raumfahrzeug quasi im Schwebezustand und gibt auf die Anfragen der besorgten Flugleittechniker nur ungewöhnliche Antworten.

"heute Morgen haben wir einen das Fahrzeug früh angepiept und keine Rückmeldung erhalten", erklärte Theisinger. "Als wir einen zweiten senden wollten, spraches auf einmal zu uns. Wir bekamen bruchstückhafte [Daten-]Rahmen und beeilten uns, es zu bitten, 30 Minuten lang mit uns bei 120 Bit pro Sekunde zu reden. Bei dieser Gelegenheit bekamen wir 20 Minuten Verbindungsdauer zustande, in der ein einziger Rahmen an technischen Daten wiederholt wurde.

Dann haben wir diese ganze Ereignissequenz wiederholt und bekamen 15 Minuten an technischen Daten bei 120 Bits pro Sekunde, in denen die Rahmen für 15 Minuten aktualisiert wurden und dann, für die zweiten 15 Minuten, hatten wir nur Fülldaten."

Er meinte, daß SPIRIT " die meiste Zeit seit Mittwoch in einer Prozessor-Resetschleife irgendeiner Art festhängt, in der der Prozessor aufwacht, die Flugsoftware lädt und dann ein Zustand, die ihn veranlasst, sich wieder zurückzusetzen. Aber der Prozessor macht das nicht sofort. Er wartet eine Weile. Am Morgen wartet er zweimal 15 Minuten und für den Rest des Tages wartet er jeweils eine Stunde. Dann setzt er sich zurück und fährt wieder hoch."

Was die Suche nach der Ursache noch komplizierter macht, ist "daß wir bei zwei Gelegenheiten Hinweise darauf erhalten haben, daß die Ursache für das Zurücksetzen offensichtlich nicht immer derselbe ist", sagte Theisinger. "Wir sind ein wenig verwirrt deswegen, aber das sind die Tatsachen, so wie wir sie zur Zeit als gegeben annehmen."

Die Resetsequenz, die im Prinzip ähnlich ist, wie bei einem Heimcomputer, wenn man den Stecker zieht und ihn dann wieder neu startet, begann am Mittwoch Morgen auf dem Mars, als die Kalibrierung der Spektrometermotoren vorzeitig endete. Ein Störfallteam wurde gebildet, das die Telemetrie studieren und entscheiden soll, welche Angaben man von SPIRIT anfordern soll, um das Ausmaß der Fehlfunktionen und deren Ursache einzugrenzen.

"Ich denke, wir sollten nicht erwarten, daß wir die Funktionsfähigkeit von SPIRIT so schnell wiederherstellen werden", meinte Theisinger. "Ich denke, es wird einige Tage, womöglich ein paar Wochen dauern, nach dem zu urteilen, was wir heute sehen."

In der Zwischenzeit werde der "kritische" Zustand SPIRITs wohl andauern.

Adirondack
Oben: Dieses Photo zeigt SPIRIT bei der Untersuchung des "Adirondack" getauften Felsens mit Hilfe seines Instrumentenarms. Photo: (NASA/JPL)
"Wir wissen nicht in welchem Ausmaß wir die Funktion des Systems wiederherstellen können, weil wir nicht wissen, was kaputt ist", erläuterte Theisinger. "Wir wissen nicht, was diese Abfolge von Ereignissen ausgelöst hat und ich persönlich bin der Ansicht, daß es sich um eine Reihe von Dingen handelt und wir wissen daher nicht, welche Konsequenzen das hat. Ich meine, es wäre in dieser sehr frühen Phase schwer anzunehmen, daß wir keinen Hardwarefehler hatten, der das ganze ausgelöst hat und deshalb wissen wir auch nicht wie weit wir um einen solchen Hardwarefehler herumarbeiten können und wie weit wir die Software dazu bringen können, diesen Hardwarefehler zu ignorieren, wenn wir das wirklich tun müssen.

Wir haben noch eine Menge zu tun mit diesem Patienten auf der Intensivstation. Aber wir waren zumindest in der Lage ihn dazu zu bringen, ihm Anweisungen zu übermitteln, wir konnten ihn dazu bringen, uns Informationen zu übermitteln, wir konnten bestimmen, daß die Stromversorgung in Ordnung ist, ebenso wie der Wärmehaushalt und das alles sind sehr sehr wichtige kleine Informationsstückchen.

