Zurück zur Startseite Forschung
Zurück zur Startseite Zurück zur Forschung-Indexseite
Artikel 8. April 2014
Augenschädigungen könnten zu signifikantem Problem bei Mars-Reisen werden
Sehkraftverluste können offenbar permanent sein - Erhöhter Schädelinnendruck in der Schwerelosigkeit als Ursache vermutet

Der Mars
Oben: Ob die Astronauten einmal bei einer Mission den Mars so sehen können, hängt davon ab, ob die Forscher die Ursache für die Sehkraftminderungen in der Schwerelosigkeit herausfinden können. (Photo: ESA)
Der Mars mag trotz seiner Ödnis eine einzigartige Schönheit besitzen, aber eine bemannte Mission zum roten Planeten könnte einen schlechten Einfluß auf die Augen haben.

In jüngster Zeit haben Wissenschaftler angefangen zu realisieren, daß Raumflüge bei Astronauten ernste und womöglich permanente Sehprobleme verursachen kann. NASA-Forscher arbeiten hart daran, das Problem zu verstehen, das eine größere Hürde für die Durchführung von bemannten Missionen zum Mars und noch weiter entfernteren Zielen darstellen könnte.

"Das ist eine Sache, die wir noch nicht im Griff haben und es könnte ein K.O.-Kriterium sein", meinte Mark Shelhamer, Chefwissenschaftler für das Humanforschungsprogramm der NASA am Johnson Raumfahrtzentrum in Houston, bei einer Präsentation vor der NASA-Arbeitsgruppe "Zukünftige Weltraumoperationen" (FISO).

Eine weitere Gefahr der Mikroschwerkraft

Der menschliche Körper leidet in der Mikroschwerkraftsumgebung des Alls. So beginnen ohne wirksame Gegenmaßnahmen wie intensivem Gewichtstraining die Muskeln von Astronauten zu schwinden, und ihre Knochen verlieren Kalzium, was sie mit der Zeit immer spröder werden läßt.

Raumflüge können aber auch Auswirkungen auf die Augen haben. Forscher wissen das schon seit Jahrzehnten, aber sie beginnen erst jetzt die Schwere der Situation zu erkennen.

"In den letzten 40 Jahren hat es immer wieder Berichte über die Beeinträchtigung der Sehschärfe in Zusammenhang mit Raumflügen sowohl auf der Basis von Tests, wie auch von Einzelberichten gegeben", erläuterte ein Statusbericht der NASA aus dem Jahr 2012 über raumflugbedingte Sehprobleme. "Bis vor kurzem ging man davon aus, daß diese Veränderungen vorübergehend seien, aber ein Vergleich von Sehkraftmessungen vor und nach einem Flug haben ein mögliches Risiko für permanente Veränderungen des Sehvermögens als Folge des Aufenthalts in der Mikroschwerkraft aufgezeigt."

Das Problem ist auch nicht allein auf ein paar wenige Personen beschränkt. Untersuchungen an mehr als 300 Amerikanern nach ihren Raumflügen seit 1989 zeigten, daß 29% der Raumfähren-Besatzungsmitglieder (die nur Zwei-Wochen-Missionen geflogen sind) und 60% der ISS-Astronauten (die typischerweise fünf bis sechs Monate in der Umlaufbahn verweilen) eine Verringerung der Sehschärfe erlitten, wie ein in diesem Jahr veröffentlichter Bericht der US-amerikanischen Akademie der Wissenschaften darlegt.

Wakata absolviert Augenuntersuchung
Oben: Expedition 39 Kommandant Koichi Wakata bei einer Augenuntersuchung auf der ISS. Neben der Sehschärfe wird auch regelmäßig der Augeninnendruck gemessen und die Augäpfel mittels Ultraschall abgetastet, um die Veränderungen im Verlaufe des Aufenthaltes im All zu verfolgen. (Photo: NASA)
Obwohl sie es noch nicht genau wissen, denken die Forscher, daß diese Augenprobleme von einem Anstieg des Drucks innerhalb des Schädels herrühren. Im All fließt mehr Hirn-Rückenmarksflüssigkeit in den Kopf als auf der Erde, wo die Schwerkraft sie in den Unterkörper zieht.

