Zurück zur Startseite
Artikel 22. Februar 2001
Wer wird der nächste Weltraumtourist?
Streit um Sitzplatz in November-Sojus - polnischer Geschäftsmann und N'SYNC-Bandmitglied Kandidaten für Taxi-Flug

Im letzten April wurde die Welt von der Nachricht überrascht, daß der kalifornische Geschäftsmann Dennis Tito sich einen Sitz im ersten Sojus-Taxiflug zur internationalen Raumstation erkauft hatte. Tito war damit der erste Mensch im Weltall, der nicht Angehöriger einer Weltraumorganisation, sondern ein echter Urlauber, ein Weltraumtourist, war.
Dennis Tito auf der

ISS
Oben: Der erste Weltraumtourist Dennis Tito bei seinem Besuch der internationalen Raumstation. (Photo: CNN)

Obwohl die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA diesem Flug sehr negativ gegenüberstand, Tito sowohl die Teilnahme am Stationstraining in Houston, ebenso wie das Beschweben des amerikanischen Teils der Station ohne daß ein amerikanischer Astronaut ihn begleitete, verweigerte, hatte der Flug eine Lawine losgetreten. Inzwischen stehen die Anwärter für zukünftige Flüge Schlange, obwohl die Kosten für den Sitzplatz astronomische Größenordnungen haben. Offiziell nie bestätigt soll Tito der russischen Raumfahrtbehörde etwa 22 Millionen Euro für seinen Flug überwiesen haben.

Der zweite Weltraumtourist, der südafrikanische Internetmogul Mark Shuttleworth, der in diesem April mit der Sojus TM-34 zur ISS fliegen wird, hält sich zwar auch über die tatsächlich gezahlte Summe bedeckt, es wurde aber bereits bestätigt, daß der Betrag in der gleichen Größenordnung, wie bei Tito liege.
Mark

Shuttleworth
Oben: Der Südafrikaner Mark Shuttleworth fliegt im April als zweiter Weltraumtourist zur internationalen Raumstation. (Photo: Space.com)

Die Raumfahrzeuge der Sojus-TM Klasse werden bei der ISS als Rettungsboote genutzt, mit denen die Stationsbesatzungen im Falle eines akuten Notfalls die Station verlassen und zur Erde zurückkehren können. Die Lebensdauer dieser Fahrzeuge beträgt aber aus betriebsstofftechnischen Gründen nur ein gutes halbes Jahr, weshalb es notwendig ist, das angedockte Gefährt alle sechs Monate auszutauschen. Dies geschieht mit den sogannten "Taxi-Flügen", für die zur Durchführung für gewöhnlich nur ein Pilot und ein Flugingenieur notwendig sind. Da die Sojus' aber Dreisitzer sind, ist auf so einem Flug also noch ein Platz frei, der zu besetzen ist, und diesen Platz möchte die unter großer Finanznot leidende russische Raumfahrt möglichst gewinnbringend einsetzen. Da kamen die die Tito-Millionen bereits sehr gelegen.
Sojus TM-33 auf der ISS
Oben: Die Besatzung der Sojus TM-33 zusammen mit der Expedition 3 besatzung auf der ISS. Vorne in der Mitte die Französin Claudie Haigneré. (Photo: NASA TV)

Nach dem Streit mit der NASA wegen des Tito-Fluges, hatte man, um die Amerikaner nicht noch mehr zu verärgern, zunächst eine professionelle französische Astronautin, Claudie Haigneré, zur Station mitgenommen, die dort eine Woche lang im Auftrag von ESA und der französischen Weltraumagentur CNES Forschung betrieben hatte. Doch das Thema "Amateurraumfahrer" oder "Weltraumtourist" war nicht vom Tisch. In der Zwischenzeit hatte man sich mit der NASA geeinigt und so stand dem Verkauf weiterer Sitzplätze nichts mehr im Wege. Daß man dabei sogar zwei Plätze verkaufen kann, zeigt der nächste Flug im April, bei dem neben Mark Shuttleworth auch ein europäischer Astronaut, der Italiener Roberto Vittori, mitfliegt, der ausgebildet ist, um den Part des Sojus-Flugingenieurs zu übernehmen.

Doch jetzt läuft der Streit, wer Anfang November zur ersten Mission des neuen Sojus TMA Raumfahrzeugs, einer aufgewerteten Version des bewährten Personentransporters mit verlängerter Lebensdauer, auf Platz Nummer 3 sitzen soll. Inzwischen haben sich Agenturen gebildet, die sich als Vermittler zur russischen Raumfahrtbehörde Rosaviacosmos anbieten, wie die amerikanische Firma "Space Adventures" aus Arlington, Virginia, oder die in den Niederlanden beheimatete "MirCorp", die die Raumstation auch anderweitig kommerziell nutzen möchte und gar Pläne für eine kleine, kommerziell betriebene Raumstation hat.
Leszek Czarnecki
Oben: Der polnische Geschäftsmann Leszek Czarnecki - bald der dritte Weltraumtourist auf der ISS? (Photo: Space Adventures)

Wie jetzt durchgesickert ist, propagiert Space Adventures den etwa vierzigjährigen polnischen Multimillionär und Präsident für Leasing und Versicherung bei der Credit Agricole Polen Leszek Czarnecki für den November-Flug. Czarnezki ist bereit, praktisch sofort einen zweiwöchigen Aufenthalt im Sternenstädtchen nahe Moskau für medizinische Untersuchungen und Training zu beginnen. Da er fließend russisch spricht, eine Fluglizenz besitzt und ein erfahrener Taucher ist, der eine sehr gute Gesundheit aufweist, ist ernach Meinung von Eric Anderson, dem Präsidenten von Space Adventures, der ideale Kandidat für den Flug, nicht zuletzt deshalb, weil er auch über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt.

Czarnecki selbst ist noch nicht bereit, sich auf einen bestimmten Flug festzulegen, solange er die erste Runde an medizinischen Tests noch nicht absolviert hat. Diese Dinge wolle man nach den ersten zwei Wochen besprechen und dann entscheiden, ob und wann er fliegen wolle.

Aber noch ein weiterer Name steht auf der Liste der möglichen Taxi-Flieger. Nur einen Tag, bevor Space Adventures Czarnecki als möglichen Kandidaten benannt hat, hatte MirCorp das Mitglied der populären Band N'SYNC, den dreiundzwanzigjährigen Lance Bass, als ihren Kandidaten für den Flug benannt. Aber aufgrund der Bereitschaft Czerneckis, Space Adventures $200.000 für einen ersten Aufenthalt im Trainingscamp zu bezahlen, scheint dieser der wahrscheinlichere Fluggast zu sein, auch wenn weder Rosaviacosmos noch die NASA offiziell wegen Bass oder Czarnecki angesprochen wurden.

Von Seiten der russischen Raumfahrtbehörde ließ deren Chef Jurij Koptow verlauten, daß ein dritter Platz frei sei, und es nur eines unterschriebenen Vertrages bedürfe, um ihn zu füllen. Dabei werde man aber nicht nach der Devise "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" vorgehen, sondern die möglichen Kandidaten nach ihrer Eignung, technischem Verständnis, Sprachfertigkeiten und der Zahlungsfähigkeit aussuchen.

Sowohl MirCorp als auch Space Adventures erklärten, daß Bass und Czarnecki nicht die einzigen Kandidaten wären, sondern daß in beiden Firmen noch andere Anwärter zur Diskussion stünden, über die aber noch nicht öffentlich verlautbart werde.


 
Quelle: Space.com


letzte Änderung am 24. Februar 2001