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Artikel 22. September 2003
Auf Wiedersehen, GALILEO!
Jupitersonde stürzt in die Atmosphäre des Riesenplaneten - großartige wissenschaftliche Ergebnisse trotz Handicaps erzielt

GALILEO verglüht in der Jupiteratmosphäre
Oben: Eine künstlerische Darstellung des Endes von GALILEO. Die Raumsonde verglüht in den dichteren Schichten der Jupiteratmosphäre. (Abbildung: David Hardy)
Eine der beständigsten und aufregendsten Episoden der Planetenerkundung hat am Sonntag ein abruptes Ende gefunden, als die Raumsonde GALILEO in die Atmosphäre des Riesenplaneten Jupiter stürzte.

Da ihr Treibstoffvorrat nahezu aufgebraucht war, war die Sonde absichtlich auf Kollisionskurs mit Jupiter gebracht worden, um zu verhindern, daß die Sonde in der Zukunft womöglich auf dem Mond Europa abstürzen könnte und dabei den Eismond biologisch kontaminieren könnte. Man vermutet, daß sich unter der Eisoberfläche ein Ozean mit möglichem Leben befindet.

Am Ende ihres 35. und letzten Umlaufes durch das unwirtliche Jupitersystem wurde die angeschlagene Sonde GALILEO zuerst zermalmt, schmolz dann und schließlich verteilten sich die einzelnen Teilchen in der alles umschließenden Atmosphäre des Planeten. GALILEOs Leben endete beim Einschlag auf dem Gasgiganten in der Dunkelheit knapp südlich des Äquators gegen 20:57 Uhr MESZ (auf der Raumsonde), bei einer Geschwindigkeit von rund 48,26 km/s (etwa 173.700 km/h).

Während der 14 Jahren ihrer Mission vom Start bis zum Ende hatte die Sonde insgesamt 4.631.778.000 km zurückgelegt.

Dennoch hinterläßt der erste von Menschenhand gebaute Jupitersatellit ein reiches Erbe. Abgesehen von den wenigen Stunden an Daten, die kurz vor dem dramatischen Hochgeschwindigkeitsabstieg auf den Planeten zur Erde gesendet wurden, hinterläßt GALILEO eine Schatztruhe voll an wissenschaftlichen Daten die unsere Vorstellungen über den König der Planeten, sein Gefolge aus Monden, seine dunklen Staubringe und seine von Strahlung durchsetzte Umgebung revolutioniert hat.

"Wir habenwirklich verrückte Sachen gelernt. Diese Mission war ihr Gewicht in Gold wert", erklärte Dr. Claudia Alexander, die siebte und letzte GALILEO-Projektleiterin. Und Projektwissenschaftler Torrance Johnson fügt hinzu: "Wir haben nicht ein Raumfahrzeug verloren, sondern ein Sprungbrett in die Zukunft der Weltraumerkundung bekommen."

Start von STS-34 mit GALILEO
Oben: Der Start der Mission STS-34, deren Aufgabe das Aussetzen der Raumsonde GALILEO war. (Photo: NASA/KSC)
Triumph über das Mißgeschick

Nachdem GALILEO schließlich am 18. Oktober 1989 gestartet worden war, beschränkte die Unmöglichkeit, die große, regenschirmförmige Hauptantenne zu entfalten, die versprochene Flut an Bildern auf ein Rinnsal. Dann drohte eine weitere Katastrophe, als der Bordrekorder nur acht Wochen vor der Ankunft am Jupiter feststeckte. Glücklicherweise erwies sich dieser technische Defekt als nur zeitlich begrenzt, wenn auch durch diese Fehlfunktion die gelegenheit, Io aus nächster Nähe aufzunehmen, verpaßt wurde.

Am 7. Dezember schließlich bremste GALILEO sich in eine Umlaufbahn um den Riesenplaneten und trotz der fortgesetzt drohenden technischen Ausfälle hat sie eine der produktivsten Missionen in der Geschichte der Erkundung des Sonnensystems abgeschlossen.