"Dieser erhöhte Druck der Hirnflüssigkeit, die das Gehirn umgibt, arbeitet sich an der Hülle des Sehnervs entlang und drückt auf die Rückseite des Augapfels", erklärte Shelhamer während der FISO-Präsentation.

Dieses Szenario, daß zu einem Verlust der Sehschärfe und anderen Problemen führen kann, nennen die Forscher VIIP (Visual Impairment/Intracranial Pressure - Sehkraftminderung/Schädelinnendruck). Und die Probleme können noch lange Zeit nach der Landung der Astronauten fortbestehen, wie Shelhamer weiter berichtete.

"Das hat wirklich unsere Aufmerksamkeit erregt", meinte er, "denn wenn man anfängt über den Einfluß auf die Sehkraft von Astronauten zu sprechen, die sich in Umgebungen mit hoher Belastung und Anforderungen befinden, und sich diese Sehkraftveränderungen nicht immer automatisch nach einigen Wochen oder Monaten nach der Rückkehr zur Erde zurückbilden, könnte das bedeuten, das hier bleibende Schäden verursacht werden, und das ist wirklich ein ernstes Problem für uns."

Was zu den bisherigen Bedenken noch hinzukäme, meinte Shelhamer weiter, sei, daß die Forscher bislang noch nicht wüßten, ob VIIP-bedingte Probleme sich bei Astronauten, die länger als sechs Monate im All bleiben, auf einem gewissen Niveau einpendeln, oder sich kontinuierlich weiter verstärken. Eine Ein-Jahres-Mission auf der Raumstation, auf die ein Astronaut und ein Kosmonaut im nächsten Jahr starten sollen, soll mehr Klarheit in diesen Aspekt bringen.

Mehr Informationen über diese Effekte bei Langzeitraumflügen sind von essentieller Bedeutung für die NASA, die plant, bis Mitte der 2030er Astronauten in die Nähe des Roten Planeten zu bringen. Mit der derzeitigen Antriebstechnologie erfordert eine Mission zum Mars einen Raumflug von mindestens einem Jahr, zusätzlich zu der Zeit auf dem Planeten selbst.

Was kann man tun?

Einjahresmission, Besatzung
Oben: Mark Kelly (rechts) und Michail Kornienko (rechts) werden im nächsten Jahr für eine Einjahresmission zur ISS aufbrechen. Die Mission soll auch drängende Fragen zur Augengesundheit von Raumfahrern klären helfen. (Photos: NASA)
Die Forscher arbeiten immer noch daran zu verstehen, was genau die Sehkraftprobleme verursacht. So könnten zum Beispiel, wie Shelhamer erklärte, die erhöhten Kohlendioxidkonzentrationen an Bord der Raumstation ein signifikanter Faktor für das VIIP-Phänomen sein, da bereits bekannt sei, daß hohe CO2-Konzentrationen zu einer Erhöhung der Produktion von Hirn-Rückenmarksflüssigkeit und einer Erweiterung der Blutgefäße im Gehirn führen.

Dennoch sei es noch verfrüht darüber zu spekulieren, wie die Sehprobleme von Astronauten vermieden oder zumindest gemildert werden können. Sollte sich aber die Haupthypothese zu VIIP weiter verdichten, so wäre künstliche Schwerkraft eine offensichtliche Gegenmaßnahme, meinte Shelhamer.

Künstliche Schwerktaft kann durch Rotieren des Raumfahrzeugs oder Teilen davon hergestellt werden.

"So könnten die Leute schlafen, während sie herumrotieren. Dadurch bekämen sie zumindest um die acht Stunden künstliche Schwerkraft", erläuterte Shelhamer.

Künstliche Schwerkraft könnte auch helfen, den Knochen- und Muskelschwund zu minimieren, wodurch sich die Notwendigkeit für Fitneßübungen reduzierte und die Astronauten während der Langzeitmissionen mehr Zeit für wissenschaftliche Experimente und andere Arbeiten zur Verfügung hätten.

Quelle: Space.com
Bearbeitet von: Matthias Pätzold

Kommentar abgeben


letzte Änderung am 13. April MMXIV