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Artikel 20. Februar 2017
Erdähnliche Planeten? Kommt runter auf den Teppich!
Obwohl über die bereits entdeckten Exoplaneten kaum etwas wirklich bekannt ist, überschlagen sich die Medien regelmäßig mit Berichten über "bewohnbare Planeten" - Joshua Tan über die irrationalen Vorstellungen bezüglich habitabler Exoplaneten

Von Joshua Tan, Astronom am Instituto de Astrofísica, Universidad Católica de Chile

Exoplanet
Oben: Wann immer ein Planet in der habitablen Zone seines Sterns entdeckt wird, überschlagen sich die Berichte in den Medien, die von der Entdeckung eines erdähnlichen Planeten reden und künstlerische Darstellung eines solchen Planeten (wie hier) werden angefertigt, obwohl noch niemand diesen Planeten tatsächlich gesehen hat. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist die Entdeckung von Proxima Centauri b, der mit der Radialgeschwindigkeits- oder Wabbelmethode entdeckt wurde. D. h., man weiß gerade mal, daß er da ist, aber gesehen hat ihn noch niemand. (Abbildung: Space.com)
Im Jahr 1950 stellte der Physiker Enrico Fermi die berühmte Frage: "Wo sind sie?". Er wollte damit quasi darüber lamentieren, daß bis dahin durch Beobachtungen noch keine Beweise für die Existenz intelligenten außerirdischen Lebens erbracht worden waren. Heute wird die Frage immer noch gestellt, aber nun im Kontext der ständigen Erwartung, Welten, die unserer eigenen ähneln, zu entdecken, wohinter sich der Gedanke verbirgt, daß wir dann vielleicht, und nur vielleicht, auch endlich diese Außerirdischen finden werden.

Vor diesem Hintergrund haben die Fortschritte der letzten 20 Jahre auf dem Gebiet der Entdeckung von Exoplaneten die Vorstellungen von Wissenschaftlern und Enthusiasten gleichermaßen beflügelt.

Wann, lautet die Frage, werden wir endlich einen Planeten finden, der Leben beherbergen kann? Wann werden wir die "Erde 2.0" entdecken?

Die Ungeduld, die mit dieser Frage verbunden ist, hat viele Leute in den Medien, und selbst einige in der wissenschaftlichen Gemeinschaft, dazu verleitet, verfrühte Ankündigen über die Entdeckung eines "Erdanalogons" zu verbreiten. Aber wenn Exoplaneten entdeckt werden, basieren die Behauptungen über die Erdähnlichkeit des Planeten bestenfalls auf optimistischen Modellen und schlimmstenfalls auf bloßer Sensationsheischerei.

Viele solcher Behauptungen wurden auf der Basis eines erfundenen Rangfolgesystems gemacht, das die beobachteten Eigenschaften der Exoplaneten nutzt, um daraus die Erdähnlichkeit des Planeten zu extrapolieren. Unglücklicherweise müssen diese Systeme stark vereinfachte (und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsche) Annahmen über die Eigenschaften der Planeten, die sie zu beschreiben versuchen, machen. Eine Rangfolge über die Bewohnbarkeit aufzustellen ist eben nicht so einfach.

Bereits lange bevor der erste Exoplanet entdeckt wurde, hatten einige Astrophysiker schon die Vermutung geäußert, daß es um jeden Stern eine Zone geben müsse, die sie als "habitable Zone" bezeichneten. Diese Zone liegt in einer Entfernung von seinem Stern, wo ein hypothetischer Erdzwilling eine durchschnittliche Oberflächentemperatur zwischen dem Gefrierpunkt und dem Verdampfungspunkt von Wasser haben müsse. Ist er näher, dann steigt die Temperatur über 100 °C; ist er dagegen zu weit weg, dann fällt sie unter 0 °C.

Wenn aber ein Planet eine andere atmosphärische Zusammensetzung besitzt als die Erde, kann seine wahre Oberflächentemperatur eine komplett andere sein.

Gasplaneten haben noch nicht einmal eine klar definierte Oberfläche, auf die man sich beziehen könnte. Und bei Gesteinsplaneten kann schon eine dünnere Atmosphäre sie deutlich kühler werden lassen, während eine dichtere Atmosphäre sie viel wärmer werden läßt.

Eines der wohl dramatischsten Beispiele dafür ist die Venus. Aufgrund ihrer besonders dichten Atmosphäre und einem völlig ausgeuferten Treibhauseffekts hat der Planet eine Oberflächentemperatur von höllischen 450 °C, wesentlich höher als die 25 °C, die man für eine erdähnliche Atmosphäre ansetzen würde. Obwohl also die Venus rechnerisch in der habitablen Zone unserer Sonne liegt, ist es sicherlich nicht angebracht, sie als habitabel zu bezeichen.

Die beiden fruchtbarsten Methoden, um Exoplaneten aufzuspüren (die "Transitmethode" und die "Radialgeschwindigkeitsmethode") bieten beide eine direkte Möglichkeit, den Abstand eines Exoplaneten von seinem Zentralgestirn zu bestimmen. Zusammen mit dem Wissen darüber, wieviel Wärme der Stern abgibt, läßt sich daraus berechnen, ob sich der Planet in der habitablen Zone befindet, oder nicht. Aber wie wir oben gesehen haben, ist das nicht dasselbe wie die Entdeckung eines Planeten mit habitablen Bedingungen.

Nichtsdestoweniger wurde die Entdeckung von Planeten in der habitablen Zone anderer Sterne in den Medien und sogar in den Presseerklärungen wissenschaftlicher Institutionen mit der Entdeckung von zweiten Erden gleichgesetzt. Da wir aber bislang von keinem Exoplaneten die Oberflächentemperatur tatsächlich kennen, kann eine Aussage darüber, ob es sich bei dem Planeten um ein Erdanalogon handelt, nur mithilfe anderer unterstützender Daten getroffen werden.