Jupitermond Europa
Oben: Diese Aufnahmen hat GALILEO vom Mond Europa angefertigt. Unter der Eiskruste wird ein Salzwasserozean vermutet, der möglicherweise Leben beherbergen könnte. (Abbildung: NASA/JPL)
Eine Mondmenagerie Die zwei Jahre dauernde Primärmission begann mit der Beobachtung der zwei äußeren galileischen Monde, des Gasgiganten und seiner unwirtlichen Umgebung. Nachdem sie in eine hohe elliptische Bahn mit einer Umlaufzeit von 198 Tagen um den Jupiter eingeschossen worden war flog Galileo schließlich am 27. Juni 1996 zum ersten Mal an einem der Jupitermonde, Ganymed, in einer Entfernung von nur 835 km vorbei; 70 mal näher als die beiden VOYAGER-Sonden.

Zur Überraschung aller offenbarten die Instrumente der Sonde, daß der größte Mond im Sonnensystem ein Magnetfeld besitzt. Nahaufnahmen zeigten, steil aufragende Eisberge und -bergrücken, die aussahen, als ob eine Riesenharke durch die Oberfläche gezogen worden wäre, während große Brüche sich über die uralten Ebenen schlängelten.

Als nächstes wurde der von Kratern übersäte Kallisto erkundet, eine Welt, die sich in den vergangenen Milliarden Jahren nur wenig verändert zu haben schien. Eine Decke aus dunklem Material schien die Falten und kleineren Einschlagspuren geglättet zu haben, während die Ränder größerer Krater abgerutscht waren, um einen hellen Eisboden freizulegen.

In der Folge wechselte die Aufmerksamkeit zum Eismond Europa, als die CCD-Kamera die detailreichsten Bilder, die jemals von den seltsamen geschwungenen Bändern und Eisbergen, die in seine Oberfläche hineingeschnitten zu sein schienen, zur Verfügung stellte.

"In einigen Gebieten ist das Eis in große Stücke zerbrochen, die voneinander weggedriftet sind, aber offensichtlich wie die Teile eines Puzzlespiels zusammenpassen", meinte Ron Greenley, ein Wissenschaftler, der mit der GALILEO-Kamera arbeitete. "Dies zeigt, daß die Eiskruste von unten durch warmes Eis oder sogar flüssiges Wasser geschmiert wurde oder immer noch wird."

Nachdem die Primärmission GALILEOs im Dezember 1997 beendet war, wurde dem Raumfahrzeug eine zweijährige Verlängerung gewährt, die als GALILEO-Europa-Mission (GEM) bezeichnet wurde, da ihre Hauptaufgabe war, tiefer in die Geheimnisse der mysteriösen Eiswelt vorzudringen.

Weitere Vorbeiflüge überzeugten die meisten Wissenschaftler, daß der kleinste der galileischen Monde einen unter der Oberfläche liegenden Salzwasserozean aufweist, der möglicherweise außerirdische Lebensformen beheimatet. Beinahe ebenso überraschend war dann die Entdeckung, daß ähnliche Salzwasserozeane auch unter den Oberflächen von Ganymed und Kallisto versteckt liegen könnten.

GALILEO am Mond Io
Oben: GALILEOs Vorbeiflug am Vulkanmond Io. (Abbildung: David A. Hardy)
Feuerwelt

GALILEOs erste Farbaufnahme von Io wurde am 25. Juni 1996 aus einer Entfernung von 2,2 Millionen Kilometern gewonnen. Nachfolgende Fernbeobachtungen bestätigten, daß größere Veränderungen auf dem Vulkanmond stattgefunden haben mußten, seit die Voyagersonden 17 Jahre zuvor das Jupitersystem passiert hatten. Deutlich sichtbar waren vulkanische Rauchwolken, die von gewaltigen Eruptionen herausgeschleudert wurden und sich ständig verändernde Muster von farbreichen Schwefelablagerungen um die größeren Aktivitätszentren herum.

Es dauerte dennoch bis Oktober 1999, bis die Wissenschaftler bereit waren, das Risiko einzugehen, das Raumfahrzeug der intensiven Strahlung in der Umgebung von Io auszusetzen. Hochauflösende Photos (5 bis 500 m pro Pixel) boten spektakuläre Anblicke von Lava in den vielfältigsten Formen: Seen, Ströme, Fontänen und Vorhängen. Die Temperatur des geschmolzenen Gesteins erreichte glühend heiße 1.700 °C, die heißste Lava, die im gesamten Sonnensystem bislang beobachtet wurde.