Wir sind noch lange nicht fertig hier, sondern haben ernste Probleme und unsere Möglichkeiten diese zu umgehen, sind uns noch nicht bekannt. Erwarten sie deshalb bitte in den nächsten Tagen keine großartige Veränderung bezüglich unseres Wissensstandes oder unseren Theorien. Dies ist ein sehr komplexes Problem."

In der Zwischenzeit, während man versucht die Probleme SPIRITs zu lösen, ist SPIRIT's Zwilling, der Marsrover OPPORTUNITY, weiter im Anflug für eine Landung am frühen Sonntag Morgen im Meridianu Planum, einer Region auf der anderen Seite des Planeten, wo man Mineralablagerungen entdeckt worden waren, die sich unter der Einwirkung von Wasser bilden. Theisinger erklärte, daß die Ingenieure nicht glaubten, daß die Probleme SPIRIT's ein generelles Risiko für OPPORTUNITY darstellen würden, er meinte aber, daß das Flugleitteam beim täglichen Betrieb mit noch mehr Umsicht vorgehen werde, um die Wahrscheinlichkeit für ein ähnliches Problem zu minimieren.

"Wahrscheinlich, je nachdem was in den nächsten 48 bis 72 Stunden passiert, werden wir das Prozedere von Landung bis Herunterfahrt nicht mit derselben Geschwindigkeit durchführen wie bei SPIRIT", meinte er. "Es hängt davon ab, ob wir OPPORTUNITY in einem definierten aufrechterhaltbaren Zustand auf die Oberfläche bringen können und ob wir bei SPIRIT Fortschritte machen können. Wir werden das wahrscheinlich tun und wir werden auch damit fortfahren zu versuchen, SPIRIT einen gewissen Grad an Funktionsfähigkeit zurückzugeben. Das ist eine Entscheidung, die das Projekt in Beratung mit der Leitung treffen wird, wenn wir in den nächsten Tagen die Temperatur von diesem Ding bestimmt haben."

Bislang ist die einzige Änderung, die an OPPORTUNITYs geplanten Landevorgang vorgenommen wurde, eine Entscheidung, den Bremsfallschirm in etwas größerer Höhe als bei SPIRIT auszuwerfen, um einen größeren Sicherheitsfaktor einzubauen.

An anderer Stelle präsentierten die Ingenieure heute eine dramatische Animation von SPIRIT's Landung, basierend auf den tatsächlichen Telemetriedaten von dem Raumfahrzeug. Danach hatte eine plötzliche Windböe die kleinen zur Seite weisenden Raketen in der letzten Sekunde veranlaßt zu feuern, um zu verhindern, daß der Lander mit mehr als 80 km/h auf dem Boden auftrifft.

Die Telemetriedaten, die bereits vorher zusammengetragen und einer komplexen Analyse unterzogen worden waren, zeigen ebenfalls, wie der Rover über den Boden des Kraters Gusow gehüpft ist, bevor er schließlich ausrollte und zu liegen kam.

Michael Malin, hauptverantwortlicher Wissenschaftler der hochauflösenden Kamera an Bord der Raumsonde Mars Global Surveyor, veröffentlichte ein dramati sches Photo, das SPIRIT, seinen Fallschirm und seinen Hitzeschild auf der Oberfläche des Mars zeigt. Die beeindruckende Aufnahme zeigt sogar mehrere Aufprallspuren in der marsianischen Erde.

Erste Entdeckungen

Die Landestelle von 
SPIRIT
Oben: Malin Space Science Services hat dieses Photo von Mars Global Surveyor veröffentlicht, das die Landestelle von SPIRIT im Krater Gusow zeigt. Deutlich zu erkennen sind der Lander, der Fallschirm (oben links) und der Hitzeschild (oben rechts). Außerdem noch mehrere Aufprallspuren, die die Airbags des Landers beim Hüpfen über den Marsboden hinterlassen haben. (Abbildung: NASA/JPL/MSSS)
Bevor die Probleme mit dem Rover auftraten hatte SPIRIT bereits eine Reihe von spektakulären Entdeckungen gemacht. Unter anderem hatte er einen Felsen untersucht, der von den Forschern "Adirondack" getauft worden war. Bei den Untersuchungen fanden die Wissenschaftler das Eisenoxidmineral Olivin, das die Eigenschaft hat, sich bei der Anwesenheit von Wasser zu zersetzen. Dies läßt möglicherweise darauf schließen, daß im Krater Gusow doch nicht, wie ursprünglich vermutet, einmal Wasser vorhanden war, denn dann hätte sich das Olivin längst umwandeln müssen. Gusow war unter anderem als Ziel ausgewählt worden, weil man hier Spuren von ehemals vorhandenem Wasser vermutete.

