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Artikel 8. Mai 2001
Die Konstruktion von ET: Der Weg zu alternativen Lebensformen
Wissenschaftler bauen Bioproteine aus unüblichen Aminosäuren - Erkenntnisse über den Aufbau möglichen außerirdischen Lebens erwartet
Über das Klonen hinaus
Das mächtige und potentiell starke Bestreben, ein "Mini-Ich" von uns zu produzieren, das Klonen, könnte bald durch die Entwicklung von Technologien, mit denen Leben hergestellt werden kann, das ganz und gar nicht so ist, wie wir es kennen, vom Spitzenplatz der Gentechnologie herabgestoßen werden.
In zwei separaten Versuchen haben Wissenschaftler die innerste Natur der Natur verändert und dabei eine Hauptregel der Biologie brachen, indem sie Zellen hergestellt haben, bei denen sie einen vollständig neuen Grundbaustein in die Zellstruktur einfügten. Das markierte einen ersten Schritt auf dem Pfad der Neogenese - die Herstellung künstlich veränderter Lebensformen.
In mehreren Interviews, sagten Experten, daß diese Arbeit Wissenschaftlern helfen wird, sowohl unsere eigene irdische Evolution zu studieren, als auch zu untersuchen, wie sich Leben auf bisher unbekannten Wegen auf anderen Welten entwickelt haben könnte.

Und so wird's gemacht:

Eine

Aminosäure
Oben: Darstellung eines Aminosäuremoleküls (die dicke rote und grüne Struktur) am aktiven Ort der neuen tRNA-Synthetase, die von Wang und seinen Kollegen entwickelt wurde. Die veränderten Aminosäuren (gelb) ermöglichen die Einbringung der unkonventionellen Aminosäure O-Methyl-L-Thyrosin in frisch synthetisierte Peptide (kurze Aminosäurenketten) anstatt des gewöhnlichen Thyrosins.
Alles Leben, wie wir es kennen, ist aus Zellen aufgebaut, die aus Proteinen aufgebaut sind und durch diese funktionieren. Diese sind durch eine Kombination von 20 Bausteinen, die Aminosäuren genannt werden, zusammengesetzt.
Es ist nicht bekannt, wieso nur 20 Bausteine genutzt werden, aber es ist eine bislang ungebrochene biologische Regel in der Geschichte des Lebens auf der gesamten Erde, vom kleinsten Bakterium bis zur schönsten Blume und zu dem stärksten WWF Catcher.
Durch Neukombination der genetischen Instruktionen in der Bakterienzelle haben die zwei unabhängigen Forschergruppen mikroskopische Einzeller dazu gebracht, eine bisher nicht genutzte Aminosäure in den Prozess des Proteinaufbaus zu integrieren.
Über diese Arbeit wird in der Ausgabe der Zeitschrift Science vom 20. April berichtet.

AT und nicht ET
Wissenschaftler sind der Ansicht, daß es bis zum Herstellen von ET im Labor noch ein weiter Weg ist, vorausgesetzt, die Menschheit ist bereit, diesen Weg zu gehen. Aber die neuartigen Zellen sind bereits an der Grenze zum alternativen Leben, meint Paul Schimmel, ein Wissenschaftler vom Scripps Forschungsinstitut in Kalifornien, der an einer der Studien arbeitet.
Es sei bereits ein erster Schritt, Organismen herzustellen, die die Bausteine anders benutzen als die Zellen, mit denen wir vertraut sind. In diesem Sinne könne man sie schon als eine neue Lebensform ansehen.
Die Bakterien überleben und reproduzieren sich, obwohl ihre Proteine eine fremde Aminosäure mit sich herumtragen.
AT (Artifical terrestrial life - künstliches irdisches Leben) ist möglicherweise ein besserer Ausdruck für das, was die neue Forschung erreicht hat, sagt Michael A. Meyer, ein Astrobiologe der NASA und Programmwissenschaftler der kürzlich gestarteten Mars Odyssey Mission.
Während die Erkenntnisse der Arbeit wahrscheinlich zunächst Einfluß auf die Herstellung neuer Medikamente und revolutionären neuen Materialien nimmt, wird es auch Effekt auf das Studium unserer Ursprünge und die Suche nach Leben im All haben.

