Zurück zur Startseite
Artikel 20. Februar 2002
Robot schmilzt sich mit heißer Nase durch's Eis
"Kryobot" soll einmal auf Jupitermond Europa und Mars eingesetzt werden - jetzt Feldversuch in Norwegen absolviert

Der

Kryobot
Oben: Die "Bohr"-Methode des Kryobots ist effizienter als herkömmliches Bohren, da es weniger Leistung benötigt, als mechanisches Schneiden. Das Eis zu Schmelzen und sich dann durch die entstehende Flüssigkeit zu bewegen, ist leichter für die Sonde. (Photo:NASA/JPL/NAI)
Ein abenteuerlustiges Wissenschaftlerteam kehrte kürzlich aus den weiten Eisfeldern Norwegens zurück, wo sie ein Instrument getestet hatten, das eines Tages dafür verwendet werden könnte, Gebiete unter den gefrorenen Oberflächen anderer Welten zu erforschen. Das Labor für Strahlantriebe(JPL) und das kalifornische Institut für Technologue demonstrierten hier einen robotischen Eispickel, der mit seiner heizbaren Nasenspitze in der Lage ist, sich durch gefrorenen Boden zu schmelzen und sich so kryogenisch durchzubohren. Zuletzt hatten sie sich bis in Tiefen von 23 Metern in einen Gletscher hineingeschmolzen.

Beim Durchschmelzen durch den Gletscher werden neue Technologien zur Navigation durch und Sichtbarmachung der Eisschichten darunter in einer extremen Betriebsumgebung eingesetzt. Das Team hofft, eine neue Explorationsgrenze festzulegen, die bisher durch orbitale oder Oberflächenbeobachtungen bestimmt wurde, indem sie diese unterirdischen Bohrsonden einsetzen. "Wenn man mehr über die Klimageschichte des Mars lernen will, was wichtig für der Suche nach Leben ist, sollte man die Schichten der polaren Eiskappen untersuchen und hiermit ist dies möglich," erklärt Scott Anderson, ein Geophysiker des Kryobot-Feldversuchsteam.

Der Kryobot selbst ist eine zylindrische Sonde, etwa 1 Meter lang und 12 Zentimeter im Durchmesser. Durch Minimierung der Verbrauchsleistung und der Baugröße war das Kryobotteam in der Lage einen nahezu vollständig selbstangetriebenen Bohrkopf zu konstruieren. Heißes Wasser schmilzt am unteren Ende das darunter liegende Eis und die Schwerkraft zieht dann die Sonde in größeren Tiefen hinab. Vom hinteren Ende des Robots geht eine Verbindungsschnur oder -leitung zur Oberfläche hinauf und hält seine elektronischen Verbindungen aufrecht. Selbst wenn also das Bohrloch oberhalb der Sonde wieder zuzufrieren beginnt, kann der Kryobot weiterhin in Kontakt mit der Oberfläche bleiben und damit fortfahren, wertvolle Erkundungsdaten zu den Wissenschaftlern zu senden. Die Konstruktion minimiert so auch eine mögliche Verunreinigung der urtümlichen Umgebungen während ihrer Erforschung.

Zusätzlich zur Erkundung uralter Gletscher und den darunter vergrabenen Untergrundseen auf der Erde nach prähistorischem Leben, erweitert der Erfolg dieser frühen Kryobottests die Möglichkeiten für eine Erkundung vom Mars und dem Mond Europa. Denn, so Wayne Zimmerman, Projektwissenschaftler des Kryobots, es hat nie zuvor eine Sonde gegeben, die das konnte, was diese vermag.

