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Artikel 22. April 2010
ATLAS startet geheimnisumwittertes Raumflugzeug der US-Luftwaffe in's All
OTV ist Weiterentwicklung der X-37 der NASA - Mission und Nutzlast des Mini-Raumgleiters sind streng geheim

Start der X-37B mit ATLAS 5
Oben: Das OTV wird auf der Spitze einer ATLAS 5 in ungewöhnlicher Konfiguration ohne Startraketen und übergroßer Nutzlastkappe gestartet. (Photo: United Space Alliance/Pat Corkery)
Nur einen Steinwurf entfernt von dem Ort, wo die Raumfähre ATLANTIS für ihren Flug vorbereitet wird hat die US-Luftwaffe in der Nacht zum Freitag ein eigenes unbemanntes wiederverwendbares Raumflugzeug auf der Spitze einer ATLAS 5 Trägerrakete für eine aufsehenerregende Mission gestartet.

Das militärische Space Shuttle trägt keine Besatzung an Bord, beruht aber auf einer Wäscheliste neuer Technologien, von denen die Verantwortlichen der US-Luftwaffe hoffen, daß es die Art und Weise, wie das Pentagon seine Raumfahrtprogramme durchführt, revolutionieren wird.

"Im Grunde ist dies eine verbesserte Version des Space Shuttles" meinre Gary Payton, der höchstrangige zivile Leiter für militärische Raumfahrtprogramme der US-Luftwaffe. "Die Luftwaffe hat eine ganze Pallette von militärischen Missionen im All. Dieses neue Raumfahrzeug könnte uns möglicherweise dabei helfen, diese Missionen besser durchzuführen."

Gebaut von den Boeing Phantom Werken weist die 8,7 Meter lange und rund 5 Tonnen schwere X-37B eine bescheidene Ladebucht, ein kraftvolles Manövriertriebwerk, ausklappbare Solarzellen und Stummelflügel, die das Raumflugzeug nach seiner Mission zur Erde zurückgleiten lassen sollen, auf.

"Unsere oberste Priorität ist die Demonstration des Raumfahrzeuges selbst", erklärte Payton. "Es besitzt ein autonomes Flugsteuerungssystem, eine neue Generation von Siliziumkacheln, und eine Vielzahl an weiteren Technologien, die eine Generation über das Shuttle hinaus sind."

Obwohl die Verantwortlichen die X-37B Plattform selbst offen diskutieren, ist die US-Luftwaffe stumm darüber, welche Nutzlasten das unbemannte Raumfahrzeug in seinem Laderaum mit sich trägt, die in etwa die Größe eines Kleinlastwagens hat.

"Die eigentlichen Aktivitäten in der Umlaufbahn halten wir geheim", hatte Payton Anfang der Woche während einer Telefonkonferenz mit Journalisten geäußert. "Wir machen das in diesem Fall mit den tatsächlichen Experimentalnutzlasten, die mit der X-37 in der Umlaufbahn sind."

Es soll später auf der Landebahn landen, die ursprünglich für das Space Shuttle am US-Luftwaffenstützpunkt Vandenberg in Kalifornien gebaut worden war.

Der offiziell als "Orbitales Testraumfahrzeug" bezeichnete Prototyp ist nur etwa ein Viertel so groß wie der Space Shuttle Orbiter.

"Das Orbitale Testraumfahrzeug kombiniert das beste aus Flugzeug und Raumfahrzeug in sich, um flexible und reaktionsschnelle Missionen zu ermöglichen", meinte Paul Rusnock, Boeings Vizepräsident für Experimentalsysteme und der Programmdirektor für die X-37B. "Dieser erste Flug wird die Bereitschaft für die X-37B demonstrieren, ihren Dienst für die US-Luftwaffe aufzunehmen, während es damit fortfährt neue Wege zu finden, um den Zugang zum All routinierter, erschwinglicher und reaktionsfähiger zu machen."

Abgesehen davon, daß die Mission die hochtechnologischen Fähigkeiten des Raumfahrzeuges demonstrieren soll, hat die US-Luftwaffe keine Informationen über die geplanten Experimente und Missionsziele der X-37B in der Erdumlaufbahn verlauten lassen.

Über die Mission wurde weniger als 20 Minuten nach dem Start mit der 60 Meter hohen ATLAS 5 Trägerrakete um 1:52 Uhr MESZ Freitag früh vom Kap Canaveral in Florida eine Nachrichtesperre verhängt.

OTV unter der Nutzlastkappe
Oben: Das OTV unter der Nutzlastkappe der ATLAS 5, von der er während des Aufstiegs durch die Atmosphäre geschützt wird. (Photo: US-Luftwaffe)
Die ATLAS 5 startete in der 501-Konfiguration mit einer 5,4-Meter durchmessenden Nutzlasthaube, ohne Feststoffstartraketen und einer einzelnen Centaur-Oberstufe.

