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Bericht 26. April 2003
"Hausmeisterbesatzung" startet mit Sojus TMA-2 zur ISS
Ablösung für Expedition 6 - Besatzungsstärke auf zwei Personen reduziert - Expedition 7 legt übermorgen an der Station an

Der russische Kommandant Jurij Malentschenko und der NASA Flugingenieur Edward Lu sind am frühen Samstagmorgen in die Umlaufbahn gestartet, der Beginn eines sechsmonatigen Aufenthaltes um quasi als "Hausmeister" den Betrieb der internationalen Raumstation solange aufrechtzuhalten, bis die NASA ihre Schwierigkeiten in Zusammenhang mit dem Verlust der Raumfähre COLUMBIA am 1. Februar dieses Jahres überwunden hat.

Start von Sojus TMA-2
Oben: Sojus TMA-2 unmittelbar nach dem Abheben vom Kosmodrom Baikonur. (Photo: RSC Energija)
Sollte das Space Shuttle im Oktober noch nicht bereit sein, den Flugbetrieb wieder aufzunehmen (und danach sieht es im Augenblich noch nicht aus), wird eine weitere zweiköpfige Hausmeisterbesatzung an Bord der nächsten Sojus TMA gestartet werden, um die permanente bemannte Präsenz auf der Station fortzusetzen.

Malentschenko und Lu, beides Weltraumveteranen, die bereits auf einer vorangegangen Shuttlemission im Jahr 2000 zusammen geflogen waren, hoben um genau 5:53:51 Uhr MESZ von der Startrampe 254 des Kosmodroms Baikonur in Kasachstan ab. Nur Minuten nach Erreichen der Umlaufbahn wurden die Solarzellenflächen und Antennen der Sojus TMA-2 ausgefahren und die russischen Flugleittechniker bestätigten, daß alle Systeme an Bord einwandfrei funktionierten.

Zum Zeitpunkt des Starts befand sich die Raumstation gerade hoch über dem Pazifischen Ozean westlich von Südamerika. Wenn alles glatt verläuft, werden Lu und Malentschenko am Montagmorgen um 7:56 Uhr MESZ nach einer zweitägigen Aufholjagd am zur Erde gerichteten Andockport des russischen Moduls SARJA des Laborkomplexes anlegen.

Dort werden dann Expedition 6 Kommandant Ken Bowersox, Flugingenieur Nikolai Budarin und NASA ISS-Wissenschaftsoffizier Donald Pettit, die vor dem Ende ihrer 161-tägigen Mission stehen, bereitstehen, um die zwei auf der Raumstation willkommen zu heißen.

Die Expedition 6 Besatzung war am 23. November mit der Raumfähre ENDEAVOUR zur Raumstation gestartet. Ursprünglich war geplant, daß sie im März mit der Raumfähre ATLANTIS zur Erde zurückkehren sollten, aber die Flotte wurde durch das COLUMBIA-Unglück auf den Boden verbannt und die Mission der Raumfahrer wurde verlängert.

Die Leiter der NASA und ihre KOllegen von der russischen Raumfahrtbehörde zogen eine Reihe von Optionen in Betracht, um die Station auch ohne Shuttleflüge bemannt zu halten, aber am Ende gab es nur einen durchführbaren Plan. Ohne die Vorräte und vor allem das Frischwasser, das durch die regelmäßigen Besuche der Raumfähren aufgefüllt wird, konnte die Station einfach nur zwei Besatzungsmitglieder unterstützen.

Mit nur zwei Mann an Bord werden die wissenschaftlichen Tätigkeiten an Bord eingeschränkt sein und ohne die Besuche von Raumfähren wird der weitere Ausbau der ISS stillstehen. Aber für all die Menschen auf der ganzen Welt, die trotz technischer Probleme und engem Finanzrahmen sich angestrengt haben, die Station in Betrieb zu halten, sind zwei Mann besser als gar keine Besatzung.

Malentschenko und Lu
Oben: Kommandant Jurij Malentschenko und Flugingenieur/Wissenschaftsoffizier Edward Lu, die heute Morgen mit der Sojus gestartet sind. (Photo: NASA/Bill Ingalls)
"Ich denke, es ist ziemlich wichtig, die Station bemannt zu halten," erklärte Lu. "Es ist vor allem eine große psychologische Sache dabei, damit fortzufahren. Es ist immer schwerer mit etwas neu anzufangen, nachdem man abgebrochen hat, als einfach weiterzumachen. Und ich denke, das gilt auch im technischen Bereich, denn wenn man erst einmal eine Anlage heruntergefahren hat, ist es viel viel schwerer, sie wieder in Betrieb zu nehmen, als sie einfach weiterlaufen zu lassen. Unsere Arbeit da oben ist es, die Anlage am Laufen zu halten, bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir den Aufbau abschließen können."

