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Bericht 28. Oktober 2009
ARES 1-X Rakete startet zu erfolgreichem Testflug
Erste neue Rakete der NASA in knapp 30 Jahren - erfolgreicher Testflug kommt, während Zukunft der ARES 1 ungewiß ist

Start von ARES 1-X
Oben: Die ARES 1-X Testrakete hebt in einem Bilderbuchstart in den blauen Himmel über Florida ab. (Photo: NASA/KSC/Jim Grossmann)
Während über die Zukunft der US-amerikanischen bemannten Raumfahrt Fragen gestellt und Debatten geführt werden, wurde am Mittwoch die weltgrößte Rakete erfolgreich zu einem umgerechnet rund €302 Millionen teuren Testflug für das Mondprogram der NASA gestartet.

Die 98 Meter hohe ARES-1-X-Rakete hob um 16:30 Uhr MEZ von der Startrampe 39B des Kennedy Raumfahrtzentrums der NASA am Kap Canaveral ab und steuerte auf einen östlichen Kurs auf den Atlantik hinaus. Die feststoffbetriebene Rakete schoß ein paar Momente später zwischen tiefhängenden Kumuluswolken hindurch, hinauf in die obere Atmosphäre, bevor ihr zwei Minuten nach dem Start in rund 40 km Höhe der Treibstoff ausging.

"Die Rakete flog sogar noch besser als wir erwartet hatten", meinte Bob Ess, der ARES 1-X Missionsleiter. "Wir haben alle unsere Erfolgskriterien erfüllt, und tatsächlich haben wir sie davongeblasen."

Sprengladungen zündeten schließlich und trennten die Oberstufen- und Besatzungsmodulattrappe ab und die radschlagende erste Stufe fiel an Fallschirmen hängend weniger als 240 km östlich von Cape Canaveral in den Atlantik zurück.

"Gerade weil wir eine Antriebsstufe im Wasser haben, muß es ziemlich gut funktioniert haben", meinte Ess.

ARES 1-X war vor rund vier Jahren als eine frühe Demonstration für das Constellation Mondprogramm ausgedacht worden. Das Erkundungsprogramm beinhaltet die ARES 1 Trägerrakete, um Besatzungen in die Erdumlaufbahn zu transportieren, und die größere ARES 5 Schwerlastträgerrakete, um Fracht zu transportieren.

Start beobachtet vom LCC
Oben: Mitglieder des Startteams beobachten vom Startleitzentrum (LCC) des Kennedy Raumfahrtzentrums aus, wie die Rakete in einem Bogen in den Himmel aufsteigt. (Photo: NASA/KSC/Bill Ingalls)
Die mit Instrumenten vollgepackte Rakete wurde gebaut, um den Ingenieuren wiedergabegetreue Daten darüber zu liefern, wie sich die ARES 1 Trägerrakete in den ersten paar Minuten nach dem Start verhalten wird.

Der Start am Mittwoch kam zu einem Zeitpunkt, an dem die Zukunft der ARES 1 Rakete zweifelhaft ist, nachdem die Obama-Regierung im Mai eine unabhängige Überprüfung des Constellation-Programms angeordnet hatte. Die Befragung des Kommittees erfolgte, nachdem Verzögerungen im Zeitplan und technische Probleme eine genauere Untersuchung auf sich zogen.

Geleitet von Norman Augustine, einem früheren Geschäftsführer von Lockheed-Martin, präsentierte das Kommittee in der letzten Woche ihren Abschlußbericht. Darin kommen sie zu dem Schluß, daß das Constellation Programm sich auf einem nicht aufrecht zu haltendem Kurs befindet, mit unzureichender Finanzierung und unrealistischen Zeitplanungen, die die hochfliegenden Ziele unerreichbar zu machen drohen.

Die meisten Optionen der Augustine-Kommission schließt nicht die ARES 1 als Astronautentransporter ein, sondern setzen eher auf einen kommerziellen Mannschaftstransportsdienst in die Erdumlaufbahn, während sich die NASA auf die Entwicklung einer Schwerlastträgerrakete für die Weltraumerkundung konzentriert.

Jeff Hanley, der Constellation-Programmleiter wurde gefragt, ob er sich nach so einem glatt verlaufenen Testflug gerechtfertigt fühle.

"Rechtfertigung beschreibt es wirklich nicht besonders gut", meinte Hanley. "Es ist eine Art Bestätigung dafür, daß der Kurs, den wir anvisiert haben, ausführbar ist. Eine frühe Demonstration wie diese beseitigt alle Zweifel aus unseren Köpfen, wenn wir welche gehabt hätten, über die Flugfähigkeit unseres Entwurfs."

Die Zeitwahl des Starts hatte einige Fragen über den Wert des Testfluges aufgeworfen, aber die Verantwortlichen der NASA unterstrichen schnell die Wichtiglkeit der Mission.

"Dieser Test wird von großem Wert sein, ganz gleich welche Entscheidungen in der Zukunft getroffen werden", erklärte Doug Cooke, der beigeordnete Administrator für das Missionsdirektorat für Erkundungssysteme der NASA. "Wir lernen, die mathematischen Modelle für Aeroakustik und Belastungen zu validieren."

