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Artikel 17. Februar 2012
China will nächsten bemannten Flug im Sommer durchführen
SHENZHOU 9 soll zwischen Juni und August starten - zuvor Berichte über mögliche Probleme mit dem SHENZHOU-Raumfahrzeug

SHENZHOU und TIANGONG
Oben: Das Rendezvous zwischen einem chinesischen SHENZHOU-Raumfahrzeug und dem Orbitalmodul TIANGONG 1. (Abbildung: CMSEO)
China plant, seinen nächsten bemannten Raumflug zwischen Juni und August diesen Jahres durchzuführen und dabei an dem Orbitalmodul TIANGONG 1 anzulegen, wie Verantwortliche des chinesischen Raumfahrtprogramms am Freitag, 17. Februar 2012 bekanntgaben.

Die Mission SHENZHOU 9 soll auf China's vierten bemannten Raumflug drei Astronauten in's All bringen, wie das Büro für bemannte Raumfahrttechnik Chinas (CMSEO) verlauten ließ.

In der Bekanntgabe, die auch von der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua verbreitet wurde, hieß es, daß die Besatzung der SHENZHOU 9 eine manuelle Kopplung mit dem Modul TIANGONG 1 ausführen soll. Die Astronauten sollen dann in das druckbeaufschlagte Abteil der TIANGONG überwechseln, um dort weltraumwissenschaftliche Experimente durchzuführen, wie das CMSEO erklärte.

Die Verantwortlichen gaben nicht die geplante Dauer der Mission oder die Namen der Besatzungsmitglieder bekannt.

Im letzten Jahr hatte Xinhua bereits berichtet, daß derzeit unter den neun Finalisten für den nächsten Raumflug zwei Frauen seien.

SHENZHOU 9 und TIANGONG 1 sollen eine Miniraumstation im All bilden, die 18 Meter lang ist, und rund 20 Kubikmeter an bewohnbarem Volumen zur Verfügung stellt.

Ein Sprecher des CMSEO erklärte, die Auswertung der Ergebnisse der unbemannten Kopplungsdemonstration im letzten Jahr habe ergeben, daß alle Systeme bereit für die bemannte Mission seien.

Berichte über unbemannte Mission

Dabei hatte es im Vorfeld Zweifel an dieser Darstellung gegeben. Berichte glaubhafter Quellen aus den Tagen davor, die auch über staatliche Medien verbreitet wurden, deuteten darauf hin, daß die anstehende Mission SHENZHOU 9 ohne Besatzung gestartet werden sollte.

Dies war eine Überraschung und deutete darauf hin, daß es, anders als die offiziellen Berichte der chinesischen Raumfahrtbehörde verlauten ließen, bei der Kopplung der unbemannten SHENZHOU 8 mit der TIANGONG 1 im letzten Oktober zu Problemen gekommen sein könnte. Verschiedene Aussagen in den chinesischen Medien deuteten Probleme bei der Erzeugung einer luftdichten Verbindung zwischen den beiden Raumfahrzeugen an.

Es hieß auch, daß statt einer Besatzung ein Experimentenpaket an Bord der SHENZHOU 9 mitgenommen werden sollte, wie auch schon bei vorangegangenen unbemannten Flügen.

Die Abwesenheit einer Besatzung erzeugt eine große Lücke an Bord des Raumfahrzeuges und gibt gleichzeitig neue Möglichkeiten. Experimentenpakete, die von den unbemannten SHENZHOUs in's All mitgenommen wurden und mit der Wiedereintrittskapsel zur Erde zurückgekehrt sind, enthalten üblicherweise einen umfassenden und ausgefeilten Satz an biologischen Experimenten; bei der SHENZHOU 8 stammten sie aus China und Deutschland.

Die Vorbereitung eines solchen Experimentenpakets erfordert aber auch Zeit und Aufwand. SHENZHOU 8 war von Anfang an als unbemannter Flug geplant, daher hatten die chinesischen Programmverantwortlichen genug Zeit dafür zu planen. Die Vorbereitungen für diese Experimente dauerten mehrere Jahre.

Für die SHENZHOU 9 Mission gibt es keine Berichte über die Entwicklung eines ähnlichen Experimentenpakets. Wenn hier etwas quasi ad hoc zusammengestellt werden sollte, so enthielte das Paket voraussichtlich Saatgut und Tiere. Diese Art von Experimenten erfordert nur eine kurze Entwicklungszeit, generiert aber auch nur bescheidene Ergebnisse. Die Saatgutexperimente zeigen bisweilen Mutationen, nachdem sie der kosmischen Strahlung ausgesetzt wurden, diese sind aber wissenschaftlich nicht sehr aufschlußreich. Ähnliches gilt wohl auch für Experimente, bei denen Tiere der kosmischen Strahlung ausgesetzt werden, wenn dazu nicht schon im Vorfeld umfassende Vorarbeiten geleistet wurden.

Die Berichte darüber, daß die SHENZHOU 9 unbemannt fliegen würde, wurden von mehr als einer staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur verbreitet und hielten sich einige Zeit lang undementiert, was ihnen eine gewisse Glaubwürdigkeit verlieh.