GALILEO hat auch große Berge (einige mehr als doppelt so hoch wie der Everest), Hochebenen und eingestürzte Ringgebirge aufgenommen, weitere Hinweise auf die tektonisch aktive Kruste Ios.

Gigantischer Jupiter
Obwohl die meiste Aufmerksamkeit auf die Menagerie der Monde gerichtet war, wurde auch der turbulente Jupiter genauestens untersucht. Aufnahmen des großen roten Flecks zeigten eine deutlich vorhandene innere Struktur und eine zylinderhutartige Form, in der die zentrale Region 3 - 7 km über die dichten, umgebenden Wolken aufstieg. Zahllose Amboßwolken, bis zu 50 km hoch, konnten direkt nördlich des Flecks beobachtet werden.

Der große rote Fleck
Oben: Eine Aufnahme des großen roten Flecks des Jupiters. Es handelt sich dabei um einen gigantischen Wirbelsturm. (Abbildung: NASA/JPL)
GALILEOs Infrarotspektrometer war auch in der Lage, trockene heiße Stellen auszumachen, wo tieferliegende Atmosphärenschichten durch die dort ausgedünnte Hauptwolkendecke hindurchschienen.

Andere interessante Ziele waren die Polarlichter des Io und des Jupiters, der Io-Torus (eine donutförmige Wolke aus geladenen Teilchen, die dessen Umlaufbahn umgibt), die dunklen Staubringe, einige der kleineren Monde und die riesige Magnetosphäre.

Gegen Ende seiner Marathonmission nahm GALILEO an einem einzigartigen Experiment teil, mit dem die Umgebung des Jupiters erkundet werden sollte. Die Forscher nahmen die Gelegenheit wahr, die der Vorbeiflug der Raumsonde CASSINI, die sich auf dem Weg zum Saturn befindet, bot, um eine gemeinsame Beobachtungskampagne durchzuführen, mit der die Magnetosphäre und ihre Wechselwirkung mit dem Sonnenwind untersucht werden sollte. Die Ergebnisse brachten neue Einblicke in diese komplexe Blase aus geladenen Teilchen, die den Riesenplaneten umgibt.

Amaltheavorbeiflug
Oben: Zum Abschluß seiner großen Tour durch das Jupitersystem ist GALILEO am innersten Mond Amalthea vorbeigeflogen. (Abbildung: Michael Carroll)
Großes Finale

Die Endphase von GALILEOs epischer Reise began am 5. November 2002, als der Orbiter am Mond Amalthea vorbei und durch einen Teil des Spinnfadenrings flog, bevor er seinen 35. und letzten Umlauf um den Planeten begann.

Während dieser Abschiedsschleife durch das Jupitersystem, reiste GALILEO zu einem Punkt mehr als 26 Millionen Kilometer vom Planeten entfernt, so weit, wie sie in den letzten acht Jahren nicht mehr entfernt gewesen war. Dann begann sie den Rücksturz und beschleunigte ihrem Schicksal entgegen.

Trotz eines verspäteten Starts und mehreren potenziell verheerenden Hindernissen auf dem Weg hat sich GALILEO als eine der erfolgreichsten Planetenmissionen erwiesen, die jemals geflogen sind, nicht nur bezogen auf die lange Dauer der Mission, sondern auch wegen der Myriaden wissenschaftlicher Entdeckungen, die neues Licht auf das bemerkenswert komplizierte Jupitersystem geworfen haben.

Beim Flug durch die monumentale Magnetosphäre des Jupiters und der Gürtel aus gefangenen energetischen Partikeln hat der Orbiter mehr als das Vierfache dessen an Strahlung aufgenommen, für das auszuhalten er ursprünglich ausgelegt worden war. Trotz dieses ständigen Bombardements ist die Raumsonde acht Jahre lang in der Nähe des Jupiters im Betrieb geblieben und hat 34 Vorbeiflüge an Jupiter und seinen Monden absolviert.

"Es ist eine erstaunliche Mission gewesen, ein Tribut an die Fähigkeit des Bodenteams, alle Hindernisse zu überwinden und großartige Ergebnisse zu erzielen", meinte die frühere GALILEO-Projektleiterin Eilene Theilig als Fazit.

Quelle: Spaceflight Now


letzte Änderung am 27. September MMIII