Der Start am Freitag Morgen war der erste Flug einer ATLAS 5 in dieser Variante und es war das erste Mal seit 2006, daß die Rakete mit der größeren Nutzlasthaube gestartet ist.

"Dieses Raumfahrzeug ist leicht genug, um ohne Feststoffmotoren gestartet zu werden, selbst mit der größeren Nutzlasthaube, was es zu einer ziemlich einzigartigen Konfiguration werden läßt", meinte Oberstleutnant Erik Bowman, Kommandant des 45. Startunterstützungsgeschwaders in Cape Canaveral.

Nachdem es senkrecht von der Startrampe des Startkomplexes 41 abflog, steuerte der russische Raketenmotor der Hauptstufe östlich weg von der Raumfahrtküste und in den klaren blauen Himmel, der von atemberaubenden Farben des Sonnenuntergangs überflutet war.

Weniger als vier Minuten nach dem Abheben war die ATLAS 5 bereits am Rande des Weltraums, hoch genug, um die 5,4-Meter-Nasenkappe abzusprengen, die die Miniaturraumfähre wie in einem Kokon eingeschlossen hielt.

Die erste Stufe der ATLAS wurde viereinhalb Minuten nach dem Start von der CENTAUR-Oberstufe abgetrennt und der wasserstoffbetriebene RL10-Motor zündete rund 10 Sekunden später.

Nachdem sie nahezu 13 Minuten lang gefeuert hatte, erfolgte der Brennschluß der CENTAUR nach Plan. Die Oberstufe trennte sich von dem Raumflugzeug rund 20 Minuten nach dem Start.

OTV im All
Oben: Nach Erreichen der Erdumlaufbahn soll das OTV seine Ladebucht öffnen, seine Solarzellen und Radiatoren entfalten und die Experimentalnutzlast in Betrieb nehmen. Welche das bei dem ersten Flug ist, wird von der US-Luftwaffe allerdings streng geheim gehalten. (Abbildung: Boeing/US-Luftwaffe)
United Launch Alliance, der Startdienstleister, der die ATLAS 5 betreibt, und die US-Luftwaffe erklärten, der Start sei ein Erfolg gewesen.

Die US-Luftwaffe gibt die Daten über die geplante Umlaufbahn des Raumfahrzeugs nicht bekannt, aber Verantwortliche meinten, daß es entworfen wurde, um in einer Höhe zwischen 200 und 920 km zu operieren.

Das Bordtriebwerk der X-37B ist in der Umlaufbahn zu bedeutenden Bahnänderungsmanövern in der Lage.

Einmal im All sollte das Raumflugzeug seine baggerschaufelartige Ladebuchttore öffnen und seine Solarzellenflächen entfalten.

Während mehrerer Wochen und Monate in der Umlaufbahn wird die X-37B als Prüfstand für geheime neue Technologien dienen.

Zukünftige Flüge des wiederverwendbaren Raumfahrzeugs könnten Annäherungen an amerikanische oder andere Satelliten, die Bergung alter Raumfahrzeuge oder das Austesten von Aufklärungs- und Reparaturtechniken beinhalten. Die Spekulationen führen inzwischen sogar zu einiger Besorgnis über die Militarisierung des Alls.

Während einer Telefonkonferenz mit Reportern am Dienstag erklärte Payton, daß keine dieser Aktivitäten Teil des ersten X-37B-Fluges seien. Das Raumfahrzeug, das am Freitag gestartet wurde, habe keinen Robotarm wie das Space Shuttle und es seien auch keine Rendezvous' während der Mission geplant.

Die Verantwortlichen hoffen, daß dieser Testflug zu reaktionsfähigeren Raumfahrtsystemen führt, einschließlich wiederverwendbarer Raumfahrzeuge wie die X-37B.

OTV auf der Landebahn
Oben: Das OTV X-37B nach Landetests auf der Landebahn des US-Luftwaffenstützpunktes Vandenberg in Kalifornien. Hier oder in Edwards soll das OTV nach Abschluß seiner Mission vollautomatisch landen. (Photo: US-Luftwaffe)
"Wenn der erste Testflug erfolgreich verläuft, würde ich mich freuen, wenn wir die X-37-Idee weiterverbreiten und sie mit [dem Bereich] 'Operationell reagierende Raumfahrt' verschmelzen können", meinte Payton in einem Interview im März. "Wir könnten eine X-37 in Vandenberg oder am Kap sitzen haben, und in vergleichsweise kurzer Zeit, abhängig von den Kampffliegererfordernissen, eine spezielle Nutzlast in die Ladebucht hineinpacken, es mit einer ATLAS oder DELTA starten, und es dann in der Umlaufbahn halten, wo es seine Arbeit für den Kampfkommandanten ausführt, um anschließend wieder nachhause zurückzukehren. Und dann, auf dem nächsten Flug, könnten wir eine ganz andere Nutzlast drin haben, möglicherweise für einen ganz anderen Kampfkommandanten."

