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Artikel 3. November 2016
ISS-Partner planen Raumstation in der Mondumlaufbahn
Station soll Stück für Stück mit jedem ORION/SLS-Flug ab 2023 zusammengebaut werden - Module aus allen Ländern geplant

Die Projektpartner an der Internationalen Raumstation arbeiten derzeit offenbar auf eine Vereinbarung hin, durch die die Entwicklung eines neuen bemannten Außenpostens in der Nähe des Mondes begonnen werden soll. Sollte dies gelingen, wird die sogenannte cislunare Raumstation (eine Station in der Nähe des Mondes) das größte internationale Raumfahrtprogramm aller Zeiten werden und die Richtung der bemanten Raumfahrt auf Jahrzehnte hinaus bestimmen.

Während eines vertraulichen Gesprächs in der letzten Woche in Houston, bei dem sich Vertreter der NASA mit ihren Kollegen aus Europa, Japan und Kanada trafen, wurden die letzten Änderungen zu diesem cislunaren Stationskonzept besprochen. Das Team, Internationale Arbeitsgruppe für Raumfahrzeuge (ISCWG) genannt, ist damit beauftragt, alle technischen Details, die für den Beginn der Entwicklung eines neuen Programms zur Weltraumexploration nach der Außerdienststellung der ISS Mitte der 2020er wichtig sind, zu bestimmen und auszuarbeiten. Die Empfehlungen des Teams sind zwar nicht bindend, werden aber mit hoher Wahrscheinlichkeit den Architekturrahmen für alle zukünftigen Projekte bilden.

Die derzeitige Vision beinhaltet einen Außenposten aus mehreren Modulen, der im Prinzip eine kleinere Version der Internationalen Raumstation darstellt, sich aber in der Mond- und nicht in der Erdumlaufbahn befindet. Der Außenposten wird auch fortschrittlichere Technologien einsetzen, als auf der ISS, wie Lebenserhaltungssysteme mit geschlossenen Kreisläufen und elektrische Antriebe. Diese könnten dem Außenposten ermöglichen, das erste bemannte interplanetare Raumfahrzeug zu werden, daß in's tiefe All hinausfliegt, um Asteroiden zu besuchen oder gar Mitte der 2030er bis in die Nähe des Mars vorzudringen. Um dieses ultimative Ziel wiederzuspiegeln, bezeichnet die NASA die Station als einen "Prüfstand" für die Marsexploration.

Wie soll die Station aussehen?

Cislunare Raumstation
Oben: Die cislunare Raumststion nach dem Konzept der ISS-Partnerorganisationen. (Abbildung: Lockheed-Martin)

In erster Linie würde der cislunare Außenposten aus modularen Komponenten bestehen, die Huckepack auf der großen Trägerrakete SLS der NASA zusammen mit dem bemannten Mehrzweckraumfahrzeug ORION in's All gestartet werden. Nach dem Einschuß in die Übergangsbahn zum Mond soll sich die ORION-Kapsel von der Oberstufe trennen, sich umdrehen und an dem noch an der Oberstufe festgemachten Zusatzmodul ankoppeln, so wie es damals schon die APOLLO-Raumfahrzeuge gemacht haben, um das Mondlandefahrzeug aus ihrer Oberstufe zu extrahieren.

Anstatt aber auf der Mondoberfläche zu landen, wird jede ORION-Mission ein Zusatzmodul in die Mondumlaufbahn bringen, wo diese dann zusammengekoppelt werden, um ein Langzeithabitat zu bilden. Andere Nationen könnten auch ihre eigenen Komponenten starten, so wie es auch im ISS-Programm geschehen ist.

Die Montagereihenfolge

Gemäß dem aktuellen Stand des Architekturkonzeptes, das von den Partnern ausgearbeitet wird, soll der Aufbau der Station mit einem 8,5-Tonnen-Modul mit Stromversorgung und Antriebskapazität beginnen. Es soll mit der dritten ORION-Explorationsmission EM-3 gestartet werden.

Erst kürzlich hat die europäische Raumfahrtorganisation ESA zugestimmt, eine moderne elektrische Antriebseinheit beizusteuern, die das erste Modul vorantreiben soll. Sowohl die amerikanischen als auch die europäischen Ionentriebwerke sollen mit Xenongas betrieben werden. Dasselbe Modul würde auch den Strom und die Kommunikation für den ganzen Außenposten bereitstellen. Zu guter Letzt würde Kanada noch einen Robotarm beisteuern, der an dem Antriebsmodul befestigt wird und später am Außenposten eingesetzt werden kann.

Sobald das Antriebs- und Stromerzeugungsmodul in der Mondumlaufbahn in Betrieb genommen wurde, sollen mit den beiden folgenden ORION-Missionen EM-4 und 5 zwei Habitatmodule zum neuen Außenposten geliefert und angekoppelt werden. Frühere Ausführungen des Plans sahen vor, daß diese Module in Rußland oder Europa gebaut werden könnten, aber die japanische Raumfahrtorganisation JAXA hatte kürzlich angeboten, ihr eigenes Habitat beizusteuern. Das japanische Habitat würde ein Lebenserhaltungssystem mit geschlossenem Kreislauf beinhalten, was die Abhängigkeit des Außenpostens von Wasser- und Sauerstofflieferungen von der Erde deutlich reduzieren würde.

