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Artikel 13. Juni 2002
Schleifen auf der Oberfläche der Sonne
Raumsonden beobachten Auswirkungen von Sonnenstürmen - und welche Auswirkungen sie auf die Erde haben

Wie heute auf einem wissenschaftlichen Treffen auf Santorin, Griechenland, berichtet wurde, hat die ESA-Raumsonde SOHO eine Menge an heißen Gasschleifen entdeckt, die für andere Instrumente unsichtbar waren. Diese Schleifen schwinden von einer zur anderen Seiet hin und her. Die Wissenschaftler, die diese untersuchen, sind sich nun sicher, daß diese vibrierenden Schleifen eine Schlüsselrolle in der Heftigsten Aktivitätsphase der Sonne spielen.

Gasschleifen auf der Sonne
Oben: Diese bekannten Strukturen haben dieselbe Form, wie die schwingenden Schleifen, die jetzt entdeckt wurden. (Photo: ESA)
"Es ist, als würde man eine Gitarrensaite anzupfen, wenn auch eine, die auf eine sehr tiefe Bassnote gestimmt wurde," beschreibt dies Werner Curdt vom Max-Planck-Institut für Aeronomie, einer der leitenden Wissenschaftler des SOHO Projektes. "Niemand wußte zuvor etwas von diesen Schwingungen. Sie treten nur in sehr heißem Gas auf, das sehr schön und deutlich mit SUMER (eines der Instrumente an Bord SOHOs) gesehen werden können, so als ob es für diesen Zweck entworfen worden wäre. Aber um ehrlich zu sein: als SUMER gebaut wurde, hatte keiner mit etwas so erstaunlichem wie diesem hier gerechnet."

SUMER ( Instrument zur Messung ultravioletter Strahlung von der Sonne ) mißt die Geschwindigkeit der Gase, die sich in der Sonnenatmosphäre bewegen. Es beobachtet die heißen Schleifen am deutlichsten, wenn sie als riesige Bögen am Rand der Sonnenscheibe stehen und von SOHO von der Seite gesehen werden kann. Indem sich SUMER die extrem ultraviolette Strahlung vornimmt, die von hochionisierten Eisenatomen bei 9 - 20 Millionen °C herrühren, kann es die schwingende Bewegung durch die Schwankungen in der Wellenlänge feststellen.

In einem typischen Fall schwingt eine 350.000 Kilometer lange heiße Schleife in 20 Minuten vor und zurück. Das heiße Gas bewegt sich dabei auf der Sichtlinie des Betrachters mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 km/s der 360.000 km/h. Das Gas kühlt aber schnell ab und die Bewegung hört nach zwei oder drei Oszillationen auf. Die Spannung in der solaren Gitarrensaite kommt von dem intensiven Magnetfeld, das entlang der heißen Gasschleife verläuft. Der Finger, der sie anzupft ist dabei möglicherweise ein Ausstoß von sehr energiereichen Partikeln, die aus der unteren Sonnenatmosphäre emporstoßen. Wenn sie auf das Gas in der Schleife treffen, verlieren die Atome nahezu alle ihre Elektronen. Dadurch wird die starke Strahlung der Eisenionen und die Schwingung der ganzen Schleife ausgelöst.

Was bedeutet diese Entdeckung für uns alle?

Die jüngsten Entdeckungen SOHOs werden die Experten faszinieren. Dr. Curdt's Institut hat das Treffen zusammen mit dem Nationalobservatorium in Athen organisiert. Sein Zweck ist, die Ergebnisse der Sonnenbeobachtungen vom Boden und aus dem All zusammenzuführen und zu schauen, was man über das Verhalten der Sonnenatmosphäre bisher verstanden hat.

Stürme auf der Sonne können Astronauten gefährden und Raumfahrzeuge, elektrische Energieanlagen und Computer beschädigen. Sie können sogar das Wetter auf der Erde beeinflussen. Aus diesem Grund erforschen die ESA und die anderen Raumfahrtagenturen die Ursachen und Auswirkungen von Sonnenstürmen.

Schnitt durch die Sonnenatmosphäre
Oben: Ein Querschnitt durch die Sonnenatmosphäre in 40.000 km Höhe über der Sonnenoberfläche, 110.000 km breit (hier in der Höhe) ändert sich über einen Zeitraum von vier Stunden, wie von SUMER auf SOHO im ultravioletten Licht von stark ionisierten Eisenatomen beobachtet wurde.
Links: Helligkeit
Rechts: Geschwindigkeit zu uns hin (blau) und von uns weg (rot).
Schnelle Einschüße von Energie führen zu Blitzen von extrem heißen Emissionen und Schwingungen, die schnell abklingen. (Abbildung: ESA)
Die ESA-NASA-Raumsonde ULYSSES erforscht die Heliosphäre, die riesige Region um die Sonne, die vom Sonnenwind ausgefüllt wird, und wo Stöße die schützende Blase der Erde, die Erdmagnetosphäre, erschüttern und zusammendrücken. ESAs CLUSTER-Satelliten untersuchen diese solaren Effekte in Erdnähe. SOHO selbst verwendet eine ganze Reihe von Instrumenten, um die Sonnenstürme zu beobachten, einschließlich der großen Explosionen, Fackeln genannt, die Ausbrüche von Licht und energetischen Partikeln sind, sowie die großen Gasbriesen, die als Massenaustöße bezeichnet werden.

Durch das Aufdecken dieser intensiven, örtlich begrenzten und kurzlebigen Aktivität einer Art, die der Aufmerksamkeit der Wissenschaftler bisher entgangen ist, sind die schwingenden Schleifen ein neues Stück im Puzzle geworden. Wenn die Schwingungen versiegen, entlassen sie Energie in die äußere Sonnenatmosphäre. Die Verbindung zu Partikelausstößen in der unteren Atmosphäre, könnte den Forschern helfen zu verstehen, warum die Ausbrüche manchmal so stark ausfallen, daß sie die Schleifen zerreißen und eine Sonnenfackel freisetzen. Nur durch das Nachvollziehen der Verbindungen zwischen den verschiedenen Arten von Sonneneruptionen können die Wissenschaftler hoffen einmal verläßliche frühe Warnungen über Sonnenausbrüche, die die Erde und ihre Umgebung beeinflussen, herauszugeben.

Das Treffen auf Santorin blickt auch nach vorne zu zukünftigen Raumfahrzeugen, wie den SOLAR ORBITER der ESA, der in etwa zehn Jahren realisiert werden soll. Die Wissenschaftler, die jetzt seine Instrumentenzusammenstellung planen, wollen jetzt natürlich sicher sein, daß sie die energiereichen Sonnenschleifen verstehen, die SOHO entdeckt hat.

Über SOHO

SOHO ist ein Projekt internationaler Kooperation zwischen der ESA und der NASA. Das Raumfahrzeug wurde in Europa für die ESA gebaut und mit Instrumenten von Wissenschaftlerteams in Europa und den USA bestückt. Die NASA hat die Sonde im Dezember 1995 gestartet und im Jahr 1998 haben ESA und NASA beschlossen ihre höchst erfolgreiche Mission bis in das Jahr 2003 zu verlängern.

Mehr zum Thema (englisch):
Mehr über SOHO
Mehr über SUMER
SOHO-Homepage
Santorin Symposium 11 - 15 June 2002

Quelle: ESA-Science Artikel


letzte Änderung am 13. Juni MMII