Diese Berichte veranlaßten Raumfahrtanalysten zu der Vermutung, daß mit der SHENZHOU selber etwas nicht stimme, und ein Flug mit dem Raumfahrzeug zu einem nicht akzeptablen Risiko für eine Astronautenbesatzung werden könnte.

Denn für den Fall, daß bei der Kopplung Probleme aufträten und z. B. die Kopplungsstelle nicht luftdicht wäre, könnte die Besatzung immer noch die Schotts geschlossen lassen, nicht in das TIANGONG-Modul überwechseln und eine Reihe von Experimenten in der SHENZHOU selbst absolvieren, wodurch der Flug zumindest noch zu einem Teilerfolg werden könnte.

Anders als die SHENZHOUs 1 bis 7, die noch als Prototypen betrachtet werden können und jede in Details von den anderen abwich, sind die SHENZHOUs 8, 9 und 10 baugleiche Fabrikmodelle und wurden parallel gefertigt. Ein Problem in der SHENZHOU 8 wäre also zwangsläufig auch in der 9 und 10 vorhanden.

Daß die chinesischen Verantwortlichen jetzt doch einen bemannten Flug angekündigt haben, läßt die Frage aufkommen, ob die Entscheidung dafür den tatsächlichen Stand des Projektfortschrittes widerspiegelt oder eher doch politisch motiviert ist. Denn eine bemannte Mission war ja für SHENZHOU 9 geplant und chinesische Astronauten trainieren schon seit geraumer Weile für diese Mission.

Eine andere Frage könnte auch sein: Spiegeln die Berichte über eine unbemannte Mission vielleicht einen Konflikt in der chinesischen Raumfahrtbehörde wieder, der öffentlich geworden ist, oder hat hier jemand den Medien eine Ente untergejubelt?

Letzte Vorbereitungen

Die SHENZHOU 9 und ihre Trägerrakete vom Typ Langer Marsch 2F werden laut des CMSEO derzeit der Endkontrolle unterzogen, bevor sie für die Mission freigegeben werden. Der Start sollte ursprünglich bereits im April stattfinden, wurde kürzlich aber auf Juni verschoben. Eine weitere Verschiebung in den August ist nicht ausgeschlossen.

Ein weiterer bemannter Flug, SHENZHOU 10, könnte noch in diesem Jahr, wohl eher aber erst in 2013 folgen und ebenfalls an der TIANGONG 1 anlegen. Chinesische Ingenieure arbeiten bereits an einem größeren Labormodul, TIANGONG 2, für weitere Demonstrationen.

Die TIANGONG-Module sind Wegbereiter für eine zukünftige Raumstation, die China bis zum Jahr 2020 in der Erdumlaufbahn aufbauen will. TIANGONG 1 war im September 2011 gestartet worden. Anders als häufig berichtet sind sie aber nicht die Kernmodule der zukünftigen Station selbst. Raumfahrzeuge vom Typ TIANGONG 1 sollen später eher als Frachtraumfahrzeuge zur Versorgung der Station dienen.

Shenzhou bedeutet "göttliches Gefährt", Tiangong "Himmelspalast" auf chinesisch.

Die vorangegangene SHENZHOU-Mission war am 31. Oktober gestartet und hatte nur zwei Tage später an TIANGONG 1 angekoppelt, was die erste automatische Koppelung Chinas im All darstellte. Nach dem Abkoppeln ein paar Tage später näherte sich die SHENZHOU 8 erneut dem Zielmodul für eine zweite Kopplung an, um die Leistung des optischen Rendezvoussensors bei vollem Sonnenlicht zu testen.

Das Koppelungssystem der SHENZHOU ist ähnlich dem russischen APAS-System, das bei der gemeinsamen russisch-amerikanischen APOLLO-SOJUS-Mission aus dem Jahr 1975 verwendet wurde, ebenso wie dem Aufbau der russischen Raumstation MIR und bei den vielen Raumfährenbesuchen auf der Internationalen Raumstation.

Im Gegensatz zu dem System das bei den Koppelungen russischer SOJUS- und PROGRESS-Raumfahrzeuge an der ISS eingesetzt wird, ist dieses System androgyn, so daß jedes der beiden beteiligten Raumfahrzeuge entweder die aktive oder die passive Rolle beim Rendezvous übernehmen kann.

Wie die chinesischen Raumfahrtverantwortlichen erklärten, würde dieses System es den chinesischen SHENZHOU-Raumfahrzeugen ermöglichen, an der ISS anzulegen, sollte das Land jemals eingeladen werden, sich an dem multinationalem Forschungslabor zu beteiligen.

Das SHENZHOU-Koppelungssystem wurde entwickelt, um sowohl automatische Koppelungen, wie auch manuelle bei bemannten Missionen durchzuführen.

Zu den vorangegangenen SHENZHOU-Missionen gehörte der erste bemannte Raumflug Chinas im Jahr 2003, ein fünftägiger Raumflug mit einer zweiköpfigen Besatzung im Jahr 2005 und der erste Außeneinsatz im chinesischen Raumfahrtprogramm im Jahr 2008.

Quelle: Spaceflight Now, Space Daily u. a.
Bearbeitet von: Matthias Pätzold

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letzte Änderung am 20. Februar MMXII