Bis zu dem heutigen Tag war die Station für 905 Tage kontinuierlich bemannt gewesen, angefangen am 2. November 2000. Lu meint, daß sein Flug und die Bemühungen, die Station bemannt zu halten, sind in einem gewissen Sinne ein Tribut an die verunglückte Besatzung der Raumfähre COLUMBIA.

"Sie haben ihre Mission nie wirklich beenden können," sagte er vor seinem Start von Baikonur. "Sie haben ihre Mission durchgeführt, aber nie beendet. Wir tun nun das, von dem ich glaube, was sie und ihre Familien gewollt hätten, nämlich den die Flüge in's All fortzusetzen ... Ich werde während des Fluges an sie denken."

Am Tag des COLUMBIA-Unglückes hatten sich Malentschenko, Lu und der Flugingenieur Alexander Kaleri auf ihren Start mit der Raumfähre ATLANTIS vorbereitet, um Bowersox und seine Kollegen als die dreiköpfige Expedition 7 Besatzung zu ersetzen. Nach ausgedehnten Gesprächen zwischen der NASA, den Russen und den anderen Partnern an dem internationalen Projekt, wurden Malentschenko und Lu als Expedition 7 Besatzung benannt, die mit dem Sojus Raumfahrzeug, das bereits für eine "Taxi"-Mission zum Start heute vorgesehen war.

Obwohl die nächste Hausmeisterbesatzung noch nicht offiziell benannt worden ist, glauben bereits viele, daß sie aus der Expedition 7 Ersatzmannschaft, Kaleri und NASA Astronaut Michael Foale, bestehen wird. Der Start für diese Mission ist für den 18. Oktober vorgesehen.

Eine dreisitzige Sojus ist immer an der Station angekoppelt, um der Besatzung eine Möglichkeit zur Verfügung zu stellen, die ISS bei einem Notfall verlassen und zur Erde zurückkehren zu können. Diese Rettungsboote sind für eine Dauer von sechs Monaten im All freigegeben und werden regelmäßig von speziellen Taxi-Besatzungen heraufgeflogen, die dann mit der alten Kapsel wieder zurückkehren. Der russische Kommandant Gennadi Padalka und der europäische Wissenschaftsastronaut Pedro Duque waren bereits im Training für diese Mission, als sich das COLUMBIA-Unglück ereignete, als dessen Folge sie durch Malentschenko und Lu ersetzt wurden.

Sojus TMA-1
Oben: Das russische Raumfahrzeug Sojus TMA-1, das zur zeit am Andockmodul PIRS der ISS angekoppelt ist, wird die Expedition 6 Besatzung am 4. Mai zur Erde zurückbringen. (Photo: NASA)
Wegen der begrenzten Vorräte werden Malentschenko und Lu gezwungen sein, diese zu schonen wo immer dies möglich ist, sogar ihre Kleidung länger zu tragen, bevor sie frische anziehen.

"Es ist wohl alles Teil des Spiels, nehmi ich mal an," meinte Lu Anfang der Woche. "Niemand hat mir jemals versprochen, daß diese Erfahrung dem Leben in einem Luxushotel entsprechen wird. Das wäre nicht einmal die ursprüngliche Mission gewesen. ... Wir werden nur um so mehr sparsamer mit den Dingen umgehen müssen, was die Sache nur noch interessanter machen wird, weil wir jetzt nicht mehr den Luxus haben, daß das Shuttle heraufkommt und uns zusätzliche Dinge mitbringt, oder ein PROGRESS mit Ersatzteilen, wenn 'was kaputt geht.

Also werden wir wohl improvisieren müssen, mit der Hilfe der Leute am Boden, viel mehr als die anderen Besatzungen vor uns. Und ich denke, das ist eine viel größere Herausforderung. Und so wird am Ende unsere ganze Mission eine viel größere Herausforderung sein, als unsere ursprüngliche Mission."

An persönlichen Dingen durften Lu und Malentschenko nur eine Handvoll kleinerer Gegenstände mitnehmen.

