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Artikel 4. Juni 2010
Falcon 9 absolviert dramatischen Erstflug
Kommerzielle Trägerrakete erreicht zielgenau geplante Umlaufbahn - Erster Schritt zur Zertifizierung der neuen Trägerrakete für Frachttransporte zur ISS

Start der FALCON

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Oben: Start der neuen FALCON 9 Trägerrakete vom Startkomplex 40 des US- Luftwaffenstützpunktes Cape Canaveral. (Photo: SpaceX)
Trotz fragwürdiger Bedingungen und technischer Schwierigkeiten absolvierte die neue FALCON 9 Trägerrakete am Freitag Abend einen nahezu problemlosen Erstflug und erreichte nach einem dramatischen Countdown und Start präzise die angepeilte Erdumlaufbahn in 248 km Höhe.

Die Mission war der entscheidende Test, nicht nur für SpaceX, sondern auch dafür, ob kommerzielle Firmen in der Lage sind, im Namen der NASA eine führende Rolle in der bemannten Raumfahrt einzunehmen.

US-Präsident Obamas Vorschlag, bemannte Raumfahrtmissionen in die Hand kommerzieller Firmen zu legen, hat Firmen wie Space Exploration Technologies Corp. in's Scheinwerferlicht gerückt. Und Elon Musk, ein Softwaremogul, der zum Raketenbauer wurde, erklärte, daß seine Firma bereit für die Aufgabe sei.

"Ich denke, daß dies sehr für den Obama-Plan spricht", meinte Musk. "Ich denke, daß dies wirklich dabei hilft, seinen Ansatz zu rechtfertigen, und es zeigt, daß selbst eine kleine neue Firma wie SpaceX einen Unterschied machen kann."

SpaceX wurde im Jahr 2002 mit einer Handvoll Mitarbeiter gegründet, die die Weltraumerkundung revolutionieren wollten. Das in Hawthorne, Kalifornien beheimatete Unternehmen beschäftigt heute mehr als 1000 Ingenieure Techniker und andere Mitarbeiter.

Die Falcon 9 zündete um 20:45 Uhr MESZ ihre neun Triebwerke der ersten Stufe und hob von Cape Canaveral ab, um die dünnen Wolken darüber zu durchstoßen und mit ein paar Millionen Newton kerosinbefeuerten Schubs in dem blauen Himmel über der Weltraumküste zu verschwinden.

Der Start erfolgte nahezu gegen Ende des vierstündigen Startfensters. Der Flug verspätete sich vom Nachmittag wegen Problemen mit der Telemetrieverbindung zwischen der Rakete und dem Leitzentrum der US-Luftwaffe.

Dann wurde der Start wegen einer Druckstörung in einer der Erstufentriebwerke in der letzten Sekunde vor der Zündung abgebrochen. Die SpaceX-Ingenieure befanden aber, daß das Problem nicht ernst war und versuchten es 75 Minuten später erneut. Die Merlin-Triebwerke wurden diesmal angewiesen zu zünden und die Rechner gaben die Freigabe für den Start.

Hydraulische Halteklammern wurden vom Sockel der FALCON 9 zurückgezogen und gaben die Rakete für den Flug frei.

"Beim Abheben waren wir ziemlich erleichtert, als sie die Rampe verließ, und alle waren augenscheinlich äußerst angespannt", meinte Musk.

Die gänzlich weiße Rakete erhob sich von der Startrampe 40 und sandte ein lautes Getöse über das Kennedy Raumfahrtzentrum während es eine lange goldgelbe Flamme hinter sich herzog.

DRAGON im

Orbit
Oben: So soll es aussehen, wenn eine DRAGON-Frachtkapsel frei in der Umlaufbahn fliegt. (Abbildung: SpaceX)
Die erste Stufe trieb die Rakete bisauf eine Höhe von 80 km hinauf, bevor sie abgeschaltet wurde und am Rande zum Weltraum von der ungetesteten Oberstufe abgetrennt wurde. Ausgezeichnet durch eine große Niobdüse, die speziell für den Betrieb im All entwickelt worden war, zündete das Merlin-Oberstufentriebwerk und brannte für mehrere Minuten, in denen es die Rakete in die Erdumlaufbahn beförderte.

Nach Angaben von SpaceX sollte das von den sengenden Abgastemperaturen rotglühende Triebwerk fast sieben Minuten lang arbeiten.

Die zweite Stufe rollte stärker als erwartet während des Triebwerksbetriebes und Musk sagte, daß die Ingenieure das Problem untersuchen werden, bevor eine weitere FALCON 9 gestartet werde.