Die US-Luftwaffe plant nicht irgendwelche aktuelle Meldungen während des Fluges der Miniaturraumfähre zu veröffentlichen, aber ein Kader von engagierten Satellitenbeobachtern am Boden könnte die Umlaufbahn des Raumflugzeuges verfolgen.

Die Beobachter könnten auch in der Lage sein, Objekte, die von dem Raumfahrzeug ausgesetzt werden, zu sehen.

Neue Hitzeschildtechnologien, fortschrittliche Flugleit- und Navigationssystem, ein Solarzellen-Stromerzeugungssystem und neue Flugsteuerungssysteme stehen ganz oben auf der Liste der öffentlichen Ziele für den Testflug.

"Die primären Aufgaben der X-37 sind eine Anzahl neuer Raumfahrzeugtechnologien für die Zukunft Amerikas [zu testen], und zusätzlich das Konzept für den Betrieb wiederverwendbarer Experimentalnutzlasten bereitzustellen und zu demonstrieren", erläuterte Payton.

Die X-37B wird erst nach Abschluß ihrer streng geheimen Experimente in der Erdumlaufbahn zurückkehren.

Die Mission wird vom 3. Weltraumexperimentalgeschwader der US-Luftwaffe am Luftwaffenstützpunkt Schriever in Colorado geleitet.

Nach Aussage von Payton wurde die Dauer der Mission wurde noch nicht festgelegt. Das Raumfahrzeug könne bis zu 270 Tage im Orbit bleiben.

Zum Ende des Fluges wird das Haupttriebwerk des Raumfahrzeugs gezündet, um es aus der Umlaufbahn herauszuholen. Das Raumflugzeug wird von einem computergesteuerten Autopiloten gelenkt in die Erdatmosphäre wiedereintreten und eine Hochgeschwindigkeitslandung bei rund 500 km/h durchführen.

"Unsere Wiedereintrittsaktivitäten sind etwas anders als beim Shuttle, weil eine Echtzeitsteuerung durch Piloten nicht in jedem Schritt der Wiedereintrittsvorbereitungen, des Bremsmanövers und dem Wiedereintritt selbst vorhanden ist", erklärte Payton. "Es wird sich ausschließlich auf seinen Autopiloten, seine eigenen Gyroskope, seine GPS-Empfänger, und eventuell auf seinen eigenen Höhenmesser verlassen müssen. Er wird den ganzen Weg während Wiedereintritt und Landung auf sich allein gestellt sein. Und das ist vollständig anders, als die Art und Weise, wie es das Shuttle macht."

Ein zweites Raumflugzeug ist bereits im Bau und soll irgendwann im nächsten Jahr gestartet werden. Die US-Luftwaffe will kein genaues Startdatum festlegen, bis die erste X-37B sicher zurückgekehrt ist.

"Die wichtigste Demonstration findet hier am Boden statt", meinte Payton. "Sobald wir den Vogel zurück haben, werden wir sehen, welchen Aufwand es bedeutet, den Vogel zu überholen und für den nächsten Start bereitzumachen, werden wir lernen, wie der Nutzlastaustausch hier am Boden durchgeführt werden muß, lernen, wie viel diese Überholung wirklich kostet, vor allem mit den ganzen neuen Technologien der X-37 selbst."

Die US-Luftwaffe hofft, daß die Überholungszeiten und Betriebskosten sich als schneller und günstiger erweisen, als bei traditionellen Raumfahrzeugplattformen.

"Es gibt so viel bei den ersten Flügen zu lernen was die Technologien, die wir bei dem Raumfahrzeug eingesetzt haben, anbelangt; wie schnell kann es für den nächsten Flug fertig gemacht werden, und auch über den operationellen Nutzen", meinte David Hamilton, der Direktor der Abteilung für Schnelle Einsatzfähigkeiten der US-Luftwaffe. "Wir haben damit begonnen, Gespräche mit [Verantwortlichen des] Weltraumkommando[s] der Luftwaffe zu führen, um die Möglichkeit für den Übergang in die operationelle Einsatzfähigkeit zu planen, aber das System muß erst seinen Nutzen und seine Kosteneffizienz während des Testprogramms unter Beweis stellen."

Seit mehr als einem Jahrzehnt in der Entwicklung, baut die X-37B auf früheren Entwürfen und Tests der NASA und der Behörde für fortschrittliche Verteidigungsforschungsprojekte (DARPA). Die US-Luftwaffe hatte im Jahr 2006 die Leitung des Programms übernommen.

Die Zukunft des Programms, einschließlich des Potentials für operationelle Einsatzstarts, hängt am Ausgang der Testflüge von 2010 und 2011.

"All das hängt vom Erfolg dieser ersten beiden Vögel ab", meinte Payton. "Können wir die [Betriebs- und Wartungs-]Kosten niedrig halten? Geht die Überholung zwischen zwei Flügen leicht vonstatten?"

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Matthias Pätzold


letzte Änderung am 26. April MMX