Aktuell: Team identifiziert SPIRIT's Problem

Am Samstag hat das Team am Laboratorium für Strahlantriebe (JPL) der NASA in Pasadena bekanntgegeben, daß sie das Problem offenbar identifiziert haben. Nachdem der Rover am Samstag morgen überraschend rund 73 Megabit an Daten über die Raumsonde Odyssee zur Erde gesandt hatte, die allerdings überwiegend Müll, aber auch einige wenige interessante technische Daten enthielt, konnten die Ingenieure den Fehler, der immer wieder für einen Systemreset sorgte auf den Flash-Memory zurückführen, eine spezielle Art von Speicherchip, der unter anderem auch für Digitalkameras verwendet wird. SPIRIT's Flash-RAM hat eine Kapazität von 256 Megabyte, in denen Daten auch gespeichert bleiben, wenn der Rechner für die Schlafperioden heruntergefahren wurde.

Mit dieser Kenntnis wiesen die Ingenieure SPIRIT an, in eine Art abgesicherten Modus zu gehen, bei dem die meisten Systeme, vor allem die wissenschaftlichen, nicht eingesetzt werden. Der Rechner des Rovers fuhr daraufhin nach dem nächste Reset wieder hoch und blieb in diesem Modus in stabilem Zustand. Die Techniker am JPL waren erfreut zu sehen, daß nach Ablauf einer Stunde der Rover keinen Reset mehr durchführte, sondern aktiv blieb. Auch alle Anweisung, die man übermittelte, wurden korrekt und anstandslos ausgeführt, einschließlich der Anweisung, in den Schlafmodus zu wechseln und die Batterien über die Solarzellen wieder aufzuladen. Dies war notwendig geworden, weil der Rover in den letzten drei Tagen auch über (Mars-)Nacht in seiner Resetschleife aktiv geblieben war und dabei seine Batterien nahezu geleert hatte.

Die Ingenieure werden jetzt für den Rover ein Verfahren entwickeln, wie er auch ohne den Flash-Speicher agieren kann, vorausgesetzt, daß es nicht möglich ist, den Speicher wieder normal funktionierend in das System zu reintegrieren. Dann müßte das Fahrzeug den Rest der Mission ausschließlich mit dem normalen 128 MB RAM bewältigen, was eine Umorganisation der Datenverwaltung bedeutete.

"Die Konsequenzen daraus für die Mission sind im Augenblick noch nicht absehbar", erklärte Theisinger. "Aber ich denke, daß wir bereits gemerkt haben, daß noch viel mehr Kapazität in dem Fahrzeug steckt, als wir nach den schlimmsten anzunehmenden Szenarien erwarten konnten. Wir sehen immer noch ein paar Wochen vor uns, in denen wir bestimmen müssen, was passiert ist und in denen wir das Vertrauen in die Dinge, die funktionieren, zurückgewinnen müssen und um uns wieder an eine Art normalen Betrieb zurückzutasten. Ich schätze, daß wir noch etwa drei Wochen davon entfernt sind, weiter zu fahren.

Aber das sind gute Nachrichten. Wir haben eine verläßliche Kommunikationsverbindung wiederhergestellt, wir haben die Steuerfähigkeit über das Fahrzeug zurückgewonnen, können Strom- und Wärmehaushalt wieder in Ordnung bringen, unsere Arbeitshypothese ist eine, mit der wir weitermachen können und dabei auch bestimmenkönnen, ob sie richtig ist. Somit ist dies ein guter Tag für die Landung von OPPORTUNITY."

Quelle: Spaceflight Now


letzte Änderung am 25. Januar MMIV