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Artikel 4. November 2002
Das erste Photo von Annefrank
Raumsonde STARDUST schießt erfolgreich Aufnahme des Asteroiden - Felsbrocken größer als erwartet

Asteroid 
Annefrank
Oben: Das erste Photo vom Asteroiden Annefrank, aufgenommen von der Raumsonde STARDUST bei ihrem Vorbeiflug am Morgen des 2. November. (Photo: NASA/JPL)
Am Samstag Morgen konnte das STARDUST Flugleitteam am Laboratorium für Strahlantriebe (JPL) der NASA in Pasadena, Kalifornien, und bei Lockheed Martin Raumfahrtsysteme-Astronautik (LMA) in Denver, Colorado einen Riesenerfolg mit dem Vorbeiflug der Raumsonde am Asteroiden Annefrank verbuchen. Der Vorbeiflug war als technischer Betriebstest der Systeme am Boden und an Bord der Sonde, wie sie in gut einem Jahr am eigentlichen Ziel der Reise, dem Kometen Wild 2, zum Einsatz kommen.

STARDUST eine eine Niedrigkostenmission aus dem Discovery-Programm der NASA, die auch noch nach dreieinhalb Jahren innerhalb der geplanten Siebenjahresmission zum Rendezvous mit dem Kometen Wild 2 im Januar 2004 so wie erwartet funktioniert. STARDUST wird Proben des Kometenstaubs, der sich nur Stunden vor dem Rendezvous vom Kern gelöst hat, einsammeln und in einer Rückkehrkapsel im Januar 2006 zur Erde zurückbringen. Der nahe Vorbeiflug an Annefrank bot eine günstige Gelegenheit, die geplanten Operationen auf der Raumsonde und am Boden für das Rendezvous mit dem Kometen Wild 2 gründlich zu testen.

"Wir haben eine komplette Generalprobe bei einer nächsten Entfernung von unter 3300 km von Annefrank durchgeführt, bei der auch der Staubsammler ausgefahren war, so wie es auch beim Kometen der Fall sein wird," erklärt Prof. Donald Brownlee, der leitende Projektwissenschaftler von der Universität von Washington. "Das Raumfahrzeug war dafür in die Fluglage für den Vorbeiflug versetzt worden, mit allen wissenschaftlichen Instrumenten eingeschaltet. Der Vorbeiflug hat alle unsere Erwartungen übertroffen und hat uns unerwartete Daten über den Asteroiden geliefert."

Die Annäherungsgeometrie für Annefrank war viel schwieriger, als sie es für den Kometen Wild 2 sein wird. Die Raumsonde war um 60 Grad von der normalen zur Sonne und Erde weisenden Lage weggedreht worden und lief mit Batteriestrom, um Annefrank zu finden und Bilder davon anzufertigen.

"Die Raumsonde hat alle Anweisungen perfekt ausgeführt und hat alles gemacht, was wir von ihr erwartet haben," sagte Allan Cheuvront, Raumfahrtingenieur bei Lockheed Martin Raumfahrtsysteme bei Denver. "Wir sind völlig begeistert davon, wie gut die ganze Operation verlaufen ist. Wir konnten uns keine bessere Ausführung von STARDUST wünschen und die Bilder, die die Sonde vom Asteroiden gemacht hat, übertreffen alle unsere Erwartungen. Ausrichtung, Lage und Flugbetrieb der Raumsonde waren perfekt. Das macht uns noch zuversichtlicher in Bezug auf das, was wir zu erwarten haben, wenn wir am Wild 2 ankommen." Cheuvront und eine Gruppe von Ingenieuren am Lockheed Martin Raumfahrzeugleitzentrum, auch Missionsunterstützungsbereich genannt, steuern die Raumsonde in Zusammenarbeit mit dem JPL und dem Tiefenraumnetzwerk (DSN).

Die Navigationskamera hatte Mühe, Annefrank während der Annäherung zu sehen. "Die Kamera lief an ihrer Leistungsgrenze und konnte Sterne bis zur 11. Größenklasse herab sehen," erläuterte Ray Newburn, verantwortlicher Wissenschaftler für die Kamera am JPL.

Aber die Helligkeit, wie sie von Dr. Stephen Synnot und Donald Yeomans vom JPL für Annefrank vorhergesagt worden war, lag unterhalb 11. Größe. "Wir haben alles versucht, woran wir denken konnten, einschließlich mehrfacher langer Belichtung und der Zusammenfügung der Aufnahmen am Boden," meinte Mike Wang, Spezialist für optische Navigation am JPL, "aber Annefrank wollte nicht mit uns zusammenarbeiten. Er war einfach zu dunkel."

Wegen der hohen Wahrscheinlichkeit, Annefrank während der Annäherung nicht zu sehen, war der Vorbeiflug so ausgelegt, daß er schon erfolgreich ist, wenn der Asteroid erst 20 Minuten vor der größten Annäherung zu sehen ist. "Es wurde eine kürzeste Distanz von 3000 km gewählt, damit die Raumsonde nicht Gefahr läuft, in die Nähe von Staub oder kleineren Satelliten zu geraten, die sich möglicherweise in der Umgebung des Asteroiden aufhalten," meinte Ed Hirst, Leiter der Missionsauslegung am JPL. "Wir wollten außerdem sicherstellen, daß Annefrank sich beim Beginn des Rendezvous' im Aufnahmefeld der Kamera befindet."