Wie studiert man ET ohne die Heimat zu verlassen?
Astrobiologen, Chemiker und andere Wissenschaftler meinen, daß diese Art und Weise mit der Biologie zu tricksen, neue Wege der Erforschung der Ursprünge und Entwicklung des Lebens auf der Erde eröffnet. Es könnte auch dabei helfen zu bestimmen, in wieweit extraterrestrisches Leben auch anderen Regeln der Biologie folgen könnte.
Schimmel ist der Ansicht, daß durch die Ergebnisse die Möglichkeit steigt, daß hier nicht gebräuchliche Aminosäuren im Weltall als Bausteine von bisher nicht bekannten Lebenssystemen herhalten, und daß möglicherweise ein viel primitiverer Code benutzt werden könnte, um Leben hervorzurufen.
David W. Deamer, ein Biochemiker an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz, glaubt, daß die Ergebnisse bestätigen, daß der Prozess des Lebens keine perfekte Maschine ist, stattdessen aber ein molekulares System, das alles verwendet, was immer es auch vorfindet, solange es nur funktioniert.
Diese scheinbare Flexibilität in der Selbststrukturierung moderner Bakterien könnte untersucht werden, um die Grenzen der Anpassung des Lebens an neue Strukturen, wie es auch beim Anbeginn des Leben auf der frühen Erde abgelaufen ist, aufzuzeigen.
Sollten jemals Lebensformen auf dem Mars oder anderswo gefunden werden, werden die Forscher nun besser ausgerüstet sein, um zu bestimmen, ob ein echtes Alien gefunden wurde oder ob man nur wieder mit einen alten Vorfahren zu tun hat, der irgendwie von einem Himmelskörper zu einem anderen gereist ist.
"Angenommen, wir kommen zum Mars oder zur Europa und finden dort lebende Mikroorganismen," sagt Deamer. "Woher wissen wir ob sie echte ETs sind oder einfach nur von der Erde dorthin gelangt wurden? Oder umgekehrt?
Wenn sie einen anderen genetischen Code besitzen und andere Aminosäuren benutzen ..., dann könnten wir daraus den Schluß ziehen, daß das Leben dort unabhängig begonnen hat. Aber wenn wir irdische Bakterien dazu bringen können, sich in die Richtung eines solchen anderen Menge von [Bausteinen] und Codes zu entwickeln, dann ist dies ein Hinweis darauf, daß der Lebensprozess mehr Flexibilität aufweist, als wir bisher dachten, so daß ein echtes ET bei seiner ursprünglichen Entstehung zwar dasselbe grundsätzliche Puzzle gelöst haben könnte, aber dabei ganz andere Puzzleteile verwendet hat."

Hinter der Studie: Leben wie wir es kennen
Alles Leben auf der Erde baut auf Zellen auf -- winzigen Fabriken, die alles antreiben, was ein Organismus macht. Zellen sind die kleinsten lebenden Dinge. Die zellulären Fabriken sind aufgebaut und funktionieren durch Tausende von Proteinen, die durch einen diktatorischen Aufseher, der DNA, regiert werden.
Wie eine chemische Bauanleitung, zeigt die DNA der Fabrik welche der 20 Aminosäuren benutzt werden müssen, um ein bestimmtes Protein herzustellen. Die DNA hat ein bemerkenswert begrenztes Vokabular, in Bakterien übrigens dasselbe wie in menschlichen Zellen. Diese genetische Sprache bestehtaus vier basischen Chemikalien, welche von den Biologen mit vier Buchstaben symbolisiert werden. Jede wichtige Anweisung ist durch eine Serie von einzelnen Worten dargelegt, von denen jedes eine Dreierkombination aus diesen vier Buchstaben ist.

