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Artikel 8. Juni 2010
ESA muß in der Finanzkrise den Gürtel enger schnallen
Ausgabenstop bei der europäischen Raumfahrtagentur, laufende Verträge sind aber nicht betroffen - noch düstere Aussichten für 2011 und 2012

Die europäische Raumfahrtagentur ESA hat einen Ausgabenstop verfügt, der zwar noch nicht zu Missionsverzögerungen führt, aber alle Optionen werden auf dem Tisch sein, wenn die finanzschwache Agentur sich auf die noch schwierigeren Haushaltsjahre 2011 und 2012 vorbereitet, wie für die Finanzen verantwortliche hohe Mitarbeiter der Organisation verlauten ließen.

Ludwig Kronthaler, der ESA-Direktor für Ressourcenmanagement, erklärte, daß die Raumfahrtagentur genug Finanzmittel haben sollte, um in diesem Jahr ein Moratorium auf neue Vertragsabschlüsse zu vermeiden. Aber ernsthaftere Konsequenzen könnten in den nächsten zwei Jahren vor der Tür stehen.

"Für 2010 sehe ich kein großes Problem im Haushalt", meinte Kronthaler. "Aber es ist klar, daß wir uns darauf vorbereiten müssen, daß es in 2011 und 2012 enger werden könnte."

Die ESA hat die Ausgaben für 2010 und 2011 auf das Niveau des letzten Jahres von 3,35 Milliarden Euro begrenzt. Das Budget der Raumfahrtagentur bleibt zwar höher, aber die Ausgaben werden aufgrund von Vertragsmodifikationen in die Länge gezogen.

"Die Zahlungsprofile werden nicht mehr länger mit hohen Anfangskosten versehen sein", erklärte Kronthaler in einem Interview mit Spaceflight Now. "Ich gehe davon aus, daß die Industrie lieber einen Vertrag mit nicht so großen Anfangszahlungen hat, als gar keinen Vertrag. Wir beabsichtigen nicht, die Implementationsgeschwindigkeit zu verringern, aber das Zahlngsprofil nach hinten zu verschieben, so daß wir mit unseren normalen Programmimplementierungen weitermachen können, ohne die industriellen Aktivitäten zu reduzieren."

Aber Kronthaler warnte, daß die 18 ESA-Mitgliedsstaaten immer noch ihre Haushalte auswerteten und er würde nicht ausschließen, daß es bei den Missionen der Raumfahrtagentur zu einigen Verzögerungen kommen könnte.

"Der begrenzende Faktor wird in der zweiten Jahreshälfte auftreten, wenn die Mitgliedsstaaten ihre Haushaltsbilanz aufstellen, und dann müssen wir auch schauen, inwiefern wir ebenfalls unsere Implementationsgeschwindigkeit anpassen müssen, aber das ist heute noch kein Thema", meinte Kronthaler.

Die Europäischen Regierungen leiden unter wachsenden Haushaltsdefiziten, was Befürchtungen aufwirft, einige ESA-Mitgliedsstaaten könnten mit ihren Mitgliedsbeiträgen in Verzug geraten.

"Dies ist eine ständige Übung für uns, aber jetzt haben wir einen neuen Schwerpunkt, der vielleicht erfordert, daß wir Maßnahmen ergreifen müssen, die nicht so populär sind", erklärte Kronthaler.

Nach Angaben von Kronthaler existiere bereits für 2011 und 2012 eine Finanzierungslücke bei den Mitgliedsstaaten, aber das sei nicht ungewöhnlich.

"Es ist klar, daß wenn wir mit den Mitgliedsstaaten über den Haushalt von 2011 zu diskutieren beginnen, wir auch die Situation in 2012 mit in Betracht ziehen müssen", erläuterte Kronthaler. "Wir kennen alle die Alternativpläne unserer Mitgliedsstaaten. Am Ende müssen wir uns natürlich der Erschwinglichkeit unterwerfen. Da wird es keinen Ausweg geben, wenn die Mitgliedsstaaten sagen, daß wir unsere Implementationsgeschwindigkeit reduzieren müssen, aber an diesem Punkt sind wir noch nicht."

Bislang hat noch kein Mitgliedsland angekündigt, seinen Beitrag zur ESA zu reduzieren, und Frankreich plant sogar seinen Beitrag um 12% zu erhöhen.

"Aber es ist klar, daß wir den Gürtel enger schnallen müssen", meinte Kronthaler.

Die Meteosat-Wettersatelliten der Dritten Generation (MTG), ein umstrittenes Programm, das mit Problemen behaftet ist, könnte eines der ersten Gegenstände für die Sparpolitik der ESA werden. Das MTG-Programm wird von der Wetteragentur EUMETSAT verwaltet, aber die ESA betreut die Satellitenverträge und steuert 25% der Finanzmittel bei.

Die ESA hatte Thales Alenia Raumfahrtsysteme und OHB Technologie ausgewählt, um die Satelliten zu bauen, aber die Produktion liegt immer noch auf Eis wegen Beschwerden aus Deutschland über die Verteilung der Arbeit an MTG zwischen Frankreich und Deutschland. Die in Frankreich beheimatete Firma Thales Alenia Raumfahrtsysteme wäre nach der Entscheidung der ESA der Hauptvertragspartner und hätte damit EADS Astrium in Bremen ausgestochen.

EUMETSAT's Programmausschuß wird voraussichtlich in diesem Sommer das Projekt befürworten und damit möglicherweise den Weg für eine Vertragsunterschrift ebnen.

Kronthaler meinte, daß die Verzögerungen im Abschluß des MTG-Vertrages der ESA einigen Spielraum lassen, um die Zahlungspläne zu ändern.

"Das größte Beispiel wäre hier sicherlich MTG, wo wir Handlungsspielraum haben", erläuterte Kronthaler. "Denn in Verträge, die bereits abgeschlossen sind, würde ich nicht gerne eingreifen, um dort nachzuverhandeln, denn das könnte immer auch zu zusätzlichen Kosten führen."

Quelle: Spaceflight Now
Bearbeitet von: Matthias Pätzold


letzte Änderung am 12. Juni MMX