Wie man mehr über Exoplaneten lernt

Was wir bisher am besten verstanden haben, ist, daß die Oberflächentemperatur stark von der Zusammensetzung und Dichte der Atmosphäre und des Planeten selbst abhängt. Die Dichte eines Planeten hängt von seiner Masse und seinem Volumen ab, aber die beiden Detektionsmethoden lassen jeweils nur die direkte Messung einer der beiden sich gegenseitig ergänzenden Eigenschaften zu.

Die Transitmethode bestimmt über den Schatten, den ein Planet auf seinem Stern verursacht, die Querschnittsfläche des Planeten. Da Planeten typischerweise kugelförmig sind, kann man dann daraus das Volumen bestimmen. Was mit dieser Methode aber nichjt direkt meßbar ist, ist die Masse des Planeten.

Im Gegensatz dazu bestimmt die Radialgeschwindigkeitsmethode über das Wabbeln eines Sterns die Anwesenheit eines Planeten. Aus der Stärke dieses Wabbelns, das von der Schwerkraftswirkung des Planeten auf sein Mutterstern ausgelöst wird, läßt sich dann die minimale Masse bestimmen, die der Planet haben muß. In vielen Fällen ist aber die Bahn des Planeten zu unserer Sichtlinie angestellt (wenn die Bahnebene in unserer Sichtlinie läge, könnte man den Planeten auch mit der Transitmethode beobachten), wodurch wir einen reduzierten Effekt sehen. Das bedeutet, daß die tatsächliche Masse des Planeten umso größer sein muß, je stärker die Bahnebene des Planeten angestellt ist, um den beobachteten Effekt auf seinen Stern hervorzurufen. Abgesehen von der Unsicherheit, die dadurch bereits entsteht, gibt es keine Möglichkeit, mit der Radialgeschwindigkeitsmethode allein auch das Volumen des Planeten zu bestimmen.

Astrophysiker, die Modelle zur Planetenbildung aufstellen, haben eine breite Pallette von Modellen aufgestellt, die einen möglichen Zusammenhang zwischen der Masse und dem Volumen eines Planeten in Abhängigkeit von seiner Zusammensetzung anbieten.

Die kleinen Planeten in unserem Sonnensystem bestehen hauptsächlich aus Gestein, während die großen überwiegend gasförmig sind, aber wir konnten schon eine ganze Reihe von Exoplanet beobachten, deren Größen zwischen dem kleinsten Gasplaneten (Neptun) und dem größten Gesteinsplaneten (die Erde) liegen. Es gibt Modelle, die bestimmte Gesteinsplaneten als sogenannte "Supererden" einordnen, während sie andere kleine Gasplaneten als "Minineptune" klassifizieren. Daneben gibt es noch jede Menge Planeten die dazwischen liegen und Mischformen darstellen.

Diese verschiedenen Modelle können auch zwischen einer Vielzahl von Atmosphären unterscheiden, und die Exoplaneten werden dementsprechend sehr unterschiedliche Oberflächentemperaturen aufweisen. Es ist daher besonders wichtig, daß wir mehr über die Atmosphären der Exoplaneten direkt in Erfahrung bringen, indem wir bessere Teleskope und empfindlichere Instrumente für die Messungen einsetzen.

Einige Astronomen haben bereits ein Vorgehen vorgeschlagen, um zu entscheiden, bei welchen Exoplaneten man die Atmosphäre am ehesten direkt beobachten könnte, der offensichtlich nächste Schritt zu einer Methode, um die Oberflächentemperatur eines Planeten zu bestimmen, und schlußendlich sagen zu können, ob er habitabel ist, oder nicht.

Vorschnelles Handeln

Eine bedauerliche Neigung ist derzeit, daß Entdeckungen vorschnell bekanntgegeben werden. Es wurden Planeten in der habitablen Zone ihres Sterns gefunden, deren mit der Radialgeschwindigkeitsmethode gemessene Minimalmasse in etwa der der Erde entspricht, und andere, deren mit der Transitmethode gemessenen Flächen nur unwesentlch größer als die der Erde sind.

Dummerweise wurde aber noch keiner dieser "Analogons" mit beiden Methoden vermessen. Trotzdem werden beinahe jedesmal, wenn so ein Planet entdeckt wird, atemberaubende Berichte über ihre mögliche Bedeutung verfaßt. Ganz besonders ausgeufert ist dies erst kürzlich mit der Entdeckung von Proxima Centauri b, dem bislang nächsten entdeckten Exoplaneten. Obwohl der Planet mit der Radialgeschwindigkeitsmethode aufgespürt wurde, und bisher noch niemand diesen Planeten direkt beobachtet hat, schossen sogleich die Berichte über seine mögliche Habilität in's Kraut.

Auch wenn die Entdeckung von Exoplaneten aufregend ist, ist es dennoch eindeutig verfrüht, um auf der Basis der spärlichen Meßdaten, die wir derzeit gewinnen können, zu entscheiden, wie erdähnlich so ein Planet wirklich ist. Das was wir mit dem was wir haben am ehesten hoffen erstellen zu können, ist eine Liste von möglichen Zielen für zukünftige Beobachtungen.

Irgendwann werden wir sicher einen definitiven Beweis dafür finden, daß es eine andere Erde irgendwo da draußen gibt. Aber dieser Tag ist noch nicht da ... trotz all der vielen überenthusiastischen Schlagzeilen.

Quelle: Joshua Tan bei The Conversation, Space.com
Bearbeitet von: Matthias Pätzold

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letzte Änderung am 20. Februar 2017