Wettlauf zum Pol
Das Kryobot Team des JPL
Oben: Das Kryobot Team des JPL beim Feldversuch in Norwegen. Von links: Robert Ivlev, Daniel Helmick, Wayne Zimmerman und Lloyd French. (Photo: NASA/JPL/NAI)
Die Überprüfung der Machbarkeit eines solchen Heißnasenbohrers erforderte eine Reise zur Insel Spitzbergen, weit nördlich des Polarkreis im von Norwegen verwalteten internationalen Territorium von Svalbad. Obwohl sie bei weitem nicht den Bedingungen ausgesetzt waren, denen ferngesteuerte Sonden auf anderen Planeten oder Monden gegenüberstehen, bedeutete die Arbeit im polaren Norden eine besondere Herausforderung für die Forscher. "Der Nordpol ist die Heimat der Eisbären. Wir mußten also darauf achten, unsere Versuche an Stellen durchzuführen, an denen wir sie nicht in ihrer natürlichen Umgebung stören würden und das norwegische Institut für Polarforschung stellte uns wiederum den Schutz vor den Eisbären." erklärte Dr. Lloyd French, Leiter des Kryobotforschungsteams am JPL. "Wir haben aber keine Eisbären wären unseres Aufenthaltes da oben gesehen. Wir erlebten Eisbeben, das gelegentliche Brechen des Gletschers und heftigsten Schneefall. Wir mußten graben, um in unsere Zelte hinein zu kommen, und wir mußten graben, um am nächsten Morgen wieder heraus zu kommen."

Unterstützt wurde das Team bei seinen Versuchen vom nowegischen Institut für Polarforschung und dem norwegischen Raumfahrtzentrum, mit deren Hilfe es möglich war, zu bestätigen, daß der Eisrobot in der Lage ist, sich acht Stockwerke tief in den Gletscher hinein zu schmelzen. "In der Vergangenheit waren Norwegen und die Vereinigten Staaten Konkurrenten beim Wettlauf zum Nordpol," meinte French. "Mit der Hilfe des nowegischen Institut für Polarforschung und des norwegischen Raumfahrtzentrum arbeiten wir gemeinsam an einem möglichen Weg einen anderen Nordpol zu erforschen, nämlich auf dem Mars."

Das Eis brechen: Von Europa nach Europa
Der Wostoksee in der Antarktis
Oben: Im Wostoksee vermutet man Wasser, das Millionen Jahre alt und Heimat für uralte Organismen ist. Dieser verborgene Frischwassersee hat etwa die Größe des Ontariosees und ist der größte von etwa 70 Seen, die in den 70er Jahren unter den polaren Eismassen entdeckt wurden. Geplant ist, einen Kryobot durch die 4 Kilometer dicke Eisschicht zu schicken um den See zu besuchen. (Graphik: LDEO Columbia, NASA/NAI)
"Am Anfang war die Erkundung Europas der treibende Faktor für die Auslegung des Kryobots," erklärt French. Man glaubt, daß sich unter der Eiskruste Europas, einem von Jupiters Monden, ein Salzwasserozean befindet. "Salzhaltige Umgebungen, wie die Erdozeane, haben einen korrodierenden Einfluß. Daher haben wir uns bei der Konstruktion vor allem Ozeanographische Instrumente angeschaut. Auch Strahlung ist ein wichtiger Faktor an der Oberfläche Europas. Die Wirkung der Strahlung läßt aber mit zunehmender Tiefe nach, da die Eismassen mehr und mehr die Gerätschaften von der Strahlung abschirmen." Als ob der Umgang mit dem korrosiven Salz in den möglicherweise vorhandenen Ozeanen Europas und die hohe Strahlung vom Jupiter nicht genug wären, beträgt die erwartete Temperatur auf Europa wahrscheinlich 190 Grad unter dem Gefrierpunkt.

Die Entwicklung des Kryobots könnte jetzt genau die Technologie zur Verfüng stellen, die benötigt wird, um durch das Eis zu brechen. Allerdings wird es für das Team notwendig noch viel tiefer zu bohren, wenn sie nur in anderen extremen Gebieten der Erde den Kryobot einsetzen wollen. Um zu den antarktischen Wasserdepots wie dem Wostoksee, dem viertgrößten See auf der Erde, vorzudringen, muß eine Strecke von mehr als 4 km senkrecht durch das Eis zurückgelegt werden. Die gefrorene Oberfläche von Europa wird sogar auf eine Dicke von über 16 km geschätzt.