Obwohl die Rollbewegung aus der Sicht der Kameras an Bord dramatisch aussah, tat die Stufe dennoch ihre Arbeit und erreichte eine Erdumlaufbahn, deren Parameter keinen Prozent von den angepeilten Werten abwich, wie die Telemetriedaten von SpaceX zeigten.

"Wir haben unsere FALCON 9 Trägerrakete in die Umlaufbahn gebracht", berichtete Musk ein paar Stunden nach dem Start den Reportern. "Sie erreichte nahezu präzise ihr Ziel, mit rund 99,8% im Perigäum [erdnächster Punkt der Bahn, Anm. des Red.] und 101% im Apogäum [erdfernster Punkt der Bahn]."

Die Trägerrakete hatte eine Umlaufbahn in 248 km Höhe angepeilt, die um 34,5° zum Äquator geneigt ist. Die Nutzlast des Fluges war eine Bodentestversion des Raumfahrzeugs DRAGON, aber die Kapsel blieb wie vorgesehen an der Oberstufe der FALCON 9 angekoppelt.

"Dies war wirklich ein phantastischer Tag, mit Sicherheit einer der großartigsten Tage in meinem Leben", meinte Musk. "Wie viele Leute vielleicht wissen, wären wir schon voll zufrieden gewesen, wenn nur die erste Stufe funktioniert hätte, oder wir nur ein Stück durch die Brennphase der zweiten Stufe gekommen wären. Wie ich schon zuvor sagte, würde es ein großartiger Tag werden, wenn wir in die Umlaufbahn kämen. Und, Gott sei Dank, ist es ein großartiger Tag geworden."

SpaceX hatte den Testflug am Freitag geplant, um sicherzustellen, daß die 15 Stockwerke hohe Rakete funktioniert. Der nächste Flug der FALCON 9 wird die DRAGON-Kapsel des Unternehmens tragen, das Raumfahrzeug, das im nächsten Jahr die Pflichten der amerikanischen Raumfähren bei der Versorgung der Internationalen Raumstation übernehmen soll.

"SpaceX' Erfolg ist ein wichtiger Meilenstein für das kommerzielle Transportwesen und bringt das Unternehmen einen Schritt näher an die Durchführung des Frachtransportdienstes für die Internationale Raumstation heran", erklärte NASA-Chef Charles Bolden in einer Erklärung. "Dieser Start der FALCON 9 gibt uns mehr Zuversicht, daß ein Versorgungsraumfahrzeug zur Verfügung stehen wird, nachdem die Shuttle- Flotte außer Dienst gestellt sein wird."

Die FALCON-Trägerrakete für den ersten Flug des Kommerziellen Orbitaltransportdienst (COTS) ist zu 100% fertiggestellt und liegt auf dem Testgelände des Unternehmens im US-Bundesstaat Texas. Die Endfertigung und das Testen der DRAGON- Frachtkapsel bestimmt den Flugplan für diesen Flug, der noch diesen Sommer erfolgen soll.

Während dieser Mission, die der nächste geplante FALCON-9-Flug sein wird, soll die DRAGON von der Oberstufe der Trägerrakete abgetrennt werden und die Erde dreimal umkreisen. Die DRAGON-Kapsel soll dann ihre eigenen Triebwerke feuern und in die Erdatmosphäre wiedereintreten, um vor der Südküste Kaliforniens in den Pazifik zu stürzen.

Ein weiterer COTS-Demonstrationsflug ist für nächsten Frühling vorgesehen, bei dem die Fähigkeit der DRAGON gezeigt werden soll, sich der Internationalen Raumstation anzunähern, wo sie vom Robotarm der Raumstation gegriffen und an einem der US- Module angeoppelt werden soll.

Orbital Sciences Corp. entwickelt ihre eigene Trägerrakete und Versorgungsraumfahrzeug für die Raumstation, was der NASA zwei unabhängige Anbieter für Frachttransportdienste zur Verfügung stellt. Orbital's TAURUS 2 Trägerrakete und das Raumfahrzeug CYGNUS sollen im Juni 2011 zur Station fliegen.

Wir freuen uns schon auf den Start, der bald kommen soll, wenn wir eine betriebsfähige Version der DRAGON tragen werden und im nächsten Jahr zur Raumstation fliegen werden und hoffentlich auch so bald als möglich Astronauten starten werden", meinte Musk.

Musks Hoffnungen auf den Astronautentransport zur Raumstation sind allerdings immer noch von der Zustimmung des Kongresses abhängig, der noch immer nicht über die Raumfahrtpolitik des Weißen Hauses abgestimmt hat.