Nachdem Annefrank nicht auf den Annäherungsbildern auftauchte, wurde der Gruppe klar, daß der Asieroid in der Tat so dunkel war, wie man vorhergesagt hatte, möglicherweise sogar noch dunkler. Das Team entschied, eine neue Konfigurationsdatei herauf zu schicken, durch die die Anfangsbelichtungszeit bei der Begegnung heraufgesetzt werden sollte. "Es gab eine planmäßige Verbindung dafür sechs Stunden vor dem Rendezvous," erklärte Robert Ryan, Missionsleiter am JPL. "Wir hatten am Tag zuvor einige Kommunikationsprobleme, die uns Schwierigkeiten bereitet hatten, aber wir bekamen vom Tiefenraumnetzwerk die höchste Priorität und hatten hervorragende Kommunikation am Freitag, was uns die Möglichgeit gab, frühere Aufnahmen, die wir verpaßt hatten, erneut zur Erde zu übertragen und die endgültigen Anweisungen für den Vorbeiflug hinauf zu schicken."

Um 5 Uhr Freitag Morgen wurde die Kommunikationsverbindung hergestellt, um zu beobachten, wie die Raumsonde die vorher hochgesendete Steuersequenz ausführte, mit der STARDUST von der Sonne und der Erde weg in die Vorbeiflugslage gedreht wurde. "Wir haben in über drei Jahren soviel Flugerfahrung und Zuversicht und Respekt für unser Raumfahrzeug aufgebaut, daß wir solche Manöver schon routinemäßig ausführen," meinte Joe Vellinga, der STARDUST Programleiter bei Lockheed Martin, der die Entwicklung und Fertigung der Raumsonde geleitet hatte. "Die Sonde hatte nicht einen Aussetzer während des Vorbeifluges und alle kritischen Werte, wie Wärme, Leistung, Lage, Speicher und Reserven blieben auf dem Nominalwert oder sogar darüber."

Die Hauptfunktion, die während des Vorbeifluges getestet werden sollte, war ein hochentwickeltes Computerprogramm, das die Steuerung der Raumsonde übernehmen sollte, so daß die Kamera während des 25-minütigen Zeitraums der größte Annäherung immer auf den Asteroiden ausgerichtet bleibt. "Diese Software war eine Abwandlung derselben Kernverfolgungssoftware, die schon erfolgreich beim Vorbeiflug von Deep Space 1 am Kometen Borrelly eingesetzt wurde," erläutert Dr. Shyam Bhaskaran, der den Algorithmus am JPL entwickelt hat. "Basierend auf meine früheren Erfahrungen mit DS1, verhielt sich das Programm beim Vorbeiflug mit 60 Bildern von Annefrank mit dem Asteroiden genau in der Bildmitte wie erwartet."

Über 70 Bilder wurden beim Vorbeiflug angefertigt, die einen typischen Kleinkörper unseres Sonnensystems zeigen: höchst unregelmäßig geformt und mit Kratern übersät. Annefrank ist etwa doppelt so groß, wie man angenommen hatte, mindestens 6 Kilometer im Durchmesser, aber dafür viel dunkler und deshalb schwieriger auf den ersten Aufnahmen zu entdecken. Aber nicht nur die Kamera funktionierte ausgezeichnet, auch das Staubstrommeßinstrument (DFMI) der Universität von Chicago und das deutsche Analysegerät für interstellaren und Kometenstaub (CIDA), das am Max-Planck-Institut in Garching entwickelt wurde, arbeiteten erwartungsgemäß. Basierend auf den Daten ist man nun in der Lage, die Geräte für den Vorbeiflug am Wild 2 in eine noch bessere Konfiguration zu bringen. Jetzt sind zunächst beide Gruppen eifrig dabei, die Daten nach möglichen Staubteilchenspuren zu durchkämmen.

Die Durchführung solcher Flugtests vor Erreichen des eigentlichen Ziels ist ein wichtiger Bestandteil der Mission, um die Risiken zu verringern und die Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen, sobald man den Kometen erreicht. Es wurden bereits im Vorfeld ausgiebige Tests und Übungen mit den Leuten von LMA an derem Raumfahrzeug-Testlabor und während Flugsimulationen durchgeführt, aber diese konnten natürlich die Tests während des tatsächlichen Flugbetriebs ersetzen. So hat man bei Annefrank eine Menge gelernt, das den Flug- und wissenschaftlichen Betrieb der Sonde am Kometen verbessert. Thomas Duxbury, der Projektleiter am JPL meint, daß wenn Annefrank Wild 2 gewesen wäre, wäre die Mission in jeder Beziehung ein voller Erfolg geworden.

Obgleich es sich hierbei nur um einen technischen Probelauf gehandelt hat, hat der Vorbeiflug an Annefrank eine Menge bisher unbekannte Informationen über den Asteroiden selbst eingebracht, über seine Größe, seine Form, seine Eigenrotation und seine Helligkeit in Abhängigkeit vom Blickwinkel.

"Dies war eine sehr aufregende Freitag Nacht für die unter uns, die an dieser Mission beteiligt sind," meint Donald Brownlee. "Wir haben Bilder eines primitiven Asteroiden mit einem bedeutungsvollem Namen, dessen Größe sich als vergleichbar mit der des Asteroiden herausstellte, der vor 65 Millionen Jahren die Dinosaurier ausgelöscht hat. Wir haben jetzt sichergestellt, daß STARDUSTs Systeme und Prozeduren funktionieren und wir warten jetzt gespannt auf das Rendezvous mit dem Kometen Wild 2 in gut einem Jahr."

Quelle: NASA/JPL Pressemitteilung


letzte Änderung am 7. November MMII