Ebenfalls in diesem Jahr hat die russische Raumfahrtorganisation Roskosmos zugestimmt, das Beisteuern eines Schleusenmoduls in Erwägung zu ziehen, die für Außeneinsätze benötigt würde. Während des Fluges zur Mondumlaufbahn zusammen mit der ORION-Kapsel würde das Schleusenmodul mit Versorgungsgütern für die zukünftige Station vollgepackt, die ihre Startmasse auf rund neun Tonnen bringen würden. Alternativ könnte Rußland das Schleusenmodul auch unabhängig mit ihrer neuen ANGARA-5 Trägerrakete starten, wobei es dann mit einem Hochenergie-Wasserstoff-Weltraumschlepper zum Mond gebracht würde.

Theoretisch könnte Rußland auch das internationele Programm mit seinem eigenen neuen bemannten Raumfahrzeug namens Federatsija (Föderation) unterstützen, das wohl neben der ORION die einzige Alternative sein wird, um Besatzungen zum Außenposten zu bringen. Nach dem aktuellen Stand verspricht Rußland den Erstflug des neuen Raumfahrzeugs in die Erdumlaufbahn für 2024, gefolgt von der ersten lunaren Mission im Jahr 2027. Obwohl SpaceX und andere private Dienstleister wohl auch daran interessiert sein dürften, Transportdienste zum cislunaren Programm anzubieten, erscheinen bislang nur das ORION der NASA und das CTV von Roskosmos auf den offiziellen Missionsplänen.

Die cislunare Raumstation könnte auch durch ein 10 Tonnen schwere Robotraumfahrzeug ergänzt werden, das gemeinsam von der ESA, der JAXA und der CSA entwickelt würde. Es könnte mit einem Rover ausgestattet sein und einer Aufstiegsstufe ausgestattet sein, um Bodenproben von der Oberfläche des Mond hochzubringen. Das Robotraumfahrzeug könnte unabhängig auf einer Rakete gestartet werden, die eine der Partnerorganisationen bereitstellt, frühestens aber 2026. Sobald die Sonde auf dem Mond gelandet ist, können Besatzungsmitglieder an Bord des cislunaren Außenpostens das probensammelnde Robotfahrzeug auf der Mondoberfläche fernsteuern und am Ende die Aufstiegsstufe für den anschließenden Transfer der Proben zur Erde wieder starten.

Während Montage und Betrieb könnte der cislunare Außenposten mit Frachtraumfahrzeugen versorgt werden, die auf einer Vielzahl von Trägerraketen gestartet werden könnten.

Während der zweiten Bauphase gegen Ende der 2020er, könnte der Außenposten mit den neuesten Habitat und Antriebsmodulen der NASA ergänzt werden, die auf einer dedizierten SLS-Mission gestartet werden. Dieser Zusatz könnte es dem Außenposten ermöglichen, als echtes Raumschiff auf eine große Reise zu Asteroiden und sogar bis zum Mars zu gehen.

Wo stehen sie gerade?

Aus nahestehenden Quellen ist zu hören, daß das internationale Team nach jahrelangen Verhandlungen soviel Fortschritt gemacht hat, daß es in naher Zukunft eine Vereinbarung treffen kann, nach dem alle ISS-Partner Komponenten und Technologien für das gemeinsame Ziel beisteuern könnten. Die erste Phase der Entwicklung des cislunaren Außenpostens, "Phase A" genannt, könnte dann bereits 2017 oder 2018 in Angriff genommen werden.

Während der Besprechung in Houston vor ein paar Tagen wurde entschieden, den Beginn des Baus des Habitats auf um das Jahr 2023 zu verschieben. Nach diesem Szenario wäre die erste Phase des Stationsaufbaus im Jahr 2028 abgeschlossen. Zieht man allerdings die Geschichte der ISS heran, sind viele Verzögerungen im Ablauf wahrscheinlich.

Alleine in diesem Jahr wird es noch eine ganze Reihe politische Entwicklungen geben, die den sorgfältig zusammengestellten Fahrplan komplett durcheinanderwerfen könnten. Die erste ist ganz klar die Präsidentschaftswahl in den USA, die dafür berühmt ist, den Kurs des amerikanischen Raumfahrtprogramms zu ändern. Als nächstes kommt ein Treffen des ESA-Ministerrats im Dezember, bei dem das Budget der europäischen Raumfahrtorgansiation für die nächsten Jahre zusammengezimmert wird. Und zu guter Letzt gibt es noch die Unsicherheit über die tatsächliche Beteiligung der Russen, die durch eine ganze Reihe politischer, finanzieller und technischer Probleme behindert werden.

Entsprechend ist es nicht überraschend, daß die internationalen Partner ihr nächstes Treffen zum cislunaren Außenposten auf Anfang nächsten Jahres terminiert haben. Obwohl 2017 nur noch zwei Monate entfernt ist, könnte dieses Treffen aber gut und gerne in einer völlig neuen Ära der Weltraumexploration liegen ...

Quelle: Planetary.org, Anatoly Zak
Bearbeitet von: Matthias Pätzold

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letzte Änderung am 3. November 2016