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Artikel 25. April 2002
Muß im Herbst die ISS unbemannt zurückgelassen werden?
Finanzielle Probleme Rußlands stellen die Versorgung mit PROGRESS-Transportern nicht mehr sicher - vorübergehende Aufgabe der Station befürchtet

Rußlands finanzielle Probleme könnten die NASA und ihre internationalen Partner zwingen, schon diesen Herbst die ständige besatzung von der internationalen Raumstation abzuziehen, wie ein russischer Raumfahrtfunktionär verlauten ließ.

Jurij Grigoriew, stellvertretender leitender Konstrukteur bei RKK Energija, einer der führenden Firmen im ISS Projekt, sagte, daß das Defizit an staatlichen Geldern, die notwendig sind, um die lebensnotwendigen Versorgungstransporter zu bauen, dazu führen kann, daß die Station im November bereits vorübergehend aufgegeben werden muß.
PROGRESS
Oben: Ein PROGRESS Versorgungsfrachter nähert sich der Raumstation und ist kurz davor, am hinteren Andockport des SWESDA-Moduls anzulegen. (Photo: Space.com)

RKK Energija stellt die PROGRESS-Frachtraumfahrzeuge her, die Versogungsgüter, wie Treibstoff, Wasser und Lebensmittel zur Station liefern. Wie auch immer, durch die fehlenden Geldmittel wurde die Gesellschaft gezwungen, die Fertigstellung mehrerer Versorgungsfahrzeuge, die bei den in 2003 anstehenden Flügen eingesetzt werden sollen, zu verzögern. Ein PROGRESS kostet zwischen 20 nd 50 Millionen Dollar, je nach dem gegenwärtigen Zustand der russischen Wirtschaft.

Zur Zeit befinden sich in Rußland mehrere PROGRESS-Transporter in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung, die aber nicht weitergebaut werden können, da das Geld fehlt um benötigte Gerätschaften und Bauteile von den Zulieferern zu erstehen. Für dieses Jahr hat RKK Energija bereits die Anzahl der Versorgungsflüge zur Station von ursprünglich sechs auf drei reduziert.

"Wenn wir nicht innerhalb der nächsten Monate Geld bekommen, werden wir nicht in der Lage sein, den PROGRESS, der unbedingt im Januar starten muß, ebenso wie eine Reihe von Raumfahrzeugen für spätere Missionen fertigzustellen," bemängelt Grigoriew. "Wir reden hier über Millionen von Dollar."

Gemäß der Aussage von Grigoriew, deckt die russische Regierung gerade ein Viertel bis ein Drittel der Kosten für die Versorgung einer ständig besetzten ISS ab. Aber als Folge der Geldnöte mußten die russischen Raumfahrtfunktionäre Ausweichpläne aus der Schublade holen, um die Langzeitbesatzung der ISS von der Station zu evakuieren. Diese Pläne waren in Übereinstimmung mit allen Partnern an der ISS aufgestellt worden, einschließlich der Spitzenfunktionäre der NASA. Eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der Station wird spätestens im Juli getroffen werden müssen, wie Grigoriew erklärte.

Wenn keine zusätzlichen Geldmittel aufgetrieben werden können, wird die vorläufig letzte permanente Besatzung die Station im November 2002 verlassen müssen. Grigoriew meinte, daß die Besatzung dann entweder das Sojus-Rückkehrfahrzeug, oder den zuvor dafür geplanten Shuttle wird nehmen müssen. Grigoriew meinte aber, daß die Station auch weiterhin in der Lage sein werde, besuchende Besatzungen zu beherbergen, die sowohl mit dem Shuttle oder mit einer Sojus zur ISS fliegen, aber wenn diese nicht durch die amerikanische Raumfähre versorgt würden, hätten sie kaum Vorräte für länger als sieben oder zehn Tage an Bord. Die Verfügbarkeit der PROGRESS-Versorger ist ein problematischer Punkt während der ganzen Lebensdauer der Station und sowohl die NASA, als auch sie übrigen Vertragspartner haben kostenaufwendige Eventualpläne, sollten die Frachter nicht mehr zur Verfügung stehen.

Die ISS, entworfen als ein ständiger menschlicher Außenposten im All, ist seit November 2000 ununterbrochen besetzt. Im August 1999 hatten bereits ähnliche finanzielle Probleme Rußland zur Aufgabe der Raumstation MIR gezwungen, die seit 1989 ständig besetzt war. Grigoriew meint, daß der unbemannte Betrieb der Station einige Herausforderungen bedeuten würde, aber nicht völlig unmöglich sei. "Die Station ist in hervorragendem Zustand und ist in der Lage, alle möglichen Eventualitäten zu überstehen."

In der Vergangenheit hatte es bereits Fehlfunktionen der Flugsteuerungssysteme gegeben, die von der Besatzung behoben werden konnten. Ohne diese würden solche Probleme schwerer in den Griff zu bekommen sein, aber man glaube nicht, daß man einer Situation ähnlich der, die man mit Saljut 7 hatte, begegnen wird müssen.

1985 hatte es an Bord der sowjetischen Raumstation Saljut 7 während ihres unbemannten Fluges eine Fehlfunktion gegeben, die sie führungslos und eingefroren im Orbit treiben ließ. Eine speziell ausgebildete Rettungsmannschaft war schließlich in der Lage, am toten Außenposten anzulegen und ihn wieder zum Leben zu erwecken.

Quelle: Space.com


letzte Änderung am 29. April MMII