Senatorin Kay Bailey Hutchison von den Republikanern aus Texas ließ am Freitag eine Erklärung veröffentlichen, in der sie ihre fortgesetzte Opposition zu den Plänen Obamas bekräftigte, den bemannte Raumtransport in den privaten Sektor zu verlegen.

"Dieser erste erfolgreiche Testflug einer FALCON 9 Trägerrakete von SpaceX ist ein verspätetes Zeichen dafür, daß die Bemühungen, bescheidene kommerzielle Raumfrachtkapazitäten zu entwickeln, erste vielversprechende Ansätze zeigt", schrieb Hutchison in der Presseerklärung. "Obwohl dieser Testflug wichtig war, sollte das Programm zur Demonstration kommerzieller Fracht- und Besatzungstransportkapazitäten, das ich unterstütze, die bewährten NASA-eigenen Fähigkeiten, wichtige Frachten und Menschen in die niedrige Erdumlaufbahn zu bringen, erweitern und nicht ersetzen."

Hutchison meinte auch, daß der Flug nicht demonstriere, daß die kommerziellen Anbieter bereit seien, die Lücke im US-amerikanischen Zugang zum All nach der Außerdienststellung der Shuttles zu schließen.

Musk antwortete kurz nach dem Start direkt auf die Behauptungen von Hutchison.

Ich verstehe nicht, warum sie versucht einer Firma aus Texas zu schaden", meinte Musk. "Wir führen alle Triebwerkstests und Entwicklungen in Texas durch. Wir sind einer der am schnellsten wachsenden Arbeitgeber in Texas. Das ist einfach falsch. Und die Menschen in Texas sollten sich dessen gewahr sein."

SpaceX beschäftigt etwa 100 Arbeiter in der Testeinrichtung nahe Waco in Texas.

Hutchison meinte, daß das Johnson Raumfahrtzentrum in Houston, der Heimat des Missionsleitzentrums, durch den Entwurf des Weißen Hauses unter massiven Stellenkürzungen leiden werde.

Musk meinte dazu, daß US-Senator Bill Nelson aus dem US-Bundesstaat Florida ihn am Freitag Abend angerufen habe, um SpaceX zum erfolgreichen Start zu gratulieren. Nelson ist bislang ein lauwarmer Unterstützer von Teilen der neuen NASA-Politik gewesen.

"SpaceX tritt in eine Elitegruppe von Unternehmen ein, die bereits erfolgreich Startfahrzeuge mit derart großer Kapazität entwickelt haben", erklärte die Abgeordnete Dana Rohrabacher (Rep., Kalifornien). "Aber die Tatsache, daß SpaceX in der Lage war, dieses in so kurzer Zeit mit einem so geringen Budget zu erreichen, stellt einen Paradigmenwechsel in der Raumfahrt dar."

Rohrabacher ist eine der wenigen Republikaner im US-Kongreß, die Präsident Obamas Entscheidung zur NASA enthusiastisch unterstützen.

Der ehrgeizige Testflug mit vier größeren Zielsetzung bezüglich der ersten Stufe, Stufentrennung, zweiter Stufe und Orbitaleinschuß zeigt wie fähig unsere kommerziellen Raumfahrtanbieter sin", erklärte Rohrabacher in einer Stellungnahme. "Die Tatsache, daß das FALCON-9-System den ersten [Start-]Versuch abgebrochen hat, und SpaceX in der Lage war, innerhalb von zwei Stunden einen neuen Versuch durchzuführen, zeigt, daß die Industrie in der Lage ist, die Führung bei unseren routinemäßigen orbitalen Raumfahrtmissionen zu übernehmen."

SpaceX behauptet, daß die FALCON 9 und die DRAGON, die bereits so entwickelt wurden, daß sie die veröffentlichten Anforderungen für bemannte Raumflüge erfüllen, so modifiziert werden könnten, daß sie innerhalb von drei Jahren nach Abschluß eines entsprechenden Vertrages, Besatzungen zur Internationalen Raumstation bringen könnten.

Nach Angaben von SpaceX sollte es so einfach sein, daß nur ein Startfluchtsystem zur Sicherheit der Astronauten hinzugefügt, sowie Sitze und Steuereinrichtungen hinzugefügt werden müßten.

Aber führende NASA-Verantwortliche sind nicht so optimistisch und meinen, daß sie nicht erwarteten, daß ein kommerzielles System für Astronautenflüge vor 2015 betriebsbereit sei.

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Matthias Pätzold


letzte Änderung am 6. Juni MMX