Fehler bei der Bearbeitung
Wie eine immer und immer wieder neu herausgegebene Gebrauchsanweisung, werden die DNA-Anweisungen regelmäßig nach der Klarheit und Kürze jeder Anweisung bearbeitet. Schimmels Gruppe greift in diese Editier-Funktion ein, dringt in den genetischen Code ein und macht ihn dabei ungenauer.
Das bringt die Fabrik dazu Fehler zu machen. Und einer dieser Fehler war, eine Aminosäure zu integrieren, die zwar natürlich vorkommt, aber normalerweise nie in Proteinen eingefügt wird.
Die andere Forschungsgruppe, ein von Lei Wang, der auch am Scripps Institut arbeitet, geleitetes internationales Team, verwendet ein anderes Verfahren, bei dem sie die Bedeutung von einem der drei-Buchstaben Worte ändert, um die Fabrik damit anzuweisen eine 21. Aminosäure in ein Protein zu integrieren.

Eine andere starke Kraft?
Während Klonen und andere Arten der Gentechnologie von einigen als potentiell gefährlich angesehen werden, sagen Forscher, daß man kaum zu fürchten braucht, daß im Labor hergestellte ETs die Herrschaft übernehmen. Auch Meyer (NASA) deutet eine offensichtlich langfristige Sorge an:
Er meint, daß z.B. jemand unbeabsichtigterweise einen Organismus herstellen könnte, der einen selektiven Vorteil gegenüber natürlichen Organismen hat und diese dann verdrängt. Das hätte möglicherweise ernste Konsequenzen.
Aber August Böck, vom Institut für Genetik und Mikrobiologie der Universität München, ist eher der Ansicht, daß die Prozedur so kompliziert und, wenigstens zum gegenwärtigen Zeitpunkt, total von dem laboratorischen Rahmen abhängig ist, daß da wohl eher keine Gefahr drohe. In einer begleitenden Analyse in Science weist Böck auf die faszinierenden evolutionären Implikationen hin und erklärt, daß es "enorm vorteilhaft" für die Biotechnologie wäre. Es sei aber noch nicht bekannt, ob der Organismus, dessen Überleben und Wachstum von der unnatürlichen Aminosäure abhängig ist, hergestellt werden kann. Nur wenn so ein Organismus nachgewiesen wird, kann eine echte andere Lebensform bekanntgegeben werden - eine die sich nach anderen Regeln der Biologie entwickeln kann.
Es sei keine neue Lebensform, die da hergestellt wurde, meint Böck in einem e-mail Interview. Es sei nur eine Abänderung einiger Grundprinzipien, mit denen die genetischen Informationen zuverlässig in Proteinsequenzen übersetzt werden.
Jason Dworkin, ein Biochemiker am SETI Institut, der gegenwärtig Astrophysik am Ames Forschungszentrum der NASA studiert, sagt, daß, weil die Arbeit Werkzeuge zur Manipulation der Mechanismen der Biologie vorsieht, es ein "Schritt in Richtung künstliches Leben" sein könnte.
Aber Dworkin meint auch, daß das Ereichen dieses Ziels, auch durch die moralischen Fragen die es aufwirft, sehr schwierig sei. Wie bei jedem mächtigen Werkzeug werden Gefahren [und andere Probleme] auszuräumen sein."
Jeder Weg, meint Schimmel, der vom besseren Verständnis lebender Systeme profitiert, und eine Möglichkeit für eine nutzbringende Anwendung in Medizin, Technologie und Astrobiologie bietet, überwiege alle Gefahren, die er sich vorstellen kann, bei weitem.

Bearbeitet von Melanie Lindner

Quelle: Space.com


letzte Änderung am 20. Mai MMII