"Ich werde nicht in der Lage sein, sehr viele persönliche Dinge mit hoch zu nehmen," sagte Lu. "Aber es gibt eine Menge anderer Sachen für das leibliche Wohl an Bord, die andere mitgebracht und da oben zurückgelassen haben. Bücher, einige Filme, Videobänder, Musik-CDs und solche Sachen. Als werde ich mir anhören, was sich die anderen vor mir angehört haben, oder aus dem Fenster schauen. Aber wir werden uns wohl schon nicht langweilen."

Bowersox, Budarin und Pettit haben eine Woche, um fertig zu packen und ihre Ablösung in die täglichen Arbeitsabläufe und den Betrieb der Station einzuweisen. Nach einer kurzen Kommandoübergabezeremonie wird dann die Expedition 6 Besatzung von der ISS ablegen und am 4. Mai mit dem zur Zeit am Andockmodul PIRS der Station angekoppelten Sojus TMA-1 Raumfahrzeug zur Erde zurückkehren.

Expedition 6 Besatzung
Oben: Die Expedition 6 Besatzung Nikolai Budarin, Ken Bowersox und vorne Donald Pettit in den russischen Sokol-Fluganzügen, in denen sie am 4. Mai an Bord von Sojus TMA-1 zur Erde zurückkehren werden. (Photo: NASA)
Obgleich sie ursprünglich erwartet hatten, mit einer Raumfähre zu landen, haben alle Mitglieder der Expedition 6 ein intensives Training für die Sojuskapsel vor dem Start absolviert. Seitdem haben sie Auffrischungskurse bekommen und Bowersox meinte, sie seien gut für den Wiedereintritt und die Landung in Kasachstan vorbereitet.

Sie werden dann zum Gagarin Kosmonautenausbildungszentrum im Sternenstädchen in Rußland gebracht werden, um dort ausgedehnte medizinische Untersuchungen über sich ergehen zu lassen und um ihre Freunde und Verwandte wiederzusehen.

In einem früheren Interview hatte Pettit gemeint, daß Malentschenko und Lu "ziemlich beschäftigt sein werden, nur die Systeme der Raumstation zu warten."

"Dennoch dürften sie noch Zeit haben, um in einem gewissen Umfang Forschung zu betreiben und schon allein dadurch, daß man Menschen hat, die dort leben, kann man auch immer Forschung am eigenen Körper betreiben und die Effekte von Langzeitschwerelosigkeit auf die menschliche Physiologie untersuchen. Deshalb ist es so wichtig, Menschen auf der Station zu haben."

Für Bowersox gibt es aber noch einen anderen, genauso zwingenden Grund, um den Komplex bemannt zu halten.

"Der Grund, warum ich hier in's Weltall gekommen bin, ist, weil ich glaube, daß die Erforschung wichtig ist, daß wir einen Grundstein für unsere Kinder und deren Kinder legen, um den Planeten eines Tages zu verlassen," meint er. "Teil dieser Hinterlassenschaft für sie ist eine kontinuierliche menschliche Präsenz hier (im All), die schon damals mit dem MIR-Programm begonnen hat. Und das würden wir gerne sehen.

Aber das ist ist ein genauso emotionaler wie logischer Grund. Wenn wir die Station unbemannt zurücklassen müßten, wäre dies kein großer Rückschritt für das Programm; die Station wird weiterfliegen und wir werden in der Lage sein, wieder Leute heraufzuschicken, wenn es notwendig ist. Aber vom Gefühl her würde ich lieber sehen, daß Leute an Bord bleiben."

Aber es wird nicht leicht werden. Bowersox meinte, daß eine zweiköpfige Besatzung eine andere Sozialdynamik besitzt, als die jetzige Gruppe aus dreien.

"Zwei Personen auf der Station ändern die Dinge etwas; es ändert die Dynamik, wie man einander emotional unterstützt," erklärte er. "Das ist wirklich schön, denn wenn zwei Leute aufeinander ärgerlich werden, kann einer von ihnen immer noch zum dritten gehen und mit ihm reden und dieser kann dann als ein Vermittler fungieren. Das ist genauso wie bei unserer internationalen Partnerschaft. Je mehr Leute, je mehr Partner man hat, um so mehr Arbeit muß man aufwenden um diese Partnerschaft aufrecht zu halten, aber um so stärker ist man auch, weil man mehr Körper, mehr Hände hat, um Dinge zu erledigen."

Quelle: Spaceflight Now


letzte Änderung am 27. April MMIII