Aber in den Labortests zeigte sich, daß die Grenztiefe für den Kryobot mehr von der Zeit abhängt. Während der Versuche in Svalbard, Norwegen, dauerte es in etwa 4 Tage um sich in eine Tiefe von 23 m durchzuschmelzen. Dies ist viermal so tief, wie man in den Laborversuchen geschafft hatte. Im Labor wurde die Tiefe allerdings dadurch beschränkt, daß man nur einen 5 m hohen Eisturm bauen konnte. Deshalb mußte man hinaus in's Eis, um auch größere Tiefen zu testen.

Vorangegangene Sondenmodelle, die in große Tiefen in den Gletscher vorstoßen sollten, litten unter einer Vielzahl technischer Mängel: hoher Leistungsbedarf, schlechte Navigation, Mangel an Aushöhlungsfähigkeit, wenn die Löcher hinter der Sonde wieder einfielen, oder große Ausmaße der Sonden, bei gleichzeitig zu geringem Raum für wissenschaftliche Nutzlasten. Während sich die Anwendungen für Erde und Mars entwickelten, bestimmten die allgemeinen Umweltbedingungen die Anforderungen an die Sonden in Bezug auf Druck und Temperatur. Die Anforderungen an Leistungsbedarf und Kommunikation hängen dagegen von den drei verschiedenen Umgebungen selbst ab: irdisch, marsianisch und europanisch.

Hinsichtlich der Aussendung einer Sonde vom Kryobottyp in eine außerirdische Umgebung wird die Baugröße zu einem wichtigen Faktor. Dieser beeinflußt die Missionsdurchführbarkeit und den zurückerhaltenen wissenschaftlichen Nutzen. Diese Entwicklung ist für die Anwendung auf Planetenoberflächen gedacht, deshalb wird die Instrumentenplattform eine kleine Landemasse benötigen. Die verschiedenen Instrumente müssen also klein genug sein, um in den Nutzlastraum hineingepackt zu werden. Eine Erhöhung des Durchmessers der Instrumente könnte schon einen 40%igen Anstieg in der benötigten Heizleistung bedeuten.

Was kommt als nächstes?
Der Kryobot schmilzt sich durchs Eis
Oben: Konzeptzeichnung, die die Aktivthermische Sonde (Mars Kryobot) zeigt, wie sie sich durch das Eis der nordpolaren Eiskappe auf dem Mars schmilzt. Abbildung: NASA/JPL/NAI
Nachdem der Kryobot acht Stockwerke tief in den norwegischen Gletscher vorgestoßen ist, werden die nächsten Schritte darin bestehen, mit den extremen Tests des Geräts fortzufahren. Gemäß der Aussagen von French haben die Versuche bereits einen festen Stand erreicht, um neue, unterirdische Umgebungen für wissenschaftliche Studien zugänglich zu machen. Weitere Instrumentierung des Robots wird ihn für das Absetzen auf und dem ferngesteuerten Erkundungsbetrieb in der marsianischen Eiskappe und in den Salzozeanen von Europa vorbereiten.

Die Instrumentierung eines Kryobots mit Kameras und chemischen Sensoren ist wahrscheinlich der nächste Schritt für die Forscher. Typischerweise ist ein Kamerasystem ideal, um die Schichtung und Ablagerungen abzubilden, sowie ein chemischer Sensor für den pH-Wert und Salze.

"Wir möchten gerne den Kryobot um die Möglichkeit erweitern unterirdische Proben zurückzuführen," schließt French seine Ausführungen. "Eine vielversprechende Methode ist, das Verbindungsleinensystem als einen Kanal zum Transport von Proben zur Oberfläche zu nutzen."

Quelle: Artikel vom astrobiologischen Institut der NASA


letzte Änderung am 23. April MMII