COLUMBIA-Unglück: Hinweise verdichten sich
Beschußtests zeigen Möglichkeit der Beschädigung einer Segmentdichtung in der Flügelvorderkante - könnte auslösende Ursache für den Verlust der Raumfähre gewesen sein
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Diese Aufnahme aus dem Startvideo zeigt den Aufprall des Isolierschaumstückes auf die
linke Tragfläche des Orbiters COLUMBIA. Dabei wurde vermutlich die T-Dichtung zwischen
den Vorderkantenverkleidungssegmenten 7 und 8 beschädigt. (Photo: CAIB)
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Die Hinweise darauf, daß ein Stück Isolierschaum, das kurz nach dem Start der Raumfähre
COLUMBIA am 16. Januar 2003 vom Haupttank abgebrochen und die linke Tragfläche des
Orbiters getroffen hat, die Ursache für den Verlust der Raumfahrzeugs und der
siebenköpfigen Besatzung geführt hat, verdichten sich mehr und mehr.
Der unabhängige Columbia-Unfalluntersuchungsausschuß (CAIB) veröffentlichte heute
einen vorläufigen Bericht über die Beschußtests, die am Südwest-Forschungsinstitut in
San Antonio, Texas durchgeführt werden. Danach wurden Isolierschaumblöcke von einem
dreiviertel Kilogramm Masse und 20.000 Kubikzentimeter Volumen mit gut 230 m/s
Geschwindigkeit bei einem Anstellwinkel von 20 Grad auf eine aufgebockte
Flügelvorderkante der Raumfähre ENTERPRISE (OV-101) geschossen. Die ENTERPRISE, mit
der Ende der Siebziger Jahre die Flug- und Landetests durchgeführt wurden, steht heute
im Smithonian Museum.
Die Flügelvorderkanten eines Orbiters sind aus Verkleidungssegmenten aus verstärktem
Kohlefaserverbundwerkstoff (CfC) zusammengesetzt. Die Stoßfugen zwischen den
Segmenten sind mit T-förmigen CfC-Dichtungen verschlossen. Verstärktes CfC besitzt
sowohl hohe Zugfestigkeit als auch eine enorme Hitzebeständigkeit. Damit der Kohlenstoff
bei der Hitzeinwirkung nicht verbrennt, sind die Bauteile mit einer Schicht aus Siliziumkarbid
umhüllt, die sie vor dem Luftsauerstoff schützen.
Die Beschußtests zeigten nun, daß beim Auftreffen des Schaumstücks auf den
Bereich um Verkleidungssegment 6 und 7 die T-Dichtung zwischen den Segmenten
herausgedrückt wurde und so eine schlitzartige Lücke von rund 55 cm Länge entstand.
Die Breite des Schlitzes variierte zwischen 1 und 6 Millimetern.
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Die Druckluftbeschußanlage am Forschungsinstitut in San Antonio, mit dem die
Beschußtests durchgeführt wurden. Rechts befindet sich das Beschußziel, hier noch eine
mit Hitzeschutzkacheln beklebte Fahrwerksklappe des Orbiters ENTERPRISE. Mit der
Anlage wurden Isolierschaumstücke von bis zu 1 kg Masse mit über 230 m/s
abgeschossen. (Photo: CAIB, Rick Stiles)
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Obwohl von offizieller Seite noch keine Schlußfolgerungen gezogen wurden, haben
Experten des CAIB bereits verlauten lassen, daß es sich bei dieser Lücke genau um die
Art von Beschädigung handele, die es genug heißem Gas erlauben würde in den Flügel
einzudringen und die Serie von protokollierten Ereignissen auszulösen, die letztlich zur
Zerstörung der Raumfähre geführt hatte.
Zuvor waren bereits Beschußtests auf eine Fahrwerksklappe der ENTERPRISE
durchgeführt worden. Die Hitzeschutzkacheln, die darauf angebracht worden waren,
hatten dabei aber nur sehr geringfügige Beschädigungen erfahren.
Suche beendet
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Geborgene Bruchstücke der linken Tragflächenvorderkante sind auf dem Boden des
RLV-Hangars am Kennedy Raumfahrtzentrum ausgelegt. Diese Wrackteile brachten den
entscheidenen Hinweis auf die Bruchstelle, die der Auslöser für den Verlust der
COLUMBIA war. (Photo: NASA/KSC)
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Anfang Mai wurde die Suche nach Wrackteilen in Osttexas und Louisiana abgeschlossen.
Mehr als 82.500 Bruchstücke konnten geborgen werden, von denen bis dato fast 80.000
identifiziert werden konnten. Die NASA hat nun von der Bundesnotfallbehörde (FEMA) die
Verantwortung für weitere Suchoperationen übernommen. Dafür hat die NASA am
Johnson Raumfahrtzentrum ein Büro eingerichtet, bei dem unter anderem Einwohner, die
weitere Wrackteile finden, dieses melden können.
Zuletzt konnten Bruchstücke dem Bereich des linken Flügels zugeordnet werden, an
dem vermutlich das Verhängnis für den Orbiter begann. Schlackereste an
Hitzeschutzkacheln, deren ursprüngliche Position als unmittelbar hinter der Dichtung
zwischen den Vorderkantenverkleidungssegmenten 7 und 8 gelegen ermittelt werden
konnte, zeigen, daß die Bruchstelle, vermutlich die beschädigte T-Dichtung an dieser Stelle,
der Ausgangspunkt für die beginnende Zerstörung im Innern der Tragfläche war.
Quelle:
CAIB, Spaceflight Now, Space.com |