ARES 1-X mit Überschallkegel
Oben: Nach Überschreiten der Schallgeschwindigkeit bildet sich innerhalb des Überschallkegels eine Kondensationszone, hervorgerufen durch den Drucksprung und nachfolgende Abkühlung am Verdichtungsstoß, die als Wolkenscheibeneffekt bezeichnet wird. Fälschlicherweise wird dies oft auch mit der Prandtl-Glauert-Singularität in Verbindung gebracht, die den theoretischen überproportionalen Anstieg des Luftwiderstandes bei Schallgeschwindigkeit (-> Schallmauer) beschreibt. (Photo: NASA/KSC/Scott Andrews)
Mehr als 700 Sensoren in der Trägerrakete waren darauf programmiert, Daten über Drücke, Vibrationen, Temperaturen und aerodynamische Lasten zu sammeln. Diese Daten werden in leistungsfähige Computermodelle eingespeist, um den ARES 1 Entwicklern eine bessere Idee davon zu geben, wie sich die Rakete tatsächlich verhält.

Die Leiter der NASA sind zu dem Schluß gekommen, daß die ARES 1-X Daten dabei helfen werden, Entwurfsmodelle an echten Flugdaten zu verankern, und so die rechnergestützten Hilfen für jedes Raketensystem robuster zu gestalten.

Es wird Monate dauern, bevor die Ingenieure ihre Analyse abgeschlossen haben und noch viel länger, bevor die Konsequenzen daraus für die ARES 1 verstanden werden.

Die Ingenieure waren am meisten an den Vibrationen und den akustischen Belastungen interessiert, die die ARES 1-X während des Starts erfährt, sowie an der Flugphase mit dem höchsten aerodynamischen Druck, oder Max Q. Auch die Anfälligkeit der Rakete zu Rollmomenten wurde unter das Mikroskop gelegt.

Die Rakete bewegte ihre Düse wenige Momente nach der Zündung, was die schlanke Rakete dramatisch in den ersten Sekunden des Fluges von der Startrampe wegkippen ließ. Ess erklärte, daß dieses Manöver wie geplant erfolgt war.

Ein verstärkter Ring aus Kondensation bildete sich etwa eine Minute nach dem Start über der oberen Hälfte der Rakete und formte eine haloartige weiße Wolke.

Stufentrennung und -bergung waren ebenfalls Primärziele während des Testfluges.

"Die Stufentrennung schien etwas anders zu sein, als wir es vorhergesagt hatten, soweit es die Dynamik betrifft", meinte Ess.

Zwölf kleine Raketenmotoren an der ersten Stufe feuerten wie vorgesehen, um die Startstufe von der Oberstufenattrappe wegzusteuern und in eine Rotation zu versetzen.

Die Verantwortlichen erwarteten, daß der Oberstufensimulator nach der Abtrennung gerade weiterfliegen würde. Aber der vordere Teil der Rakete schwang praktisch sofort herum und begann selbst eine taumelnde Bewegung, während er einem Hochgeschwindigkeitseinschlag auf dem Atlantik entgegenflog.

Die Startstufe stieg weiter auf bis zu einer Höhe von 45 Kilometern, bevor sie Fallschirme auswarf und rund 230 Kilometer östlich der Startrampe im Meer wasserte.

Die FREEDOM STAR, eines der beiden NASA-Bergungsschiffe, war in der Nähe stationiert und fuhr zur Wasserungsstelle, um mit der Bergung der ausgebrannten Hülse zu beginnen. Danach wird das Schiff die Hülse in Schlepptau nehmen und zurück nach Port Canaveral schleppen.

Der Flug war nach nur sechs Minuten vorbei, aber der Start war eine der am meisten erwartete Missionen an der Weltraumküste in der jüngsten Vergangenheit.

"Dieses Entwicklungs-Flugtest-Zeug ist ne Menge Spaß", meinte Ed Mango, der ARES 1-X Startdirektor.

Es war das erste Mal, daß eine neue Rakete von einer der Hauptstartrampen des KSC abhob, seit 1981 das Space Shuttle seinen Jungfernflug absolviert hatte.

Der Start hatte sich von Dienstag Mittag verspätet, weil ein nur selten benutztes Wetterkriterium namens elektrische Reibungsaufladung nicht erfüllt war. Die Verantwortlichen waren besorgt, daß die Reibung zwischen der schnellfliegenden Rakete und den Niederschlagspartikeln in den Höhenwolken ein Feld statischer Elektrizität erzeugen könnte, die die Kommunikation mit der Rakete unterbrechen könnte.

Der Countdown wurde am Mittwoch auch durch ein nächtliches Gewitter und Blitzeinschläge in der Nähe der Startrampe verzögert. Die Startleittechniker mußten zusätzliche Zeit aufwenden, um die Raketensystem komplett zu überprüfen, und so sicherstellen, daß die Elektroniksysteme der Rakete nicht durch induzierte Ströme aufgrund der starken Magnetfelder der Blitze überlastet worden waren.

"Wir waren ereit, als Mutter Natur bereit war", meinte Hanley. "Wir nahmen unsere Gelegenheit wahr und was für ein großartiger Ausgang. Sie flog gerade wie ein Pfeil."

Und Ess ergänzte: "Es sah in echt viel spektakulärer aus, als während der Planung."

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Matthias Pätzold


letzte Änderung am 28. Oktober MMIX